Von Fabian Köhler
Sie sind wieder da – die immer gleichen Reaktionäre, die in Talkshows und auf Podien erklären, was Sexismus ist. Nur muslimischer Sexismus wohlgemerkt! Dabei könnten die Horst Seehofers, Andi Scheuers und Co. in Sachen Frauenrechte viel vom bekanntesten aller Muslime lernen: Ja genau, von Mohammed, diesem vermeintlich gewalttätigen, unzivilisierten Barbaren aus dem siebten Jahrhundert.
So zumindest lautet das Klischee, das einmal mehr auf alle anderen männlichen Muslime projiziert wird. Dabei war der islamische Prophet emanzipierter als viele seiner heutigen Kritiker: Nehmen wir zum Beispiel Hans-Peter Friedrich, den stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: „[Muslime] bringen häufig ein archaisches Verständnis von Geschlechterrollen, von Familie und Gesellschaft mit, das unserer freiheitlichen, vielfältigen Kultur zuwiderlauft“, sagt der. Patriarchale Gesinnungen sind in muslimischen Ländern durchaus ein Problem, aber wenn ausgerechnet der Vizechef der reaktionärsten und anti-emanzipatorischen Partei im Bundestag von Freiheit und vielfältiger Kultur spricht, dann sollte man sich schleunigst wundern.
Dschāhiliyya nennen Muslime den zivilisationslosen Zustand vor dem Islam. Quasi der CSU-Stammtisch der arabischen Halbinsel.
Müsste man den Zustand der CSU und ihrer Anhänger mit einem Wort aus dem Koran erklären, Dschāhiliyya träfe es wahrscheinlich am besten. Mit diesem Begriff beschreiben Theologen einen quasi zivilisationslose Zeit, in dem nicht das Recht, sondern tribalistische Traditionen, Gewalt und Alphamänner das Leben und damit auch die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern bestimmten. Quasi: der bayerische Stammtisch der arabischen Halbinsel.
Als dann Mohammed im siebten Jahrhundert seine Prophezeiung verkündete, kam das einer feministischen Revolution gleich. Die Wucht dürfte in etwa jener entsprochen haben, als hätte #Aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek ihre #ausnahmslos-Thesen jeder CSU-Ortsgruppe an die Tür genagelt. Mit Mohammeds Prophezeiung konnte sich zum ersten Mal jene Hälfte der Menschen, die zuvor völlig rechtlos waren, auf niedergeschriebene Gesetze berufen. Ein Erb- und Scheidungsrecht für Frauen gab es vor dem Jahr 620 auf der arabischen Halbinsel ebenso wenig wie einen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz wie er nun in Sure 9, Vers 71 zu finden war: „Die gläubigen Männer und Frauen sind einer des anderen Beschützer. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche.“
Auf einen Grad der Emanzipation wie in Mohammeds erster Ehe wartet Frau Stoiber bis heute
Dass Mohammed ein progressiveres Frauenbild hatte als viele seiner heutigen Kritiker, spiegelt sich auch in seinem Privatleben wider. Seine erste Ehefrau Khadidscha lernte er als Angestellter kennen: Die erfolgreiche Geschäftsfrau stellte den mittellosen jungen Mohammed in ihrem Karawanen-Unternehmen ein. Auch der Heiratsantrag ging von Khadidscha aus, die vor der Ehe mit Mohammed bereits zweimal verheiratet war.
Es ist in etwa die gegenteilige Rollenverteilung, wie bis heute von den Andi Scheuers dieses Landes vorgelebt werden. Unertragbar sei es, “dass Frauen in deutschen Großstädten nachts auf offener Straße, auf öffentlichen Plätzen sexuell traktiert und beraubt werden“, hat der CSU-Generalsekretär gesagt. Der Satz fiel ihm noch zu keinem Oktoberfest ein, bei dem Polizei und Opferschutzinitiativen Frauen zum Schutz vor Vergewaltigern routinemäßig davor warnen, allein nach Hause zu gehen. Und auch von seinem Engagement gegen die mindestens 7000 jährlich in Deutschland begangenen Vergewaltigung und sexuellen Nötigungen ist nichts bekannt.
1.400 Jahre nachdem Mohammed Gewalt gegen Frau sanktionierte, votierten CSU-Politiker gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigungen
Ganz anders bei Mohammed. Sure 4, Vers 34 legte damals die Bedingungen fest, unter denen ein Mann seine Frau schlagen durfte. Dass Gewalt gegen die eigene Ehefrau nur dann legitim ist, wenn sie diesen finanziell hintergeht, klingt rückständig, war aber in einer Welt, in der jeder Mann seine Ehefrau schlagen durfte wie er wollte, ein gewaltiger Fortschritt. Die deutsch-christliche Entsprechung zu Sure 4, Vers 34 heißt Paragraph 177. Seine Aufnahme in die deutsche Strafgesetzgebung ließ allerdings noch 1.400 Jahre auf sich warten.
Erst 1997 erklärte der Bundestag Vergewaltigungen in der Ehe für strafbar. Die Vergewaltigung-Befürworter argumentierten damals unter anderem mit der besonderen christlichen Bedeutung von Ehe und Familie. Auch der heutige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer stimmte damals gegen die Strafbarkeit. Heute fordert er, sexuell übergriffige Migranten sofort abzuschieben – ohne Gerichtsprozess. Dschāhiliyya eben.
In einer Sache sind sich muslimische und christliche Sexisten einig: Schuld an der Frauenverachtung sind immer die anderen
In deren Herkunftsländern sind reaktionäre Männer, die von Sexismus nur wissen, dass immer die anderen daran schuld sind, natürlich auch kein fremdes Phänomen. In ägyptischen Talkshows tauschen eierschaukelnde Bosbach-Imitate anzügliche Altherren-Witze aus und erklären jungen Moderatorinnen, dass das beste Mittel gegen sexuelle Übergriffe islamische Frömmigkeit sei. Auch sie verbreiten die Mär von der importierten Frauenverachtung. Nur bei ihnen ist es der schädliche Einfluss des sexuell enthemmten Westens, der dazu geführt habe, dass in Ägypten Frauen vergewaltigt werden.
Und genauso, wie sich Feministen und Sexistinnen hierzulande gleichermaßen auf den christlichen Glauben berufen, ist auch die Interpretation von Mohammed als Frauenrechtler, nur eine von vielen möglichen Lesarten des Koran. Auch für reaktionäre Männer, die ihren Mohammed lieber frauenverachtend mögen, bietet der Koran zahllose geeignete Textstellen.
Alle anderen können es stattdessen mit echtem Feminismus versuchen – den für Frauen, nicht den gegen Muslime. Das tun viele Muslime und Musliminnen übrigens auch. Und für alle sexistischen Christen, die der Dschāhiliyya entkommen wollen, gibt es ebenfalls eine gute Nachricht: Auch die Bibel kann man so interpretieren, das Jesus trotz seiner zwölf männlichen Apostel ein Feminist war.
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Erschienen bei Schantall und die Scharia