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Schweiz
Dr. Matthias Zehnder: „Der SVP geht es nicht um  Integration,  sondern um Assimilation“

Was die AfD in Deutschland plant, das ist in der Schweiz teilweise Realität. Populistische Politiker verlangen von Ausländern die Integration. Tatsächlich schreiben sie aber die totale Anpassung an Schweizer Gepflogenheiten vor.

(Foto: pixa)
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Integration in der Schweiz als Assimilation entlarvtVon Peter Z. Ziegler 

Basel (BZZ/nex) – Vergangene Woche hat das Parlament der Schweiz, der Nationalrat, ein verschärftes Ausländergesetz beschlossen und eine Verpflichtung zur Integration ins Gesetz geschrieben. Tatsächlich ging es den meisten Abgeordneten aber um Assimilation. Der Basler Publizist Dr. Matthias Zehnder hat die Debatte gnadenlos entlarvt. Mit einer Analyse von Schlüsselsätzen in den Voten überführte er vor allem die Rechtspopulisten der SVP. Es ist eine Blaupause für die deutsche Auseinandersetzung mit der AfD.

Matthias Zehnder ist Informationsbeauftragter der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt (ERK), was seinen Kommentaren auch eine gewisse moralische Kompetenz verleiht. Bis vor einigen Monaten war er noch Chefredakteur der bz Basel, einer regionalen Tageszeitung. Seine kritische Haltung gegenüber den heimischen Rechten missfiel jedoch dem Herausgeber.

Eine Niederlassungsbewilligung soll künftig nur noch erhalten, wer nachweislich gut in die Schweizer Gesellschaft integriert ist. Er oder sie sollte eine Landessprache beherrschen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung achten und am Wirtschaftsleben oder am Bildungswesen partizipieren. Das Wortprotokoll im Amtlichen Bulletin enthüllt die wahren Absichten der Rechtspopulisten. Zehnder musste dort nur abschreiben.

Thomas Burgherr (SVP): „Personen, die sich bewusst nicht an die Schweizer Regeln anpassen möchten, haben in der Schweiz nichts zu suchen.“

Zehnder: Burgherr spricht nicht von Gesetzen, sondern von Regeln. Das ist nicht dasselbe. Gesetze erlässt der Staat – Regeln die Gesellschaft. Was Schweizer Regeln sind, spezifiziert er nicht.

Andreas Glarner (SVP): „Integration ist eine Frage der Menge. Sie (die Regierung) haben die Menge weiss Gott ausgedehnt, sodass eben die Integration schon fast nicht mehr möglich ist.“

Zehnder erkennt mehrere versteckte Absichten. Schlage man im Duden nach stehe unter Menge: grosse Zahl von dicht beieinander befindlichen Menschen; Menschenmenge.

Glarner lasse das Bild eines Getümmels, einer Menschenansammlung entstehen. Die Ausländer wanderten aber nicht in Kolonnen, Scharen oder Kohorten ein, sondern einzeln – und meistens, weil sie in der Schweiz Arbeit haben. Der eigentliche Sinn des Satzes aber sei:

„Der Zug für Integration ist schon abgefahren, weil es zu viele Ausländer in der Schweiz gibt. Für Glarner bestehe die Gesellschaft offensichtlich aus Schweizern und aus Ausländern und wenn es zu viele Ausländer hat, dann könne  man keine neuen Ausländer mehr in die Schweizer integrieren, weil es zu wenig Schweizer hat.“

Das sei xenophober Blödsinn. Die Schweizer seien ohnehin keine homogene Gruppe (sie sprechen ja bekanntlich auch vier unterschiedliche Sprachen).

„Integration meint das sich Einfügen in eine Gesellschaft – und das ist nicht abhängig von Zahlen, sondern vom Willen und zwar auf beiden Seiten.“

Was will die SVP wirklich, hinterfragt der Basler Publizist?

„Wir fordern zum Beispiel, und das ist wahre Integration, dass man die Amtssprache seines Wohn- und Lebensortes beherrscht.“ Das aber würde eine ganze Menge Schweizer (darunter nicht wenige Politiker) disqualifizieren.

