Start Panorama Gesellschaft Meinung Kommentar: „Wer vertritt und beschützt eigentlich meine Rechte in Deutschland?“

Meinung
Kommentar: „Wer vertritt und beschützt eigentlich meine Rechte in Deutschland?“

Bei der Ergründung der Frage, wer mich (Deutschtürken. Anm. d. Red.) in Deutschland vertritt, habe ich einen epochalen Versuch unternommen, eine ehrliche Antwort darauf zu finden. Sie werden es erahnen, das Ergebnis war ernüchternd. Selbst Fragen zur Quantenphysik sind im Vergleich dazu ein Kinderspiel. Ein Kommentar.

(Foto: dts)
Teilen

Von M. Teyfik Özcan

Wer vertritt und beschützt eigentlich meine Rechte in Deutschland?

Bei der Ergründung der Frage, wer mich (Deutschtürken. Anm. d. Red.) in Deutschland vertritt, habe ich einen epochalen Versuch unternommen, eine ehrliche Antwort darauf zu finden. Sie werden es erahnen, das Ergebnis war ernüchternd. Selbst Fragen zur Quantenphysik sind im Vergleich dazu ein Kinderspiel.

Vor 24 Jahren bin ich in die SPD eingetreten, da ich bei ihr die größten Schnittmengen mit meinen politischen Einstellungen und meiner Weltanschauung feststellen konnte.

Mittlerweile stellt sich für mich regelmäßig die Frage, warum ich der SPD noch die Treue halte. Die SPD hat ihre Seele mit der Agenda 2010 verkauft. Sie hat dem Rassisten Sarrazin eine politische Bühne geboten, der sich mit menschenverachtenden Ideologien, die auf fragwürdigen Methoden beruhen, medial in Szene setzte, um die Würde der Mitbürger anzutasten. Ferner kommt neuerdings die mediale Inszenierung der Herzlichkeit mit türkischen Staatsfeinden wie Can Dündar hinzu, mit einem verheerenden Signal an die türkische Community.

Die SPD fungiert mittlerweile als Vorreiter der Kavallerie gegen die Türkei und im Speziellen gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Kurz vor den Wahlen kriechen die Populisten der verschiedenen Parteien aus ihren Löchern und heizen die Stimmung auf. Bei der Endausscheidung, wer als Sündenbock das Rennen macht, liegt die Türkei und deren Staatspräsident uneinholbar vorne an der Spitze.

Über die Teflonbauchtänzer bei den Grünen bzw. den Linken brauche ich erst gar nicht zu referieren, da sie bekannterweise menschenverachtend offen und ohne Moral Terrororganisationen finanziell und logistisch unterstützen und damit jegliche Glaubwürdigkeit, die auf politischer Neutralität basiert, verlieren.

Bei der Suche nach einem Repräsentanten der türkischen Community stoße ich auf die Bundesregierung, der ich meine Steuergelder in der Hoffnung anvertraue, dass sie damit verantwortungsbewusst umgehen. Leider finanziert die Bundesregierung mit meinen Steuern mittelbar die PKK, die wiederum diese Waffen und Munitionen für die Attentate auf türkische Staatsangehörige nutzt. Das heißt, ich finanziere unfreiwillig die Terrorattentate auf meine Verwandten in der Türkei. Was für eine bizarre und perverse Situation.

Es geht noch weiter; mit unseren monatlichen Beiträgen zur GEZ finanzieren wir auch unmittelbar die öffentlichen Diskriminierungen der öffentlich-rechtlichen-Sendeanstalten gegen türkischstämmige Mitbürger und gegen den Islam im Besonderen. Auch hier finanziere ich ungewollt das Türkei-Bashing. Natürlich ist das keine pauschale Verurteilung. Vielmehr stelle ich eine tendenziöse und einseitige Berichterstattung fest, die nicht die gelebte Realität wiedergibt. Solange in den Aufsichtsratsgremien der Sendeanstalten Sympathisanten der PKK sitzen, wird sich vermutlich künftig auch nicht viel ändern.

