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Gastkommentar
Kommentar: Die Türkei ist ein Rechtsstaat

Yücel: "Deutschland kann sich glücklich schätzen, im sicheren europäischen Schoß zu sitzen. Schließlich hat Deutschland keine Konflikte an den Grenzen oder keine relevanten inneren Gefahren wie Terror, die Jahrzehnte anhalten."

(Archivfoto: AA)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Ein Land mitten in Europa – Deutschland, in sicherer Entfernung zu Konflikt- und Krisenherden in der Welt, zieht über ein anderes Land – Türkei – in einer von Gewalt und Konflikten geprägten Region eine erschütternde Bilanz über ihre Rechtstaatlichkeit in Zusammenhang mit der Verurteilung des türkischen Kulturmäzen Osman Kavala. Ist das eigentlich zielführend oder nur der vergebliche Versuch, ureigene Interessen in der Region durchzusetzen?

Wie sieht es eigentlich mit der Rechtstaatlichkeit Deutschlands aus?

  • Julian Assange oder Edward Snowden ihr international verbrieftes Asylrecht verwehren und danach von Missbilligung der langjährigen Haft in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis sprechen
  • drei mutmaßliche türkische „Spione“ verhaften und medial begleitet vor das Oberlandesgericht Koblenz zerren
  • Russischen Oligarchen per ministerialer Direktive die Vermögenswerte einfrieren oder festsetzen;
  • Deutsche Journalisten mundtot machen, weil sie über illegale Waffenlieferungen nach Mexiko berichten
  • Murat Kurnaz aus Bremen im US-Gefangenenlager in Guantánamo Folter und Misshandlung mutwillig aussetzen

Sich aber dann über ein Urteil eines türkischen Gerichts über einen Kulturmäzen namens Osman Kavala echauffieren und der Türkei die Rechtsstaatlichkeit absprechen! Gehts noch?

Deutschland kann sich glücklich schätzen, im sicheren europäischen Schoß zu sitzen. Schließlich hat Deutschland keine Konflikte an den Grenzen oder keine relevanten inneren Gefahren wie Terror, die Jahrzehnte anhalten. Und dennoch gibt es in der Gewaltenteilung und in der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands dunkle Flecken, die nicht durchleuchtet werden, sondern nur dem Fortbestand dieser Nation dienen.

Die Türkei hat genauso spitzfindig seine Gesetze und Werte verteidigt, wie Deutschland es gegenwärtig immer noch betreibt; das ist das einzige, was man der türkischen Justiz vorhalten kann. Damit kann das türkische Volk ganz gut leben, denn…

Die Türkische Republik ist zuallererst ein republikanischer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat – so wie Deutschland. So steht es in der türkischen Verfassung. Zuallererst bedeutet dies: Alles, was staatliche Behörden in der Türkei tun, ist an Recht und Gesetz gebunden und wird schriftlich erfasst und niedergelegt.

Diese staatliche Ordnung fußt auf einer Jahrhunderte alten Kultur, die alles und jeden rechtlichen und gesetzlichen Akt in Wort und Schrift niedergelegt hat, damit diese zurückverfolgt und erklärt werden können. Diese Kultur der staatlichen Ordnung wurde nach der Gründung der Republik umfassenden Reformen unterzogen, aber im Kern ist die osmanische Kultur der Bürokratie erhalten geblieben.

Diese Reformen geben bis heute dem Volkswillen absoluten Vorrang, da nach der Verfassung die Souveränität uneingeschränkt und unbedingt der türkischen Nation zusteht und keine Person oder Institution, welche diese im Namen des Volkes auszuüben zuständig ist, von der in dieser Verfassung bestimmten freiheitlichen Demokratie und der von ihren Erfordernissen bestimmten Rechtsordnung abweicht.

Gewaltenteilung bedeutet nach der türkischen Verfassung, dass diese keine Vorrang gewährende Reihenfolge der Staatsorgane impliziert, stattdessen aus dem Gebrauch bestimmter Zuständigkeiten des Staates und damit in einer begrenzten zivilisierten Arbeitsteilung und Zusammenarbeit besteht und ein Primat nur der Verfassung und den Gesetzen zukommt. Wer also diese Verfassung oder Gesetze auch nur annähernd verletzt oder gefährdet, hat es zuallererst mit dem Volkswillen zu tun, der die Gewalten ermächtigt, das nötige zu tun, um diese Gefahr abzuwehren!

Diese Verfassung wurde im Einklang mit dem türkischen Volk, der türkischen Lebenswirklichkeit und der geopolitischen und geostrategischen Lage ausgerufen. Deshalb nehmen Türken Unkenrufe und drastische Zuschreibungen aus Deutschland oder der „zivilisatorischen Moderne“ nicht wirklich ernst, weil diese Rufe und Zuschreibungen aus einer Lebenswirklichkeit stammen, die mit der in der Türkei oder der Region nichts gemein haben.

Denn, die Türkei sitzt – manche Sofaexperten vergessen das allzu gern – zwischen zwei Kontinenten, die seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden Spielball von Mächten war und umkämpft wurde. Seit ihrer Gründung hat die Türkei ihre Souveränität mit dieser Verfassung in dieser schier lebensfeindlichen Region verteidigt und dabei den Volkswillen vorrangig berücksichtigt; nicht die der deutschen Bundesregierung oder deren Marktschreiern und Sofaexperten.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar


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