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Asif Masimov
Hitler: „Wenn wir das Öl von Baku nicht bekommen, ist der Krieg verloren“

Jedes Jahr begeht Aserbaidschan am 9. Mai den Tag des Sieges über den Faschismus. Der Zweite Weltkrieg, der am 2. September 1945 endete, war einer der verheerendsten Kriege unserer Zeit. In diesem Krieg trat auch das aserbaidschanische Volk in einer vereinten Formation mit allen Völkern der ehemaligen UdSSR auf, um die Heimat zu verteidigen.

(Foto: Screenshot)
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Ein Gastbeitrag von Asif Masimov – Doktorand an der Humboldt-Universität zu Berlin

Jedes Jahr begeht Aserbaidschan am 9. Mai den Tag des Sieges über den Faschismus. Der Zweite Weltkrieg, der am 2. September 1945 endete, war einer der verheerendsten Kriege unserer Zeit. In diesem Krieg trat auch das aserbaidschanische Volk in einer vereinten Formation mit allen Völkern der ehemaligen UdSSR auf, um die Heimat zu verteidigen. Zum Sieg leistete Aserbaidschan bzw. das aserbaidschanische Volk einen großen Beitrag.

Aserbaidschans Beitrag im Zweiten Weltkrieg

Aserbaidschan nahm in den aggressiven Plänen Hitlerdeutschlands einen besonderen Platz ein, denn die aserbaidschanische Hauptstadt Baku verfügte über Ölreserven, die für Deutschland eine enorme Bedeutung spielen sollten. Des Weiteren stand Aserbaidschan aufgrund der strategischen Lage zwischen Ost und West in der Aufmerksamkeit des Nazi-Regimes, sodass sie den sogenannten „Edelweiß“-Plan, der am 23. Juli 1942 bestätigt wurde, entwickelten.

Laut Vorgaben sollten insbesondere die kaukasischen Ölstädte Baku und Grosny ergriffen werden. Gemäß diesem Plan war die Besetzung Bakus für den 25. September 1942 geplant. Obwohl der gebürtige Aserbaidschaner Agent Richard Sorge von Japan aus die Sowjetregierung über den Angriff Deutschlands frühzeitig gewarnt hatte, vernachlässigte Stalin diese Information und blieb untätig.

Hitler äußerte bereits bei seiner Geburtstagsfeier im April 1942 Folgendes:

„Wenn wir das Öl von Baku nicht bekommen, ist der Krieg verloren.“

Es wurde dazu noch ein Propagandafilm entworfen, in dem für Hitler zu seinem Geburtstag eine geopolitische Torte gebacken wurde. Im Kreise seiner Generäle nimmt Hitler ein Stück der Torte, auf der die aserbaidschanische Hauptstadt Baku markiert wurde.

Insgesamt versuchte die deutsche Luftwehr 74 Mal, den Luftraum von Baku zu durchdringen, aber die aserbaidschanischen Piloten und Flugabwehrkanonen wussten dies erfolgreich zu verhindern.
Am Zweiten Weltkrieg waren 681.000 Aserbaidschaner beteiligt. Fast die Hälfte von ihnen kehrte nicht zurück. 128 Bürgerinnen und Bürger Aserbaidschans erhielten später die Auszeichnung „Held der Sowjetunion“.

Über 170 Soldaten und Offiziere wurden mit verschiedenen Orden und Medaillen ausgezeichnet. Während der Kriegsjahre schickten aserbaidschanische Ölarbeiter 75 Millionen Tonnen Öl an die Front, was über drei Viertel des gesamten in der UdSSR produzierten Öls ausmachte. Die Republik produzierte insgesamt 130 Arten von Waffen, Munition und Ausrüstung.
Viele Aserbaidschaner, die gefangen wurden, haben sich später der europäischen Widerstandsbewegung angeschlossen.

Unter denen galten insbesondere Achmedija Dschebrailow und Mehdi Huseynzade als berühmte Vertreter. Dschebrailow beteiligte sich am französichen Widerstand unter der Führung von Kapitän Delplank („Dumas“), wobei sich Huseynzade, der aus der Gefangenschaft floh, der jugoslawischen Partisanbewegung anschloss.

Achmedija Dschebrailow: Aserbaidschaner in der Widerstandsbewegung

Achmedija Dschebrailow wurde am 22. September 1920 im Dorf Ochud in der Provinz Şəki in Aserbaidschan als Sohn einer großen Familie geboren. Im Jahr 1941 schloss sich Dschebrailow freiwillig der Roten Armee an. Beim Kampf um Kursk erlitt er schwere Verletzungen, wurde gefangen genommen und daraufhin erst ins Konzentrationslager nach Dachau und später nach Elsaß-Lothringen geschickt.