Mein Blick richtet sich weiter auf die Ordnungsbehörden wie die Polizei und den Verfassungsschutz, die ich mit meinen Steuergeldern auch finanziell trage. Fast täglich kommen Meldungen von türkischstämmigen Mitbürgern über die rassistisch motivierten Taten von den Polizeibeamten gegen dunkelhäutige Mitbürger. Wie will man da eine Vertrauensbasis zum Polizeiwesen aufbauen? Dass der Verfassungsschutz nicht die Verfassung, sondern die Täter schützt bzw. motiviert, habe ich schon in der Vergangenheit mehrmals thematisiert:

Der Verfassungsschutz als Finanzier und in der logistischen Unterstützung des NSU, als Beobachter des Mordes an Halil Yozgat in Kassel, als Organisator und Mentor der Sauerlandgruppe und zuletzt als Chauffeur von Anis Amri, der das hinterhältige Attentat kurz vor Weihnachten in Berlin verübt hatte. Der Verfassungsschutz hat jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Es würde mich nicht wundern, wenn er beim nächsten Attentat wieder seine Finger im Spiel hat.

Kommen wir zu den türkischstämmigen Politikern. Wenn ich an türkischstämmigen Protagonisten wie Cem Özdemir und Sevim Dagdelen denke, assoziiere ich unvoreingenommen: Verrat, Drogen, Terrorismus, Doppelmoral, Heuchelei, Seelenlosigkeit und Opportunismus. Wie sollen Möchtegern-Politiker mit diesen Eigenschaften mich vertreten? Des Weiteren haben fast alle türkischstämmigen Bundes- und Landespolitiker beim Referendum in der Türkei eine aktive Rolle eingenommen, indem sie sich geschlossen für ein „Nein“ eingesetzt haben, obwohl ihre Wähler von ihnen erwarten, dass sie sich für die Belange der Menschen in Deutschland einsetzen und sich nicht für billige Zwecke instrumentalisieren lassen. Zumindest hat das Referendum gezeigt, dass die türkischstämmigen Bundes- und Landespolitiker in erster Linie an ihre Karriere und an ihr Portmonee denken und dann erst an ihre – jetzt ehemaligen – Wähler sowie an die Zukunft der türkischen Community.

Aufgrund der aktuellen Faktenlage ist eine zunehmende Türken- und Islamfeindlichkeit nicht von der Hand zu weisen. Fast wöchentlich wird eine Moschee in Deutschland Opfer von Attentaten aus dem rechten Milieu oder der PKK, hinzu kommen die fast täglichen Angriffe auf die Unterkünfte der Flüchtlinge oder auf Kopftuchträgerinnen – und wie sehen die Reaktionen unserer Vertreter in den türkischstämmigen Vereinen, Organisationen und Parteien aus?

In meiner langjährigen beruflichen Erfahrung stellte ich regelmäßig fest, dass der Slogan „Vatan, Millet, Sakarya“ nur ein Türöffner war und für viele Interessenvertreter nur eine Floskel darstellt, um geschäftliche Interessen abzuwickeln oder um ihr Ego zu befriedigen.

Man braucht nicht lange in der Vergangenheit zu rühren. Ich hatte noch vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen an die Führung der BIG-Partei und an die AD – Demokraten appelliert, im Interesse der türkischsprachigen Bevölkerung den Zusammenschluss zu suchen und gemeinsam mit einer Liste anzutreten. Das Ergebnis war, dass beide Parteien die machtpolitischen Interessen vor die Interessen ihrer Wähler stellten und sich vor den Wahlen in den sozialen Medien bekriegten. Wem hat das genutzt? Weder die beiden Parteien noch die türkischstämmigen Wähler haben davon profitiert. Wieder wurde eine Chance vertan. Klare Ansage an beide Parteien: Zusammenschluss (Fusion) statt Spalterei.

Bei der Suche nach meinem Interessenvertreter läuft mir die TGD über den Weg. Ja richtig, die TGD. „Die Gemeinde, die meine Interessen öffentlichkeitswirksam vertritt, die in vielen Talkrunden ihre Einsatzbereitschaft zeigt, die bei der Organisation vielen Veranstaltungen maßgeblich beteiligt ist.“ Sie predigt plurale Vielfalt und versteht sich als legitimer Vertreter der türkischen Community.

Wie will die „Türkische Gemeinde Deutschlands“ meine Interessen aktiv wahrnehmen, wenn sie vom Bundesinnenministerium finanziell gefördert wird. Kurz vor dem Referendum in der Türkei hat sich die TGD proaktiv für ein „Nein“ ausgesprochen. Unabhängig davon, dass die TGD nicht die innertürkischen Angelegenheiten nach Deutschland transportieren sollte und damit ihre Parteinahme offen zum Ausdruck bringen sollte, ist mein Selbstverständnis einer Interessenvertretung in Deutschland eine andere. Daher ist die Bezeichnung Türkische Gemeinde Deutschlands obsolet und sollte ersetzt werden durch CHP-Gemeinde Deutschlands. Wer den Anspruch hegt, die türkische Community zu vertreten, sollte sich nicht vor den Karren des Innenministeriums oder der CHP spannen lassen.

