Izmir (nex/eurasia) – Im Interview mit Eurasia News hat der Vorsitzende der Syrischen Volksversammlung der Turkmenen, Emin Bozoglan, ein ungewohnt positives Bild von der Lage der syrischen Bevölkerung im Rebellengebiet gezeichnet. Seiner Meinung nach steht hinter der Verbesserung der Lebenssituation von Zivilisten vor allem die türkische Intervention, die gemeinsam mit der Freien Syrischen Armee ausgeführt wird. Das Gespräch führte Ömer Özkizilcik
Welche Richtung wird die Türkei-gestützte Operation „Schutzschild Euphrat“ in Nordsyrien nach der Eroberung der IS-Hochburg Dabik einschlagen?
Heute sind in ganz Syrien noch immer 65 Prozent aller Turkmenen-Siedlungen besetzt. In den Provinzen Latakia, Damaskus, Hama, Homs werden Turkmenen von der Allianz al-Assads mit pro-iranischen Schiiten sowie in Rakka und Nord-Aleppo von der PYD/YPG oder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ bedroht. Angesichts dessen war die „Schutzschild Euphrat“-Operation geradezu ein Wendepunkt für uns. Die FSA-Truppen befreiten 70 turkmenische Dörfer und Städte. Zahlreiche Turkmenen kehrten in ihre Heimat zurück. Wenn sich die Sicherheitslage verbessert, dann werden noch mehr zurückkehren. In der türkischen Grenzregion zwischen Azez und Dscharablus existieren 142 Turkmenen-Dörfer mit einer Bevölkerung von 350.000 bis 400.000 Einwohnern.
Dass die Türkei mit „Schutzschild Euphrat“ ihren Einfluss in die Waagschale geworfen hat, ist sehr wichtig und von strategischer Bedeutung. Wir bringen bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck dass die Operation „Schutzschild Euphrat“ legitim, gerechtfertigt und ein längst überfälliger Schritt war. Die Schaffung einer Sicherheitszone ist aus unserer Perspektive entlang der Linie Azez-Dscharablus für die Existenz und das Überleben der Turkmenen in Syrien wesentlich gewesen. Es ist auch für die Türkei von sicherheitspolitischer Bedeutung, dass die Turkmenen in ihre Urheimat zurückkehren, die vom IS besetzt wurde.
Wir fordern im Grunde eine ähnliche Entwicklung für die mehrheitlich turkmenisch besiedelte Region Bayir-Bucak im Norden der Küstenprovinz Latakia am Mittelmeer. Auch sehen wir die Notwendigkeit, mit einer Sicherheitszone in der Hammam-Region also zwischen Rakka und Tell Abyad zu reagieren. Dort lebt ebenso eine signifikante turkmenische Bevölkerung. Hammam wird derzeit vom syrischen PKK-Ableger PYD/YPG besetzt. Die Turkmenen fühlen sich dort unterdrückt und verfolgt. Als zweiten Schritt sehen wir im eigenen Interesse und im Sinne einer wie auch immer gearteten Sicherheitsvorsorge Ankaras das Rücksiedlungsrecht der in die Türkei geflüchteten Turkmenen als zentral an.
Wie bewerten sie die jüngsten militärischen Bewegungen der PYD/YPG in Nordsyrien?
Wir wissen, dass die kurdische PYD/YPG nicht glücklich mit dem Zurückdrängen auf den Osten des Euphrats ist. Die PKK möchte einen „Westkorridor“ einrichten, der bis an das Mittelmeer reichen soll. Dieser dient nicht nur dazu einen eigenen Staat auszurufen, sondern auch dazu, die Türkei mit terroristischen Aktivitäten noch stärker im Südosten Anatoliens zu belasten.
Sollte dieser schleichend verfolgte Plan in die Tat umgesetzt werden, dass die PYD/YPG die gesamte türkische Grenze besetzt, dann sind die Aussichten für Bayir-Bucak, Aleppo, Rakka und alle Turkmenen schlecht. Sie werden der Unterdrückung ausgesetzt und werden gezwungen, einen Überlebenskampf gegen eine vom Westen unterstützte syrische PKK zu führen.
Wir werden diesen Plänen niemals zustimmen. Wir werden als Turkmenen unser Recht zur Selbstverteidigung wahrnehmen und es verhindern, dass eine Situation entsteht, die die nationale Sicherheit der Türkei bedroht.
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Wie ist die Lage der Zivilbevölkerung nach der Befreiung von Dscharablus und wie entwickelt sich der Bau der Verwaltung?
Wir haben kürzlich als Syrische Volksversammlung der Turkmenen Dscharablus besucht. Der stellvertretende Gouverneur von Gaziantep Nursel Cakiroglu und wir besuchten als Delegation gemeinsam die Region.
Zunächst besuchten wir das Hauptquartier der Turkmenen-Brigade Sultan Murat, die der Freien Syrischen Armee angehört und für Sicherheit in der Region garantiert. Sultan Murat ist eine der wichtigsten Fronteinheiten im Kampf der „Euphrat Schutzschild“-Operation gegen die Terrormilizen IS und PYD/YPG. Wir haben beobachtet, dass sich sowohl unsere Kämpfer als auch der psychologische Zustand unserer Bevölkerung in eine positive Richtung entwickelt haben. Außerdem sichert die Türkei humanitäre Hilfen zu. Die Türkei modernisiert die Infrastruktur und stellt Zugang zum Stromnetz sicher. Sie baut Krankenhäuser sowie repariert die Basare und Märkte. Wir fanden heraus, dass Schulen nach der Reparatur wiedereröffnet wurden.
An diesem Punkt möchte ich die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Krankenhäuser lenken. Ich diente für 25 Jahre als Doktor. Ich hatte die Möglichkeit, das von der Türkei in Dscharablus eröffnete und mit modernstem Gerät ausgestattete Krankenhaus zu besuchen. Dabei konnte ich den Patienten ihre Zufriedenheit ablesen. Die behandelnden Doktoren und Krankenhelfer verbesserten ihre Arbeitsbedingungen und erhöhten den Wirkungsbereich.
Die verlorene Hoffnung seit Anfang des Bürgerkrieges vor sechs Jahren ist mit der türkischen Unterstützung wieder in Dscharablus wieder eingekehrt. Das bedeutet dem syrischen Volk sehr viel.
Wie viele Menschen leben wieder in der Stadt, sind die ersten Flüchtlinge zurückgekehrt?
Wie Sie wissen, stärken die laufenden Operationen die Fähigkeiten der FSA enorm. Bis heute sind 45. 000 Syrer zurück gekehrt. Ein großer Teil dieser Zahl besteht aus Turkmenen.
Erschienen bei Eurasianews