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Militäroffensive in Syrien
Kommentar: Türkei spürt die Folgen des syrischen Bürgerkriegs am eigenen Leib

Mit einem Tweet hat US-Präsident Trump dafür gesorgt, dass die in Nordsyrien stationierten US-Soldaten aus Schlüsselstellungen in Ras al-Ain und Tal Abjad abgezogen werden und die SDF alleine da steht. In Europa und in den USA wird heftig über die Entscheidung Trumps gestritten.

(Archivfoto: AA)
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Erst Fakten, dann die Moral

Ein Gastkommentar von Nabi Yücel

Mit einem Tweet hat US-Präsident Trump dafür gesorgt, dass die in Nordsyrien stationierten US-Soldaten aus Schlüsselstellungen in Ras al-Ain und Tal Abjad abgezogen werden und die SDF alleine da steht. In Europa und in den USA wird heftig über die Entscheidung Trumps gestritten. Ferner wird nun der Türkei vorgehalten, was sie zu unterlassen hat, was sie nicht tun darf und welche Folgen eine militärische Intervention mit sich bringen würde. Dabei ist die Türkei längst direkt betroffen und muss seit Jahren die Folgen des syrischen Bürgerkriegs am eigenen Leib spüren.

Es wird derzeit heftig darüber spekuliert, was denn mit den „70.000 IS-Kämpfern“ passiere, die ja mit der militärischen Operation der Türkei, nicht mehr unter Kontrolle der „Kurden“ stehen würden. Es wird gemunkelt, dass die IS wiedererstarke oder, dass die Türkei die IS-Kämpfer in die eigenen Reihen aufnehmen und gegen die „Kurden“ einsetzen werde. Darüber hinaus wird behauptet, die Türkei würde die syrischen Flüchtlinge in der Türkei nun in Nordsyrien einquartieren und damit eine demografische Wandlung vollziehen.

Fakt ist, dass die Türkei seit mehr als einer Woche mehrere gepanzerte Bataillione an die südtürkische Grenzregion zu Nordsyrien entsendet hat. Mehrere Luftwaffenstützpunkte im Land sind quasi leer, alle kampfbereiten Jets in Incirlik oder dem Luftwaffenstützpunkt Diyarbakir stationiert.

Die türkische Regierung hat seit 2016 zwei Militäroperationen in Nordsyrien durchgeführt. Es war allen Beteiligten im syrischen Bürgerkrieg schon alleine deswegen klar, dass die Türkei auch diesmal in syrisches Territorium eindringen wird, wenn man ihren Forderungen kein Gehör schenkt, ihre Warnungen in den Wind schlägt.

Was auch immer der Grund für die militärische Intervention der Türkei in Nordsyrien sein mag, es gab genug Anlässe, um diesem den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man hat bislang jede Warnung der Türkei einfach ignoriert. Angefangen von einer Flugverbotszone bis hin zu Sicherheitszonen, in denen syrische Flüchtlinge vor Luftangriffen und vor dem Zugriff terroristischer Gruppierungen sicher sind.

Die Weltgemeinschaft hat bislang nichts getan, damit die Luftangriffe des syrischen Regimes und Russland beendet werden. Stattdessen hat das US-Koalitionsbündnis noch mehr Flüchtlinge erzeugt und noch mehr Leid in das Land hineingetragen. Die Weltgemeinschaft hat bislang auch keine Pläne vorgelegt, wie man die syrischen Flüchtlinge solidarisch aufnimmt und versorgt. Stattdessen versuchten einzelne Staaten mit den Nachbarländern Syriens Vereinbarungen zu treffen, um die Flüchtlinge im Grunde auf Distanz zu halten.

Die USA scherte es auch nicht, was die Türkei dazu sagt, dass man eine Terrororganisation erst umfirmiert und dann mit schweren Waffen und massiven Geldmitteln unterstützt. Als die Türkei die ersten zwei Operationen aufgrund dieser Machenschaften mit der PKK durchsetzte, wurden weiterhin mehr Waffen und viel mehr Gelder bewilligt, die an die Demokratischen Kräfte Syriens, der SDF oder besser gesagt der PKK gingen.

