Berlin – SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz setzt angesichts steigender Umfragewerte auf eine Mehrheit für eine rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl am 26. September. „Ich möchte gerne mit den Grünen zusammen regieren“, sagte der Bundesfinanzminister und Vizekanzler in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Ich habe in verschiedenen Regierungen schon mit den Grünen zusammengearbeitet, im Bund wie in Hamburg. Wir sind unterschiedliche Parteien, wir haben unterschiedliche Zielsetzungen, aber wir haben viele Schnittmengen.“ Und die seien für die Zukunft des Landes wichtig. Nach jetzigen Umfragen gibt es keine Mehrheit für Rot-Grün, diese Koalition hatte es in Deutschland von 1998 bis 2005 gegeben.
Sollte es nicht allein für SPD und Grüne reichen, gilt eine Ampel-Koalition mit der FDP als erste Option, die Scholz anstreben würde. Scholz benannte auf die Frage nach einem 100-Tage-Programm drei Kernprojekte nach einem Regierungswechsel. „Ich habe von Respekt gesprochen. Da geht es um Anerkennung, die sich aber auch auf dem Konto zeigen muss. Einmal Beifall-Klatschen für die Corona-Helden reicht nicht.“ Die Kassiererin an der Supermarktkasse oder der Paketbote müssten auch mehr verdienen. „In meinem ersten Amtsjahr will ich deshalb den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro anheben.“ Zweites wichtiges Vorhaben sei es, klar zu berechnen, wie viel Strom Deutschland 2045 brauchen wird, und den Ausbau der Stromerzeugung daran zu orientieren. „Wir brauchen viel mehr Strom aus Sonne und Wind, und wir brauchen ein leistungsfähigeres Stromnetz.“ Und damit zusammen hänge Punkt drei: „Die notwendigen Gesetze zu verabschieden, damit Planung und Bau solcher Anlagen deutlich schneller vorankommen als bislang.“
Scholz: Linkspartei nicht regierungsfähig
Scholz hat so deutlich wie bisher selten klar gemacht, dass ein Bündnis unter Einschluss der Linkspartei für ihn derzeit wegen mangelnder Regierungsfähigkeit nicht infrage kommt. Hauptgrund ist die jüngste Weigerung im Bundestag, dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul zuzustimmen. „Die Ablehnung der Bundeswehr-Rettungsentscheidung durch die Partei Die Linke war schlimm“, sagte Scholz dem „Tagesspiegel“.
Er bekräftigte, dass die Linke Mindestanforderungen wie ein klares Bekenntnis zur Nato, zu solidem Haushalten und zur transatlantischen Partnerschaft nicht erfülle. „Diese Anforderungen sind unverhandelbar.“ Scholz unterstützte explizit Aussagen zuletzt von SPD-Chefin Saskia Esken, die der Linken deshalb die Regierungsfähigkeit abgesprochen hatte und betonte, dass er da nicht wackeln werde: „Wer SPD wählt, um mich als Kanzler zu bekommen, kann sich darauf verlassen, dass das gilt.“