Solingen (nex) – Vor 25 Jahren verlor sie bei einem feigen rechtsradikalen Brandanschlag in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte.
In der Nacht zum 29. Mai 1993 drangen vier deutsche Rechtsradikale in das Haus der türkischen Großfamilie Genc ein und legten im Flur das Feuer, welches zum Tod von fünf unschuldigen Menschen im Alter von vier bis 27 Jahren führen sollte. 14 weitere Familienmitglieder wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt.
Mevlüde Genc, damals 40 Jahre alt, hatte allen Grund, wütend zu sein; wütend auf die Täter, wütend auf Deutschland, wütend auf die Politik. Dennoch trägt sie keinen Funken Hass in ihrem Herzen und entschied sich trotz der schmerzlichen Erfahrung für den Weg der Versöhnung. Sie engagiert sich seitdem für ein friedliches Miteinander.
„Nur den vier jungen Männern gegenüber, die damals meinen Kindern den Tod gebracht haben, empfinde ich in meinem Innersten eine Abneigung. Sonst nicht. Dieses Land gehört auch uns“, so Genc in einem Interview mit der freien Journalistin Ayten Hedia.
„Nach 1993 ist meine Welt zusammengebrochen, ich habe meine Kinder verloren. Es ist nicht einfach gewesen, den Schmerz zu ertragen. Mit dem Älterwerden ist der Schmerz sogar schwerer geworden. Ich kann ihn nicht mehr tragen. Ich habe fünf meiner Kinder an einem Tag verloren und am selben Tag in Särge gelegt. So etwas ist nicht einfach. Ich habe nachts geweint und mich tagsüber um meine anderen Kinder gekümmert. Ich habe meine Tränen nicht gezeigt“, sagte Genc im Gespräch mit Hedia weiter. Sie danke dem deutschen Staat, er sei immer für sie da gewesen.
Sie habe sich immer nur gewünscht, dass ihre Kinder in Deutschland aufwachsen wie alle anderen und dass „der Hass nicht Eingang findet in ihre Herzen“.
Auszeichnungen für Bemühungen zur Versöhnung
Für ihre Bemühungen um Versöhnung wurde ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im Jahre 2003 wurde sie bei den Deutsch-Türkischen Kulturwochen der Friedrich-Ebert-Stiftung zudem mit dem Freundschaftspreis ausgezeichnet.
Die Begründung der Jury:
„Mevlüde Genc hat ihrer Heimatstadt Solingen trotz allem die Treue gehalten und kämpft seither gegen Rassismus. Sie gründete u. a. einen Kindergarten und unterstützt vor allem das Bewusstsein, das bereits bei kleinen Kindern von Anfang an geschult werden sollte – nämlich dass Rassismus in Deutschland keine Chance haben darf. Für dieses Engagement und den Mut, trotz allem weiterzumachen, aufzustehen und etwas zu tun, verleiht die DTF seinen diesjährigen Preis in der Kategorie ‚Solidarität‘ an Mevlüde Genc.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel bewundert Haltung von Mevlüde Genc
„Auf eine unmenschliche Tat haben Sie mit menschlicher Größe reagiert. Dafür bewundern wir Sie“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede zum 25. Jahrestag.
Friedensnobelpreis für Mevlüde Genc
Der seit 1901 verliehene Friedensnobelpreis soll an denjenigen vergeben werden, der „am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker hingewirkt“ hat. Die NEX24-Redaktion und zahlreiche Befürworter sind der Meinung, dass dies im Fall von Mevlüde Genc zutrifft. In einem Brief an den Generalsekretär der Stiftung werden wir dafür appellieren, Genc in die Liste der Nobelpreis-Anwärter 2018 aufzunehmen.
Zahlreiche Befürworter sprachen sich gegenüber NEX24 dafür aus:
„25 Jahre nach der grausamen Hass-Attacke in Solingen, wo eine Familie zwei Kinder, zwei Enkelkinder und eine Nichte verlor, spricht Mevlüde Genç davon, dass sie verzeihen kann, spricht von Toleranz. 25 lange Jahre musste die Vorbildmutter mit ihrem Schmerz leben. Sie ist für mich ein Beispiel für menschliches Verhalten in einer unfassbaren Situation. Wir als Gesellschaft sollten Frau Genç als unser Leitmotiv anerkennen und aus Hass Freundschaft erblühen lassen. Sie hat den Preis verdient“, so etwa der in Wien lebende Journalist Klaus Jurgens.
Sandra Saber – Journalistin und Mitautorin des Buches Heilung aus dem Morgenland:
„Diese Frau zeigt, dass Hass zu nichts führt. Zudem verkörpert sie im Umgang mit diesem unerträglich schweren Schicksalsschlag eine zentrale Botschaft des Islam: Frieden. Frau Genc ist ein Beispiel für jeden.“
Yasin Baş – Historiker, Autor („Islam in Deutschland – Deutscher Islam?” sowie „nach-richten: Muslime in den Medien”)
„Mevlüde Genc verdient den Friedensnobelpreis, weil sie nach dem, was sie persönlich erlebt hat, immer und immer wieder zu Frieden, Versöhnung, Miteinander und Eintracht aufruft. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung. Frau Genc ist ein Vorbild für Menschlichkeit. Ihr großes Herz zeigt, dass ein Mensch, eine Mutter und Großmutter trotz großem Schmerz und Leid verzeihen und vergeben kann. Die Ehrung von Mevlüde Genc wäre zudem ein klares Signal an alle Rechtsextremisten, Rechtspopulisten. Rassistische Menschen- und Demokratiefeinde könnten nämlich sehen, dass ihre Saat und die perfide Strategie der Hetze und des Gegeneinander-Aufwiegelns nicht aufgeht. Deshalb unterstütze ich die Idee, Mevlüde Genc für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.“
Dilara Faslak – Halalcheck:
„Sie ist vielleicht nur eine von unzähligen Rassismusopfern, doch zugleich diejenige, die es wohl am stärksten getroffen hat. Nichtsdestotrotz stellt sie zugleich das größte Vorbild für Liebe, Respekt und Hoffnung dar. Ihre bewundernswerte Aufrichtigkeit besiegt den Hass.“
Oscar Bergamin – Movement X
„Frau Genc ist eine unglaublich starke Frau und ein Vorbild für uns alle. Eine echte Heldin in einer Welt voller Hass und Wut.“
Tolga Özgül – Genç ASIP – Junge Europäische Bürgerinitiative Plattform
„Frau Mevlüde Genç ist Mutter, Muslima und Vorbild für alle Menschen. Sie verlor 5 Familienmitglieder, aber nicht ihre Menschlichkeit. Solingen hat ein Wahrzeichen und eine Botschafterin des Friedens, der Toleranz und Liebe. Danke, Frau Mevlüde Genç, dass es Sie gibt.“
Holger Vorbeck – Ehemaliger Axel Springer-Mitarbeiter
„Mevlüde Genc ist eine wirklich starke, weise und großherzige Frau, die durch ihr Auftreten und ihre Aussagen mehr für den Frieden und die Verständigung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen getan hat, als alle Politiker, alle sozialen Programme und als alle Reden. Ebenso hat sie den Beweis erbracht, dass Christen und Muslime auch heute noch friedlich zusammen leben können. Wenn jemand den Friedensnobelpreis verdient hat, dann sie!“