Von Nabi Yücel
Die „Bild“-Zeitung sowie die „Welt“ und viele weitere Medien legen sich derzeit so richtig ins Zeug, um Erdogan, seine Anhänger, Wähler, wie auch die gesamte türkische Bevölkerung eins ums andere Mal vor den Kopf zu stoßen. Bei den Redaktionen müssen eine Menge Komplexe mitschwingen, die mittlerweile auf die Bevölkerung überschwappt.
Die „Bild“ ist nicht gerade bekannt dafür, die Wahrheit gepachtet zu haben. Wenn es aber darum geht, Falschinformationen über ein Handzeichen zu verbreiten, übertrifft sie sich erneut und in einem Ausmaß die beängstigend ist. Kein Wunder, wenn so ziemlich viele Türken bei der Interpretation der „Rabia“ durch die „Bild“ sich inzwischen köstlich amüsieren. Die „Rabia“ ist jedenfalls kein dezidiertes Zeichen für islamischen Radikalismus, es steht auch für Protest gegen Diktatur und Willkürherrschaft im Allgemeinen. Mich beängstigt z.B. vielmehr das Profilbild von Julian Reichelt (Vorsitzender der Chefredaktionen und Chefredakteur Digital der Bild) in Twitter, auf der Straße würde ich ihm nicht begegnen wollen.
Beängstigend ist vor allem die amoralische Vollkommenheit im Gewandt der AfD, die diesmal in Speyer ihre hässliche Fratze zeigte. Fremdenfeindliche Texte einer jungen Teilnehmerin, der Tochter des Speyerer AfD-Bundestagsmitglieds Nicole Höchst, die bei einem Poetry Slam aufgesagt wurde, ernteten viel Beifall und Jubel. Wir haben also kein Rassismus-Problem und Mesut Özil lügt und übertreibt? Na klar!
Noch beängstigender wird es mit der „Welt“, die sich jetzt mit der „Taraf“ solidarisiert hat und in dieser heutigen Ausgabe deren Schrifttyp und Farbe übernahm. Die „Taraf“ war ja eine überregionale türkische Tageszeitung, die erstmals am 15. November 2007 erschien und im Zuge der Maßnahmen nach dem Putschversuch 2016 verboten wurde. Was die „Welt“ jedoch geflissentlich übergeht – höchstwahrscheinlich um den Türken so richtig eine reinzuwürgen -, die Zeitung wurde mit ihren sogenannten Ergenekon- und Vorschlaghammer-Enthüllungen berühmt, mit der sie die Inhaftierung von Zehntausenden Menschen anstieß.
Unschuldige Offiziere, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten wie dem linksliberalen Ilhan Selçuk von der Tageszeitung Cumhuriyet oder Nedim Sener sowie Ahmet Sik sowie weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurden jahrelang hinter Gitter gebracht und manche nahmen sich das Leben, statt wie Can Dündar oder Anhänger der Gülen-Bewegung ins Exil zu gehen. Gerade für dieses Schundblatt unter der Leitung vom ehemaligen Chefredakteur Ahmet Altan, der durch die Fethullah Gülen Organisation gesteuert wurde, macht die „Welt“ Werbung, obwohl fast jedes Kind in der Türkei und die „Welt“-Redaktion die Massenprozesse im Zuge der Ergenekon- und Vorschlaghammer-Verfahren kennen. Es hat aber die „Welt“-Redaktion nicht daran gehindert, sich auch noch darüber lustig zu machen, indem sie die gegenwärtig rehabilitierten Journalisten, Akademiker, Militärs, Politiker und Persönlichkeiten verhöhnt.
Das alles hat natürlich zur Folge und sollte ja auch den Boden für weitere Islam- und Integrationsexperten ebnen, dass die Medien insgesamt schlimmer verrücktspielen als sonst. Da fühlt man sich als Türke wie in einem Grusel-Fahrgeschäft, bei dem die gesamte Mechanik spinnt.
Gruselig wird es dann vor allem – als hätte man keine anderen Sorgen mehr – wenn sächsische SEK-Beamte sich Namen von NSU-Terroristen zulegen, um beim Staatsbesuch Erdogans für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Da fragt man sich unweigerlich, an wen das eigentlich adressiert war. An die Angehörigen der NSU-Opfer oder an den höchsten Repräsentanten eines Landes!
