Man staunt Bauklötze. Da meldet sich jetzt auf einmal das Dreiergestirn Fritze Merz, der Laschet Armin und der beliebte Israelisierungsbeauftragte Felix Klein (1,2,3) – und alle drei heben mahnend den Finger, weil sie soeben bemerkt haben wollen, dass das Vorgehen Israels in Gaza vielleicht ja doch nicht so ganz in Ordnung wäre.
Allerhand. Nach über 50.000 Toten, gigantischen Zerstörungsorgien, geschätzt 17.000 toten Kindern und 18 Monaten Dauerfeuer mit Raketen, Granaten, Panzern und Kriegsrobotern wollen sie gestern gerade entdeckt haben, dass das jetzt vielleicht ja doch irgendwie ein bisschen übertrieben sein könnte.
Wer aber nun glaubt, die deutsche Politik habe sich geläutert oder sich von zahllos vorliegenden Beweisen davon überzeugen lassen, dass es sich hierbei um einen brutalen Völkermord handelt, täuscht sich meiner Überzeugung nach. Und soll getäuscht werden.
Mit Ausnahme der völlig überraschenden Lippenbekenntnisse liegen nicht die geringsten Anzeichen für einen längst notwendigen Kurswechsel vor. Es ist nicht ansatzweise die Rede von irgendwelchen konkreten Maßnahmen, die angedacht, angedroht oder gar angekündigt worden wären.
Ein Merz hatte nur wenige Tage zuvor zur Empörung aller den wegen Kriegsverbrechen angeklagten Netanyahu explizit nach Berlin eingeladen, während sich Laschet wortkarg wie stereotyp selbst nach brutalsten Angriffen Israels auf das angebliche „Selbstverteidigungsrecht“ konzentrierte, das Israel haben soll und ein Klein hatte vor nicht allzu langer Zeit die Idee Trumps, alle Palästinenser aus Gaza herauszuschmeißen, noch begrüßt.
Merz und Kumpel spielen nur auf Zeit. Israel wird in den kommenden Tagen sein Ziel erreicht haben, Gaza vollständig zerstört, unbewohnbar gemacht und die Überlebenden zum Abtransport zusammengetrieben zu haben. Jede Infrastruktur ist komplett vernichtet, Felder vergiftet, Wohnraum gesprengt.
Jetzt ist die Stunde für die deutsche Spitzenpolitik gekommen, ein wenig herum zu meckern, den Zeigefinger zu heben und so zu tun, als wäre irgendetwas ganz plötzlich nicht mehr in Ordnung.
Monatelang betrachteten sie die Trümmerberge in Gaza achselzuckend, ließen Berichte von Kindern kommentarlos an sich abperlen, die von israelischen Scharfschützen gezielt erschossen werden und nahmen das rassistisch-faschistische Gebrüll führender, israelischer Politiker überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie spulten immer nur das gleiche Band ab:
„Hamas!“, „Geiseln!“, „Selbstverteidigung!“
Die Bundesregierung konnte, obschon sie es versucht hatte (!), die mehrheitliche Entscheidung der EU, das Assoziierungsabkommen zu prüfen, nicht hintertreiben und sieht sich international nun tief in der Isolation.
Was Merz, Klein und Laschet momentan tun, ist nur inhaltsleeres Gesülze zur Wahrung des Gesichts. Spät genug, um Israels vollständigen Erfolg nicht zu gefährden und früh genug, um als Kritiker und Mahner dazustehen. Laut genug, um gehört zu werden, immerhin schreibt die internationale Presse davon, aber vage genug, um keine Haue von Netanyahu zu bekommen.
Ich denke tatsächlich, dass es sich um eine fein vorab abgestimmte, völlig inhaltsleere Bühnenshow handelt, die nur zur Beschwichtigung der eigenen Bürger dient, eine weitere Isolierung Deutschlands verhindern und das internationale Publikum beruhigen soll.
Die „Reaktion“ des Botschafters Prosor klingt inszeniert und choreographiert konziliant und auffallend sanft. (4) Das Timing spricht für sich. Wir werden sehen, dass dem weiter nichts folgt, was Israel unbequem werden könnte. Vermutlich werden parallel dazu weitere Waffenlieferungen abgefertigt.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.
(2) Laschet wirft Israel Verstoß gegen Völkerrecht vor(
(3) Gaza, Israel, Staatsräson: Der Antisemitismusbeauftragte im Interview(4) So reagiert Israels Botschafter auf Merz’ scharfe Kritik
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