Das deutsch-türkische Beschäftigungsabkommen wurde von Deutschland und Türkei vor mehr als sechzig Jahren unterzeichnet. Damit wurde der Startschuss zu einer neuen Migrationsgeschichte gegeben, dass einen regen Kulturaustausch mit sich gebracht hat. Dazu gehört auch die türkische Teestube, die sich zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt für städtische Bewohner mit Migrationshintergrund entwickelt hat.
Was ist eine Teestube?
Die Teestube gleicht dem türkischen „kahvehane“ oder Kaffeehaus in der Türkei, das hautpsächlich als geselliger Treffpunkt von männlichen Bewohnern eines Dorfes oder einer Stadt genutzt wird. Die Besucher trinken größtenteils schwarzen Tee, wobei auch türkischer Kaffee und Instantgetränke in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten werden.
Im Rahmen der deutschen Alltagskultur können die Teestuben mit Kneipen verglichen werden. In beiden Fällen steht die Trinkkultur und das gesellige Beisammensein in lockerer Atmosphäre im Vordergrund. In Teestuben wird allerdings kein Alkohol konsumiert, und die Öffnungszeiten beschränken sich nicht nur auf die Abendstunden. Äußerlich sind Teestuben einfach zu erkennen: Typisch sind helles Licht, eine großzügige Tischaufteilung, eine kurze Theke für die Getränkezubereitung sowie ein großer Fernseher an der Wand
Die ersten Teestuben in Deutschland wurden in den 1960er und 1970er Jahren in städtischen Räumen eröffnet. Sie boten männlichen Gastarbeitern sowohl ein Stück Heimat nach Arbeitsschluss sowie geselliges Miteinander ohne Sprachbarriere. Mit der steigenden Zahl der Einwanderer wuchs in den 1980er Jahren auch die Zahl der Teestuben. Bis heute werden in diesen Lokalen traditionelle Spiele gezockt, Fußball geschaut sowie Diskussionen über die Heimat geführt.
Tischspiele und Fußball
Die Spielbräuche in Teestuben basieren auf den Traditionen der türkischen Spielkultur. Meistens wird Backgammon zu zweit gespielt, das in der Türkei zu den beliebtesten Brettspielen zählt. Auch Okey gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Männer. Es ist ein Spiel aus der Rommé-Familie, das mit zwei bis vier Personen gespielt werden kann.
Dafür benötigt man einen Satz aus 106 Spielsteinen aus Holz oder Plastik sowie ein Spielbrett pro Person, auf dem die Spielsteine aufgestellt werden. Hoch populär in den Teestuben ist außerdem das Kartenspiel Pişti, das als schnelles Stichspiel große Unterhaltung verspricht.
Das Internetzeitalter hat die Spielaktivitäten der Teestuben verändert. Viele klassische Spiele wurden in den letzten Jahrzehnten in die digitale Welt integriert. Heute gibt es im Netz nicht nur ein umfangreiches Spielangebot, sondern auch eine große Wissensvermittlung über die Klassiker.
So erhalten Pokeranfänger über wenige Klicks strategische Tipps, Schachspieler erfahren mehr über die weitreichende Geschichte des Königsspiels, und Skatspieler finden ein umfangreiches Glossar über Spielbegriffe. Diese immense Auswahl an Spielen und Informationen betrifft auch Backgammon, Okey und Pişti, weshalb jüngere Generationen die digitalen Alternativen dem Treffen in Teestuben vorziehen.
Eine weitere populäre Aktivität in den Teestuben ist das Fußball schauen und kommentieren. In der Türkei ist das Ballspiel, wie in Deutschland, die beliebteste Sportart und wird über eine äußerst aktive Fangemeinde kultiviert. Nicht nur Derbys und Länderspiele werden mit großer Leidenschaft verfolgt, sondern auch Ligaspiele zwischen schwächeren Mannschaften sowie die zweite Liga.
Die Teestuben in Deutschland haben sich über die Jahre zu wahren Fußball-Hotspots entwickelt, in denen sowohl der türkische als auch der deutsche Fußball gepflegt wird.Große Themen sind zum Beispiel Nationalspiele beider Länder sowie Fußballer wie Mesut Özil oder Lukas Podolski, die im Laufe ihrer Spielerkarriere in beiden Ländern spielten.
Wie bei den Tischspielen besteht jedoch auch beim Fußball generationsbedingte Unterschiede in der Kultivierung. Ältere Männer schätzen Fußballdiskussionen in Teestuben deutlich mehr wie jüngere Generationen.
Soziale Funktionen
In den Anfangsjahren ihrer Gründung linderten Teestuben die Sehnsucht nach der Heimat. Heute sind sie eher Orte der Nostalgie, an denen Geschichten und Erinnerungen der älteren Generation ausgetauscht werden.
Jüngere Besucher lernen bei diesen Gesprächen nicht nur die türkische Sprache und Tradition kennen, sondern erfahren auch mehr über die sechzigjährige Migrationsgeschichte. Zudem sind Teestuben immer noch sozial bedeutende Orte. Sie versprechen ihren Besuchern sowohl Raum für die Pflege sozialer Kontakte als auch Wissen und Rat im Rahmen der gemeinsamen Einwanderungsgeschichte.
Auf diese Weise stellen Teestuben eine soziale Weiche dar, die Menschen mit Migrationshintergrund dabei hilft, in beiden Kulturen zurechtzukommen.
Es zeigt sich, dass Teestuben im Kreis der türkischstämmigen Bewohner Deutschlands kaum an Präsenz verloren haben. Sie sind immer noch beliebte Orte der Geselligkeit für Männer, die hier ihre Zeit mit Tee trinken, Spielen und Fußballschauen verbringen. Dabei übernehmen sie unterschiedliche soziale Funktionen, die das Leben in zwei Kulturen vereinfachen.