Schon lange läuft in diesem Land einiges schief. Ein Kasper namens Ertugrul Yigit, der sich Journalist der „taz“ schimpft, stört die Pressekonferenz im Bundeskanzleramt mit Kanzlerin Merkel und Erdogan. Kann der Linksextremist, der mit der deutschen Justiz mehrmals zu tun hatte, nun abgeschoben werden? Was muss man eigentlich außer Pässen fälschen, Waffendepots unterhalten, Fälscherwerkstatt betreiben noch betreiben, um als Krimineller abgeschoben zu werden?
Von der Pressekonferenz wurde dagegen Can Dündar zurückgepfiffen, der sich als Journalist erfolgreich akkreditiert hatte. Stunden zuvor hatte er noch großspurig angegeben, in die Augen von Erdogan zu schauen. Das hat er auch, nur konnte er in der Flimmerkiste nicht erkennen, welche Augenfarbe Erdogan nun hat.
Völlig abgehoben und fast schon höhnisch berichteten währenddessen Medien, wie bestimmend Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Gast empfing und behandelt hat, um im Nachhinein dann kleinlaut zu berichten, wie Erdogan der Kragen platzte und während der Rede vom Manuskript abwich und Steinmeier zurechtwies. Jetzt soll es ein Affront sein? Die Empörungswelle rollt bereits an!
Cem Özdemir wollte wohl beim Staatsbankett medial in Erscheinung treten. Auf TV-Bildern ist zu sehen wie er Erdogan, dann der Gattin die Hand schüttelt aber nicht weitergeht und Erdogan in ein Gespräch verwickeln will. Erdogan zeigte jedenfalls keine Regung und blickte wieder nach rechts, um den nächsten Gast zu begrüßen. Wie fühlt man sich denn, wenn man abserviert wird?
Von den Finanzhilfen oder Wirtschaftsinteressen Erdogans war jedenfalls auch nicht mehr die Rede, vielmehr über eine Liste von Gesuchten, die nach Aufforderung von Erdogan an die Türkei ausgeliefert werden sollen, wenn Deutschland die Beziehungen zur Türkei weiterhin beibehalten will. Die Diskrepanz zwischen den Meldungen ist erhellend und zeigt, was in der deutschen Berichterstattung so alles schiefläuft.
Schieflaufen sollte es auch in Köln. OB Reker tut ihr Möglichstes. Verschmähte Frauen haben es ja so an sich, mit Abweisung nicht umgehen zu können. Darauf folgt dann die Rachsucht, denn die DITIB soll innerhalb der Moschee selbst ihr Theater abhalten, wenn schon ziemlich alle namhaften Persönlichkeiten aus Köln daran nicht teilnehmen können oder wollen. Ich finde das Spitze, dass die Muslime mal unter sich eine Moschee eröffnen. Ist ja ein Rückzugsraum, um vom hysterischen Alltag abzuschalten.
Die DITIB hat es jedenfalls noch auf die Reihe gebracht, in letzter Minute ein Sicherheitskonzept vorzulegen, damit die geplante Eröffnungsfeier der Moschee in Ehrenfeld mit bis zu 25.000 erwarteten Besuchern am Samstag stattfinden kann. Die Stadt und Sicherheitsbehörden haben dies selbstverständlich abgewiesen. Ist auch verständlich, wenn man es nicht einmal schafft, die Sicherheit der Moscheen im Land sicherzustellen und vor Angriffen zu schützen.
Es kann sehr gut sein, dass die Stadt Köln die Eröffnung selbst auch zu verhindern versucht, in dem sie Verstöße in Zusammenhang mit dem Bau an sich oder Sicherheitsvorschriften in der Moschee geltend macht. In NRW ist das ja nach Hambacher Forst sehr wohl möglich, wo sie das Fehlen von Rauchmeldern in Baumhäusern beanstandet haben und räumten.
So wie es aussieht, wird das nicht akzeptierte Sicherheitskonzept der DITIB viele Türken nicht davon abhalten, dennoch vor Ort zu sein. Die DITIB kann die Massen jedenfalls nicht mehr stoppen. So etwas spornt nämlich noch mehr an, in Köln zu sein.
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