Wenn man die Talkshows als Indikator für die Interessenvertretung der türkischen Community nimmt, fallen zwangsläufig zwei Namen ins Gewicht. Der türkische Abgeordnete Herr Mustafa Yeneroglu und der Berater des türkischen Außenministeriums Herr Ozan Ceyhun. Da beide Abgesandte aus Ankara stammen, werden sie in erster Linie als Vertreter der türkischen Regierung wahrgenommen und nicht als permanenter Interessenvertreter der türkischen Community in Deutschland.

Über die türkisch religiösen Interessenvertreter wie DITIB oder IGMG werde ich zu einem späteren Zeitpunkt in einer separaten Analyse aufwarten, da es sonst den Rahmen hier sprengen würde.

Zu guter Letzt müssen wir auch die UETD unter die Lupe nehmen und sie auf Herz und Niere untersuchen. Seit der Gründung der UETD verfolge ich die Aktivitäten der Organisation mit akribischer Sorgfalt. Die UETD ist mittlerweile an einen Punkt gekommen, wo sie nach jahrelangen internen Dissensen, auch bedingt durch die FETÖ, sich zu einer Richtungsentscheidung durchringen muss. Definiert sie sich weiter nur als Organisations- und Veranstaltungskomitee oder schreitet die Emanzipation weiter voran und sie vertritt eigenständig die politischen und gesellschaftlichen Interessen ihrer Anhänger und Sympathisanten? Es wäre wünschenswert, wenn sie sich ihres Potentials bewusst wäre und eine Strukturveränderung mit dem Ziel herbeiführen würde, eine Auslese vorzunehmen zwischen den wirklich klugen Köpfen in der Organisation und den profilierungssüchtigen Platzhaltern, die einer progressiven Entwicklung im Interesse der türkischstämmigen Community im Wege stehen.

Da ich als Freigeist nur die Interessen der türkischstämmigen Bevölkerung in Westeuropa im Auge habe und keine politischen Ambitionen hege, möchte ich als objektiver Betrachter in einer neutralen Haltung auf gewisse Missstände hinweisen.

Solange wir es zulassen, dass hiesige Politiker wie Cem Özdemir oder Sevim Dagdelen, wie in der Armenienfrage, die Spaltung der türkischen Gesellschaft in Deutschland vorantreiben und wir uns als eine geschlossene türkische Community nicht eindrucksvoll entgegenstellen, solange werden noch unsere Kinder und Kindeskinder dem alltäglichen Rassismus und der offenen oder latenten Diskriminierung in Deutschland ausgesetzt sein. Daher fordere ich alle relevanten türkisch- und kurdischsprachigen Verbände und Organisationen in Deutschland auf, die persönlichen machtpolitischen Interessen zurückzustellen, alle gemeinsam unter einem Dach mit einer starken Stimme zu sprechen und die Interessen der ca. 3,5 Millionen türkisch- und kurdischstämmigen Mitbürger geschlossen und bedingungslos zu vertreten.

Nach mittlerweile 55 Jahren unseres Lebensmittelpunktes in Deutschland sind wir das unseren Großeltern, Eltern, Kindern und unseren Enkeln schuldig. Wer diesen Sachverhalt ignoriert, verleugnet seine eigene Geschichte und seine eigene Identität. Unsere Verwandten und Bekannten haben es uns am 15.07.2016 in der Türkei vorgemacht. Nun sind wir an der Reihe, unter unbedingter Einhaltung der deutschen Gesetze für eine friedvolle Interessenvertretung der in Deutschland lebenden Türken/Kurden zu sorgen. Divide et impera, eine Spaltung der innertürkischen Gesellschaft oder die türkisch/kurdischen Gesellschaft in Deutschland, die einer ideologischer Agitation ausgesetzt ist, dürfen wir nicht mehr zulassen. Nur gemeinsam können wir die zukünftigen Herausforderungen mit gegenseitigem Respekt, mit viel Empathie, mit altruistischer Verhaltensweise und großer Geschlossenheit meistern.

Auch interessant

Kommentar: Wenn “der Türke” nichts zu sagen hat

 


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.