Zehnder: „Die Amtssprache in der Deutschschweiz ist Hochdeutsch – und das beherrschen viele Schweizerinnen und Schweizer ganz und gar nicht. Der Satz ist beispielhaft dafür, dass es der SVP im Allgemeinen und Herrn Glarner im Besonderen nicht um Integration geht, sondern um Assimilation.“

Das Argument Amtssprache würde übrigens bedeuten, dass Deutsche in der Deutschschweiz, Franzosen in der Romandie und Italiener im Tessin kein Integrationsproblem hätten. Das stimme aber nicht. Es komme nämlich nicht darauf an, ob ein Ausländer die Amtssprache spricht, sondern ob er mit seiner Umgebung kommuniziert.

„Das kann auch mal ein Lächeln sein oder ein freundliches Wort auf Portugiesisch, Kroatisch oder Mazedonisch.“

Gregor Rutz (SVP)  forderte denn auch mehr als nur Sprache:

„Ein weiterer Schritt der Integration ist dann, dass man sich mit der hiesigen Kultur, mit den hiesigen Gebräuchen identifiziert.“

Zehnder fragt: Wozu, soll sich ein indischer Programmierer, ein japanischer Forscher bei der Novartis oder ein englischer Banker mit den hiesigen Gebräuchen identifizieren? Das machen ja nicht einmal die Schweizer. Und was bitte ist hiesige Kultur?

Erschreckend sei, dass die Medien und zum Teil auch die anderen Parlamentarier auf diesen Diskurs einsteigen und nicht merken, in was für einen Sumpf von Schweizheit die SVP sie lockt. „Bei Lichte besehen sind Forderungen nach hiesiger Kultur und hiesigen Gebräuchen reines Stammtischgeschwätz. Motto: Faust auf den Tisch, wir wollen so bleiben, wie wir schon immer waren und diese Fremden sollen abhauen.“

Und dann setzt Zehnder zum argumentativen k.o.- Schlag an:

„Wie waren wir denn schon immer? Und was ist diese Schweizer Kultur?  Gehören Burger King und Mc Donalds dazu? Was ist mit Pizza und Pasta, mit Sushi und Muffins? Die Kartoffel kam erst im 18. Jahrhundert aus Südamerika in die Schweiz – gehört die Kartoffel, gehören Rösti und Kartoffelstock zur Schweizer Kultur oder nicht? Wenn sie dazugehören, heisst das nichts anderes, als dass sich auch die  Schweizer Kultur verändert, dass das, was die SVP zur Schweizer Kultur zählt, nichts mit dem Ursprung, sondern bloss mit Gewöhnung zu tun hat – und ergo die Ablehnung von Unschweizerischem nichts anderes als ein xenophober Reflex ist. In den 60er Jahren wetterten die Fremdenfeinde über Pizza und Spaghetti – heute wettern sie über Döner und Kebab“, erinnert sich der Publizist. Zerrissene Jeans und Tanktops aus den USA seien irgendwie ok, ein eleganter Hijab oder eine farbige Schaila offenbar nicht.

Laut Rechtspopulisten müsse der Staat offenbar Standards vorschreiben – Assimilations-Standards. Dass die Politiker dabei nur die Ausländer in die Pflicht nehmen, sei ein weiterer Beleg dafür, dass es in der Schweiz um Angleichung und nicht um Eingliederung gehe.

„Wenn ich mit den Expats und Ausländern spreche, die ich kenne, sagen alle: Wir hätten gerne mehr Kontakt mit Schweizern, aber ihr seid so verschlossen. Es dauert Monate, bis man einmal von einem Schweizer zu sich nach Hause eingeladen wird. In Amerika zum Beispiel besucht man sich, um sich kennenzulernen. In der Schweiz muss man sich zuerst besser kennenlernen, dass man sich besuchen kann. Auch im Kleinen sind die Schweizer offensichtlich kleine Trutzburgen.“