Start Politik Deutschland Merz-Zitat Friedrich Merz und das fatale Spiel mit der Sprache „Drecksarbeit für...

Merz-Zitat
Friedrich Merz und das fatale Spiel mit der Sprache „Drecksarbeit für uns alle“

Als CDU-Chef Friedrich Merz am Rande des G7-Gipfels in Kanada in ein ZDF-Mikrofon sprach, dürfte ihm die Wirkung seiner Worte bewusst gewesen sein.

Teilen

Ein Gastkommentar von Helene Milde

Als CDU-Chef Friedrich Merz am Rande des G7-Gipfels in Kanada in ein ZDF-Mikrofon sprach, dürfte ihm die Wirkung seiner Worte bewusst gewesen sein. Und doch sagte er jenen Satz, der seither für massive Irritation sorgt:

Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht, für uns alle.“

Diese Aussage bezieht sich auf die israelischen Luftangriffe auf iranische Militär- und Atomanlagen, aber sie bedroht gleichzeitig die Zivilbevölkerung im Iran. Israel verteidigt diese als notwendig, um den Ausbau des iranischen Atomprogramms zu stoppen. Ein Programm, das von vielen als Bedrohung für die Region und darüber hinaus eingestuft wird.

Merz’ Bezeichnung dieser Angriffe als „Drecksarbeit“ mag aus der Perspektive geostrategischer Interessen gemeint gewesen sein. Doch gerade in diesem scheinbaren Realismus offenbart sich ein gefährlicher moralischer Kurzschluss.

Die Problematik in einem Satz

Was Merz ausspricht, ist das, was viele sich vielleicht denken, aber niemand in dieser sprachlichen Brutalität öffentlich formulieren sollte:

Dass westliche Demokratien ihre eigenen sicherheitspolitischen Interessen indirekt durch andere Nationen mit Waffengewalt verteidigen lassen. Und dass dabei eine politische und moralische Verantwortung bewusst ausgelagert wird.

Denn wer von „Drecksarbeit“ spricht, akzeptiert nicht nur die Gewalt, sondern stellt sie als schmutzige, aber notwendige Pflicht dar. Zum Beispiel als Dienstleistung im Namen einer Gemeinschaft, die selbst lieber nicht direkt eingreift.
Es ist ein Satz, der jede Debatte über Völkerrecht, zivile Opfer und diplomatische Alternativen in den Schatten stellt.

Applaus und Empörung

Unterstützung erhält Merz unter anderem vom israelischen Botschafter Ron Prosor, der erklärte, Israel bezahle „den Preis“, um „die Welt vor den Ayatollahs zu schützen“.

Auch konservative Stimmen in Deutschland lobten die „Klarheit“ der Aussage. Doch Klartext ist nicht gleich Klugheit.

Kritik kam unter anderem von Grünen und Linken, die den Satz als „zynisch“ und „völkerrechtlich brandgefährlich“ einstuften. Der Linken-Politiker Sören Pellmann sprach von einem „Schulterschluss mit einem militärischen Angriffskrieg“.

Und selbst innerhalb der SPD rumorte es: So betonte Lars Klingbeil, man müsse militärische Gewalt stets mit Maß und Verantwortung diskutieren und nicht mit zynischen Floskeln.

Verantwortung beginnt bei der Sprache

Der Satz von Merz ist mehr als ein Ausrutscher.
Er steht symptomatisch für eine gefährliche Entwicklung in der politischen Kommunikation. Für die Bereitschaft, komplexe moralische Dilemmata mit schlichten Bildern zu übertünchen. Für die Tendenz, schwierige Entscheidungen als alternativlos und vor allem als „notwendige Härte“ zu rechtfertigen.

Doch gerade wenn es um Krieg und Frieden, um Leben und Tod geht, dürfen Worte nicht gedankenlos sein. Sie formen Narrative, beeinflussen öffentliche Debatten und legitimieren Handlungen.
Wenn Deutschland in außenpolitischen Krisen als Vermittler, als Hüter des Völkerrechts und der Diplomatie auftreten will, dann darf es nicht dulden, dass seine Spitzenpolitiker Gewalt als „Dienstleistung für uns alle“ preisen.

Internationale Reaktionen

Israels Botschafter Ron Prosor stärkte Merz den Rücken und betonte, dass Israel „den Preis bezahle, um die Welt vor den Ayatollahs zu schützen“. Er lobte die deutsche Haltung als Zeichen europäischer Führungsverantwortung und verwies auf das gemeinsame Interesse, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern.

Unterdessen telefonierte Merz mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Laut Regierungskreisen habe er in dem Gespräch nicht nur Unterstützung für Israels Sicherheitsinteressen bekundet, sondern auch zur Mäßigung aufgerufen. Deutschland strebe diplomatische Gespräche mit dem Iran in Genf an, um eine zivile Nutzung der Atomenergie im Rahmen internationaler Kontrolle zu sichern.

Innenpolitische Spannungen

Die Grünen forderten Sondersitzungen des Bundestages zu den Ereignissen – insbesondere zu Deutschlands Rolle in der internationalen Abstimmung. Die Forderung blieb bislang ohne Mehrheit, wird jedoch von Teilen der SPD unterstützt. Kritiker werfen Merz weiterhin vor, durch seine Wortwahl außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen und sich von völkerrechtlichen Grundsätzen zu entfernen.

Zusätzliche Brisanz erhält die Debatte durch eine Strafanzeige, die unter anderem von Diether Dehm und Dieter Hallervorden eingereicht wurde. Sie werfen Merz vor, mit seiner Aussage gegen das Friedensgebot des Grundgesetzes zu verstoßen. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob ein Anfangsverdacht besteht.

Polarisierung in der Öffentlichkeit

Während konservative Leitmedien Merz für seine „ehrliche Sprache“ feiern, werfen ihm Kommentatoren aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine gefährliche Verrohung politischer Kommunikation vor. Die Diskussion hat sich damit längst von der konkreten Militäraktion hin zur Grundsatzfrage verschoben: Wie viel Pragmatismus verträgt eine wertegeleitete Außenpolitik?


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


AUCH INTERESSANT

– Geschichte –
Palästina: Anschläge jüdischer Terrorgruppen Irgun und Haganah

Die eskalierende Gewalt des Bürgerkriegs 1947-1948 im Mandatsgebiet Palästina war geprägt von brutalen Angriffen, die den jüdischen paramilitärischen Organisationen Irgun und Haganah zugeschrieben werden

Palästina: Anschläge jüdischer Terrorgruppen Irgun und Haganah