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Fremdenfeindlichkeit
Kommentar: „Die müssen sterben, damit wir leben können“

Zu Recht sieht er sich — wie jeder andere in der Gesellschaft — einer Übermacht gegenüber. Statt sich aber mit den wirklich Mächtigen anzulegen, greift der Fremdenfeindliche die Schwachen an und am liebsten die Schwächsten: die, die auf seinem Terrain nicht zu Hause sind und sich darum am wenigsten wehren können. Ein Kommentar.

(Foto. Screenshot/Wikimedia)
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Gastbeitrag von Stefan Broniowski

Der Fremdenfeindliche verkennt die Wirklichkeit. Er erlebt etwas als fremd und hält diese Fremdheit für eine Eigenschaft des Fremden. Tatsächlich aber geht es dabei ja um eine Eigentümlichkeit seiner selbst: Etwas ist ihm fremd, egal, wie vertraut es sich oder anderen ist. Die Fremdheit des Fremden wird vom Fremdenfeindlichen als Defekt gedeutet: als Mangel an Bekanntsein, Gewohntsein, Vertrautsein.

In Wirklichkeit ist es aber sein, des Fremdenfeindlichen, eigener Mangel an Bekanntsein, Gewohntsein, Vertrautsein, der hier als Defekt wirkt. Statt offen zu sein für Unbekanntes, Ungewohntes, Unvertrautes, verschließ er sich und wird feindselig. Er projiziert seinen Defekt auf andere, nicht nur auf die ihm Fremden, sondern auch auf die, die seiner Meinung nach nicht oder nicht genug gegen Fremde eingestellt sind.

Sie gelten ihm bestenfalls als naiv, womöglich aber als böswillig, denn sie scheinen ihn, der sich selbst doch nur allzu gut vertraut ist, zusammen mit den Fremden zu einem Fremden machen zu wollen (gerne mit dem Zusatz „im eigenen Land“). In diesem Wahn kann der Fremdenfeindliche endgültig nicht mehr erkennen, dass die Fremdheit des Fremden nicht von diesem ausgeht, sondern von ihm selbst, dem etwas oder jemanden als fremd selbst.

Das Fremde wird absolut und muss absolut bekämpft werden. Dem Fremdenfeindlichen entgleitet damit die Wirklichkeit vollends und gegen jedes Zureden besteht bei ihm ein Sperre. Man könnte auch sagen, er entfremde sich der Realität und der Kommunikation. Alles, was er wahrnimmt, deutet er als Bestätigung, und er kommuniziert nur noch mit denen, deren Wahn seinen eigenen bestätigt.

Allem anderen, dem Sachargument wie der anderen Sichtweise, spricht er jede Berechtigung ab. Er fühlt sich bedroht. Die Fremdheit der Fremden stellt das Selbstsein des Fremdenfeindlichen (seine „Identität“) in Frage. Das Selbstsein der anderen und die Bedrohungen, denen sie womöglich ausgesetzt waren oder sind, wertet er ab. Was ihn tatsächlich bedroht oder schon nicht mehr bedroht, sondern fest im Griff hat (Ausbeutung, Verblödung, Umweltzerstörung) blendet er aus oder überblendet es mit der Fremdheit als Ursache aller Übel.

Zu Recht sieht er sich — wie jeder andere in der Gesellschaft — einer Übermacht gegenüber. Statt sich aber mit den wirklich Mächtigen anzulegen, greift der Fremdenfeindliche die Schwachen an und am liebsten die Schwächsten: die, die auf seinem Terrain nicht zu Hause sind und sich darum am wenigsten wehren können. Der Fremdenfeindliche imaginiert sich als Opfer (einer Bedrohung durch ein Fremdwerden) und fordert darum Opfer:

Die müssen weg. Sie müssen möglichst schlecht behandelt werden, damit sie weg wollen, oder sie müssen gegen ihren Willen weggeschafft werden. Wie es ihnen andernorts ergeht, geht den Fremdenfeindlichen nichts an, es ja hat mit seinem Selbstsein nichts zu tun. Fremdenfeindlichkeit endet darum immer im Rassismus, dessen Prinzip Foucault so formuliert hat:

„Die müssen sterben, damit wir leben können.“

Ganz im Sinne der foucaldischen „Biomacht“ muss man dabei nicht sterben machen, es genügt, sterben zu lassen. Dort. Oder auf dem Weg hierher. Oder wenn man sie deportiert hat. Am Ende der Abweisung des Fremden steht also immer der Tod. Nur er garantiert dem, der sein eigenes Fremdsein verkennt und auf andere projiziert, dass die Fremdheit des Fremden endgültig ausgelöscht ist.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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