Der Markt für E-Bikes boomt – unter anderem wegen der Corona-Pandemie: Im Jahr 2020 sind 1,95 Millionen Elektrofahrräder in Deutschland verkauft worden, ein Zuwachs von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Parallel dazu ist 2020 allerdings auch die Zahl der Verkehrsunfälle mit Pedelec-Beteiligung um 19,1 Prozent gestiegen.
137 Pedelecfahrer:innen sind im vergangenen Jahr auf deutschen Straßen ums Leben gekommen. „E-Bike-Fahrer:innen sollten die vergleichsweise hohen Geschwindigkeiten, die mit einem elektrischen Antrieb erreicht werden, nicht unterschätzen“, sagt Frank Schneider, Referent für Fahrzeugtypgenehmigung beim TÜV-Verband. „Um sicher unterwegs zu sein, sind ein voll funktionsfähiges und verkehrstaugliches Elektrofahrrad sowie die passende Ausrüstung ein absolutes Muss.“
Mit Umbausets können gewöhnliche Fahrräder zu E-Bikes umgerüstet werden
Eine preiswerte Alternative zu einem fertigen E-Bike sind Umbau-Sets, mit denen Verbraucher:innen gewöhnliche Fahrräder zu Pedelecs umrüsten können. Vor dem Kauf sollten Interessierte jedoch genau prüfen, ob das eigene Fahrrad dem Tuning gewachsen ist. Umbauwillige sollten berücksichtigen, dass die Herstellergarantie für das Fahrrad nach einer Umrüstung verfällt und sie keine Materialfehler mehr beanstanden können. Der TÜV-Verband informiert, was bei einem Umbau zu beachten ist und welche Fahrräder sich für eine Umrüstung eignen.
Hält das Fahrrad einer Aufrüstung stand?
„Einen Umbau zum E-Bike sollte nur in Betracht ziehen, wer sich mit Fahrradtechnik auskennt und die entstehenden Risiken realistisch einschätzen kann“, sagt Schneider. „Durch den elektrischen Antrieb wirken andere Kräfte auf Rad und Rahmen. Beispielsweise kann ein Mittelmotor für höheren Kettenverschleiß sorgen und ein elektronischer Vorderradantrieb verlangt nach einer besonders stabilen Gabel.“
Grundsätzlich gilt: Das Fahrrad sollte nicht zu alt sein. Im laufenden Betrieb können durch normalen Verschleiß und Materialermüdung Schäden entstanden sein, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Ein wichtiger Faktor für die Stabilität des Rades ist das zusätzliche Gewicht nach einem Umbau. „Bis zu neun Kilo wiegen Motor, Akku, Kabel und Bedienelement“, erklärt Schneider. „Der Rahmen muss das Zusatzgewicht der technischen Ausstattung solide tragen können, ohne dass ein Rad wegbricht oder der Rahmen ins Schwenken kommt.“
Außerdem können Roststellen und Materialbrüche bei einer E-Bike-Aufrüstung schnell fatal werden. Durch das zusätzliche Gewicht und die hohe Geschwindigkeit besteht die Gefahr, dass die Achsen brechen oder die Bremsen nicht zuverlässig ziehen. Für eine gute Bremswirkung auch bei schnellerer Fahrt sind an den meisten Fertig-Pedelecs moderne Scheibenbremsen verbaut. Dieser Standard sollte auch für umgebaute E-Bikes gelten.
Ist das Umbauset kompatibel mit dem eigenen Fahrrad?
Neben der Qualität müssen Fahrradfahrer:innen auch die Kompatibilität des normalen Fahrrades mit dem Nachrüstset prüfen. Schneider: „Nicht jeder Nachrüstsatz passt zu jedem Rad. Beispielsweise sind viele Umbausätze nicht kompatibel mit Rücktrittbremsen.“ Ob sich Bremssystem, Rahmenform und -material sowie die Schaltung mit dem gewünschten E-Bike-Set vertragen, hängt auch vom Motor ab.
Es gibt drei Arten von Motoren: Front-, Mittel-, und Heckmotor. Je nach Motor-Typ entsteht an der hauptsächlich belasteten Position ein höherer Verschleiß, was beim Umbau berücksichtigt werden sollte. „Für das E-Bike Marke Eigenbau eignen sich ein Heckmotor oder ein Mittelmotor am besten“, sagt Schneider. „Heckmotoren sind zwar nur mit Kettenschaltung und nicht mit einer Rücktrittbremse kompatibel, dafür können die meisten Fahrräder die Mehrbelastung an der Nabe gut bewältigen.“ Für ein fast unverändertes, sportliches Fahrgefühl empfehlen sich Mittelmotoren.
Das Zusatzgewicht wird gleichmäßig verteilt und Mittelmotor-Nachrüstungssets sind sowohl mit Ketten- als auch mit Nabenschaltung kompatibel. Manche Sets können auch mit Rücktrittbremse kombiniert werden. Durch den Einbau eines Heckmotors verschiebt sich der Schwerpunkt des Fahrrads nach hinten, allerdings sind die Motoren leise und sorgen für ein stabiles Fahrgefühl. Nachrüstsätze mit Frontmotor sind relativ preisgünstig und eignen sich für zahlreiche Fahrradtypen, beeinflussen aber das Lenkverhalten. „Frontmotoren verlagern viel Gewicht auf das Vorderrad, was die Gabel stark strapazieren und zu einer nervösen Lenkung führen kann“, sagt Schneider. Daher sei hier besondere Vorsicht geboten.
Welche formalen Fallstricke gibt es in Bezug auf selbstgebaute E-Bikes?
Eine Nachrüstung verändert das Fahrrad grundlegend. Durch den Motor wird das Fahrrad zur Maschine umgebaut und unterliegt damit, wie alle Pedelecs, der Maschinenrichtlinie. Damit Nachrüst-Pedelecs legal am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, müssen sie den Anforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und der EMV-Richtlinie 2004/108/EG für elektromagnetische Verträglichkeit entsprechen.
Schneider: „Die Prüfungen bestätigen, dass das Pedelec allen Vorgaben entspricht ist. Die Nachweise über die Konformität müssen die E-Bike-Fahrer bei Verkehrskontrollen oder bei Versicherungsfällen vorweisen können.“ Achtung: Bei umgerüsteten Pedelecs verfällt die ursprüngliche Herstellergarantie. Denn durch den Umbau werden aus Fahrradbesitzern Hersteller. Fehlen die entsprechenden Nachweise bei einem Unfall, kann die Versicherung die Zahlung verweigern. Weitere Konsequenzen drohen, wenn die Motoren auch bei einer Geschwindigkeit von mehr als 25km/h elektrisch unterstützen.
„In der StVO ist das Pedelec als Fahrrad eingestuft“, erklärt Schneider. „Der Elektromotor unterstützt lediglich bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h und ausschließlich beim Tritt in die Pedale.“ Die sogenannten S-Pedelecs fahren 45 km/h schnell und sind führerschein- und zulassungspflichtig. Fahrer:innen eines regulären E-Bikes, die schneller unterwegs sind, riskieren hohe Strafen und Punkte in Flensburg.