Start Panorama Gesellschaft Rechtsextremismus Rechtsextreme Polizeichats: Vorgesetzte sollen Gewaltattacke auf gefesselten Deutsch-Albaner vertuscht haben

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Rechtsextreme Polizeichats: Vorgesetzte sollen Gewaltattacke auf gefesselten Deutsch-Albaner vertuscht haben

Der Skandal um die rechtsextremen Chatrunden bei der Polizei in Essen und Mülheim/Ruhr weitet sich aus.

(Symbolfoto: nex24)
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Köln – Der Skandal um die rechtsextremen Chatrunden bei der Polizei in Essen und Mülheim/Ruhr weitet sich aus: Wie der Kölner Stadt-Anzeiger aus Polizeikreisen erfuhr, soll der gewaltsame Übergriff eines der beschuldigten Chat-Beamten gegen einen gefesselten Delinquenten mit albanischen Wurzeln durch Vorgesetzte vertuscht worden sein.

So hatte die 23-jährige Polizeikommissarin Nadja S. (Name geändert) nach dem Einsatz auf der Wache ihrem Dienstgruppenleiter (DGL) geschildert, wie der Kollege aus dem rechtsextremen „Alphateam“-WhatsApp-Zirkel gleich mehrfach auf den wehrlosen Delinquenten eingeschlagen habe.

Der DGL soll versprochen haben, mit dem Vorgesetzten des mutmaßlichen Schlägers zu sprechen. Dann aber geschah nichts weiter. Vielmehr sollen Mitglieder der „Alphateam“-Gruppe, die über fünf Jahre hinweg 126 Nazi-Dateien und fremdenfeindliches Material gepostet hatten, die junge Beamtin gemobbt haben. Und zwar solange, bis Nadja S. freiwillig in die Einsatzhundertschaft wechselte.

Thomas Weise, Sprecher der Essener Polizei sagte: „Der Behördenleitung ist der Vorgang erst am Donnerstag durch die Kollegin zur Kenntnis gelangt.“ Alles Weitere liege nun bei den Ermittlern in Bochum, die den Chatskandal aufklären sollen. Die disziplinarrechtlichen Verfahren leitet das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW.

Zum Hintergrund:

Der Skandal um die rechtsextremen Chats bei der Polizei in Essen und Mülheim/Ruhr weitet sich aus. Die Staatsanwaltschaft Duisburg bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass man gegen einen Polizisten wegen Strafvereitelung und Körperverletzung im Amt ermittele.

Der Beamte gehörte auch zum rechtsextremen Kernchat „Alphateam“. Demnach soll der 39-jährige Beamte bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt einen bereits gefesselten Mann mit Migrationshintergrund geschlagen haben. Bei dem mutmaßlichen Opfer soll es sich um einen Deutsch-Albaner handeln. Dieser hatte in seiner Vernehmung berichtet, dass er im wehrlosen Zustand geschlagen worden sei.

Der beschuldigte Polizist hatte die Vorwürfe bestritten und von einem erlaubten Blendschlag gesprochen, um die Lage in den Griff zu bekommen. Zunächst hatte ihn seine Kollegin gedeckt. Erst im Prozess gegen den Ruhestörer musste sie ihre Aussage revidieren, da eine weitere Beamtin von mehreren Schlägen berichtete, als der Delinquent bereits gefesselt war.

Der Angeklagte wurde daraufhin freigesprochen. „Das Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten ist wieder aufgenommen worden“, erläuterte Staatsanwältin König. Der Beschuldigte gehörte dem Chat „Alphateam“ an. Der 15-köpfige Zirkel gilt als Kern-Truppe, in dem das Gros der Hakenkreuz- oder Hitler-Bilder per WhatsApp kursierten. Allein in diesem Forum wurden seit Ende Juli 2015 bis Mai 2020 insgesamt 126 strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ weiter erfuhr, verhöhnte ein Chatteilnehmer mit einem üblen Post die Protestwelle gegen Polizeigewalt in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd:

„Die besten Polizeischarfschützen haben die Amerikaner, die treffen immer voll die Schwarzen.“

Zudem soll ein Mitarbeiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums via Facebook Kontakte zur Bruderschaft Deutschland unterhalten haben. Die Neo-Nazi-Gruppe agitiert derzeit auch gerne auf Corona-Kundgebungen.

Die Mitglieder, die in einheitlichen schwarzen T-Shirts mit einer geballten Faust in der Mitte marschieren, gerieren sich vor allem im Raum Düsseldorf als Bürgerwehr.