Am 21. Juli 2017 erzählte der Befehlshaber des Kommandos „Spezialoperationen“ der US Army, General Raymond Thomas, bei einer Sicherheitskonferenz des Aspen-Instituts im Bundesstaat Colorado, wie er die Terrororganisation PKK im Jahre 2015 dazu ermuntert habe, den „Firmennamen“ zu ändern. Der General erläuterte laut dem NDR-Magazin „Panorama“, dass der alte Firmenname nicht vermittelbar gewesen wäre. „Wenn sie zu sehr die Verbindung zu ihrer Vergangenheit, zur PKK, in den Vordergrund stellen würden, dann würde das Probleme schaffen“, erklärte Thomas dem Publikum.

Wenn wir von einer Terrororganisation sprechen, dann hat das einen triftigen Grund: ein Merkmal von Terror – der Begriff bedeutet auf Lateinisch Schrecken – ist gemäß dem internationalen Recht, wenn die Bevölkerung durch Gewaltverbrechen eingeschüchtert wird. In einem Krieg gibt es auch keine passenden Kategorien die in Gut und Böse passen. Es gibt nur die Kategorie, ob man von einer Gruppierung als Staat bedroht wird und ob die Gruppe sich an das humanitäre Völkerrecht hält.

Nicht nur die Türkei, sondern auch die USA stufen zusammen mit der EU die PKK als terroristische Organisation ein. Der SDF bzw. YPG/PKK werden seit 2015 Verbrechen nach dem humanitären Völkerrecht vorgeworfen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen haben unabhängig mehrere schwere Verbrechen gemeldet und gut belegt, darunter auch den Einsatz von Kindersoldaten, Massenmorde und ethnische Säuberungen im großen Stil, vor allem in Nordsyrien. Auch die UN hat in Zwischenberichten mehrmals auf die Verbrechen der SDF bzw. YPG hingewiesen.

Die SDF hat je nach konjuktureller Lagesituation mehr oder weniger auch die Nähe zum syrischen Regime unter Assad wie auch zu Russland gesucht. Noch immer beliefert die SDF-kontrollierte Region das syrische Regime mit Erdöl aus den Erdöl-Feldern, die sie kontrollieren; um damit auch den Terror zu finanzieren. Die SDF war Ende 2016 zusammen mit dem syrischen Regime auch an der gewaltsamen Einnahme der Millionenmetropole Aleppo beteiligt. Die Folgen der Zerstörung und Vertreibung der Bewohner Aleppos sind bis heute nicht nur in Nordsyrien, sondern auch in der Türkei sowie in der EU zu spüren.

Die SDF bzw. YPG/PKK hat zusammen mit den US-Koalitionsstreitkräften, unterstützt durch Luftbombardements, Städte im Nordosten des Landes vom sogenannten Islamischen Staat, genannt IS, befreit. Die SDF dienten dabei vielmehr als Bodentruppen und sollten versprengte Nester der IS ausmerzen oder die IS zur Aufgabe bewegen, ihr Geleitschutz aus den Städten zusagen, nach dem die Luftangriffe erfolgreich beendet worden waren. Gleichzeitig war diese „Befreiung“ aber auch ein Grund für weitere Binnenflüchtlinge, die seitdem entweder an der türkisch-syrischen Grenze festsitzen, in die Türkei flüchteten oder in Jordanien Zuflucht fanden.

Laut eigenen Angaben der SDF befanden sich April 2019 im „Hochsicherheitsgefängnis in Derik“ etwa 400 IS-Gefangene aus rund 52 Ländern. Insgesamt schätze man die Zahl der militanten IS-Kämpfer auf rund 1.000 Mann, also Bataillionsstärke. Dazu befänden sich nach eigenen Angaben laut einer Zählung vom 25. März 2019 31.436 Personen aus Syrien im Camp, dazu würden auch die Familien der IS-Kämpfer mit syrischer Staatsbürgerschaft zählen. Allein 30.367 Personen hätten die irakische Staatsbürgerschaft. Die Anzahl der Frauen und der Kinder mit anderer Staatsbürgerschaft betrage 11.039.

Nur zwei Monate zuvor bezifferte die SDF die Angaben laut dem SPIEGEL so: in ihren Haftanstalten würden rund 800 ausländische „Dschihadisten“ festgehalten. Hinzu kämen 700 Frauen und 1.500 Kinder, die in Flüchtlingslagern untergebracht seien. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte hierzu, man wisse von einer „mittleren zweistelligen Zahl“ von Deutschen, die für den IS gekämpft hätten und sich nun im Gewahrsam der „Kurden“ in Syrien befänden. Offenbar variieren die SDF-Zahlen zu festgesetzten IS-Militanten je nach politischer Hochwetterlage.

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