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Gastkommentar
Israel: Die deutsche Unfähigkeit zur Objektivität

Zwischen Schuldkomplex, Judenfetisch und Feindbildproduktion: Andrea Sawatzki und die deutsche Unfähigkeit zur Objektivität

(Foto: mka)
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Ein Gastbeitrag von Gazmend Gashi

Die deutsche Schauspielerin Andrea Sawatzki hat sich auf Facebook öffentlich zu Israel, Palästina und zur Hamas geäußert – und mit ihrer Erklärung ein Paradebeispiel dafür geliefert, wie sich der deutsche Schuldkomplex, verkleidet als Moral, in rassistische Täter-Opfer-Umkehr verwandelt.

In einem Beitrag, der sich als persönliche Meinungsäußerung tarnt, betreibt sie politische Stimmungsmache gegen jede Form palästinensischer Selbstbehauptung – und verwechselt gezielte Ausblendung mit Humanismus.

Dass Sawatzki die Hamas ablehnt, ist legitim. Aber dass sie aus dieser Ablehnung ein pauschales Urteil über jede Form palästinensischen Widerstands ableitet, ist ideologisch durchtränkt. Wer heute auf Pro-Palästina-Demos geht – und dabei ausdrücklich gegen Kollektivbestrafung, ethnische Säuberungen und militärisch exekutierte Apartheid protestiert – wird von ihr in einen Topf mit Islamisten, Terroristen und Massenmördern geworfen.

Sie schreibt von „Hamas-Dreiecken“, „blutigen Händen“, „Fahnen“ und moralisiert sich gleichzeitig in die Rolle der bedrohten Unschuld: Sie wolle doch nur ihre Meinung äußern. Was dabei entsteht, ist kein demokratischer Diskurs, sondern eine durch Schuldreflexe aufgeheizte Dämonisierung jeglicher israel-kritischer Position.

Was sie formuliert, hat SS-Propaganda-Qualitäten. Die antisemitische Gleichsetzung von einst – „alle Juden sind Kommunisten“ – wird heute umgedreht in „alle Palästina-Demonstranten sind Hamas“. Dieser entmenschlichende Kollektivverdacht ist nicht zufällig, sondern politisch gewollt.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz bediente sich kürzlich exakt dieser Logik, als er öffentlich sagte: „Israel macht die Drecksarbeit für uns.“ Wer solche Sätze sagt, verabschiedet sich nicht nur von Menschenrechten, sondern auch von jeglicher zivilisatorischen Erinnerung an das, was deutsche „Drecksarbeit“ im 20. Jahrhundert bedeutete. Sawatzki reiht sich nahtlos ein in dieses Bündnis aus Schuldabwehr und rassistischer Entlastungsprojektion.

Denn die deutsche Debattenkultur ist längst verformt: Kritik an Israel = Antisemitismus. Diese Gleichsetzung ist nicht nur analytisch falsch, sondern politisch verheerend. Sie relativiert den Holocaust, indem sie ihn zur moralischen Deckungskarte für koloniale Gewalt umdeutet.

Wenn Israel Kinder bombardiert, Krankenhäuser zerstört, UN-Schulen attackiert, Zivilisten in Gaza gezielt abschlachtet – dann darf das in Deutschland nicht als das benannt werden, was es ist: Staatsterror. Stattdessen wird es als legitime Selbstverteidigung beschönigt. Sawatzki geht noch weiter: Wer das kritisiert, steht für sie moralisch bereits auf der Seite der Täter.

Dabei ist genau diese Haltung der Grund für das moralische Versagen Deutschlands im Nahostdiskurs. Der eurozentrische weiße Mensch spricht wieder. Er liebt Israel – nicht aus Solidarität, sondern weil es ihn erlöst.

Er hasst die Palästinenser – nicht weil sie bedrohlich wären, sondern weil sie erinnern: an Kolonialismus, an Apartheid, an das eigene historische Schweigen. Sawatzki schreibt, sie habe Freunde „in Israel, Gaza, Iran“ – ein pseudohumanistisches Accessoire, mit dem sie ihre selektive Empathie rhetorisch verbrämt.

Dass sie in ihrem gesamten Text kein einziges Mal die Besatzung, die Blockade, die täglichen Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung benennt – das spricht Bände.

Sie spricht von „Frieden“, schweigt aber zu Israels rechtsradikaler Regierung. Sie spricht von „Leid“, blendet aber systematisch aus, dass dieses Leid durch eine rassistisch motivierte Militärpolitik erzeugt wird. Stattdessen erklärt sie – mit der Selbstgewissheit des deutschen Schuldgestus – die Kritik an dieser Realität zur moralischen Bedrohung.

Dass sie dafür auf ihrer Facebook-Seite die Kommentarfunktion deaktiviert hat, ist bezeichnend: Kritik wird nicht ertragen, sondern blockiert. Genau wie Israels Kritik an der Besatzung nicht erträgt, sondern bombardiert.

Und was ist das Ziel all dessen? Die deutsche Seele sucht Erlösung. Der Holocaust war ein Menschheitsverbrechen – aber aus ihm wurde im kollektiven Gedächtnis kein echter Antifaschismus, sondern eine Schulderbsenzählerei. Man liebt das jüdische Opfer, solange es tot ist – und man liebt Israel, solange es die Palästinenser bombardiert.

Sawatzkis Pathos ist nicht etwa Humanität, sondern ein Symptom: Sie steht exemplarisch für jene Generation deutscher Kulturschaffender, die ihre Bedeutungslosigkeit über die israelische Gewaltverklärung kompensieren will.

Wer „Nie wieder“ ernst meint, muss jede Form von Faschismus ablehnen – auch den zionistischen. Wer Humanität beansprucht, muss jeder Form von Terror entgegentreten – auch dem staatlich sanktionierten. Und wer sich auf die Seite der Gerechtigkeit stellt, darf nicht den Kolonisator bejubeln und das Kolonisierte entmenschlichen. Alles andere ist keine Meinung – sondern Mittäterschaft!


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.