Im Konzentrationslager Montauban, nicht weit von Toulouse, lernte Achmedija als Häftling unter der Nummer 4167 eine Frau namens Jeanne kennen, die im Lager in häuslichen Angelegenheiten tätig war und dazu noch die Zeit fand, Achmedija Französisch beizubringen. Später half Jeanne Achmedija sogar dabei, aus dem Lager zu fliehen.

Nach der Flucht behandelte Jeanne den verwundeten und ziemlich geschwächten Aserbaidschaner noch eine ganze Weile. In einem Brief an Jeanne fand Achmedija folgende Worte der Dankbarkeit:

„Meine liebe Jeanne! Unvergessliche Madame Jeanne! Sie haben mir mein Leben zurückgegeben, also sind Sie meine Mutter. Obwohl man sagt, dass eine Person nur eine Mutter hat, hatte ich zwei.“

Achmedija hatte auch mehrere Alias, wie Kardo, Achmad Mišel‘, Armed Mišel‘ usw. Die beliebteste Form war jedoch Achmad Mišel‘, die auch Charles de Gaulle kannte.

Operationen, an denen Achmedija beteiligt war

Achmedija beteiligte sich an vielen Operationen, indem er – zum Nachteil für Nazideutschland – bspw. Brücken, Gebäude und Eisenbahnlinien sprengte und Häftlingen zur Flucht verhalf. Darüber hinaus hat Achmedija auch bei der Befreiung einiger französischer Städte geholfen. Die Befreiung von 500 französischen Kindern war dabei eine der erfolgreichsten Operationen.

Durch seinen Mut konnten die Kinder letztendlich vor der Entführung nach Deutschland gerettet werden. Während dieser Aktion wurden die geretteten Kinder in den Wald geschickt, während Achmedija, der bei der Schießerei schwer verletzt wurde, am Boden liegend zurückblieb. Zum Glück trug er eine deutsche Kapitänsuniform und benahm sich nach der Festnahme wie ein deutscher Offizier, was ihm wohl das Leben rettete.

Achmedija Dschebrailow (vorne 2.v.r)

Achmedija Dschebrailow und Charles de Gaulle

Achmedija Dschebrailow und General Charles de Gaulle kannten einander persönlich. Dschebrailow beendete den Krieg mit dem Rang eines französischen Nationalhelden und erhielt zusätzlich mehrere Medaillen und Auszeichnungen von Frankreich.

Achmedija hatte mittlerweile eine Französin geheiratet und arbeitete nach dem Krieg in der Kanzlei von Charles de Gaulle. Im Jahr 1946 beschloss Dschebrailow dennoch in die Heimat zurückzukehren, wo ihn allerdings eine unangenehme Überraschung erwartete. In der Sowjetzeit wurden viele gefangene Soldaten als Verräter des Heimatlandes eingestuft. Dieses Schicksal ereilte nun auch Achmedija, der mehrfach vom KGB gefoltert und verhört wurde.

Seine französischen Medaillen sowie andere Auszeichnungen wurden direkt beschlagnahmt. Sie dienten aber dennoch als Beweis, dass er tatsächlich als Partisan gegen die Faschisten gekämpft hatte. Er wurde glücklicherweise vor der Verbannung nach Sibirien gerettet und lebte nach der Rückkehr in sein Heimatdorf Ochud als einfacher Hirt.

Im Jahr 1966 wünschte sich Charles de Gaulle während seines Besuchs in der UdSSR, dass unter denen, die sich dort trafen, ebenfalls sein kühner Freund Achmad Mišel (aka Achmedija Dschebrailow) auftreten sollte. Dies wurde Leonid Breschnew mitgeteilt, der ihn anwies, diese Person dringend zu finden und nach Moskau zu befördern.

Schon bald kam eine Regierungskolonne von vier Wolga-Autos im Dorf Ochud an. Kurz darauf wurde Achmedija zum Treffen mit De Gaulle nach Moskau gebracht, wo er zunächst warmherzig durch Breschnew empfangen wurde. An nächsten Tag kam die französische Delegation unter der Führung von Charles de Gaulle. Nach der Begrüßung von Breschnew und anderen Offiziellen, umarmte De Gaulle seinen Kameraden Achmedija und führte mit ihm ein langes Gespräch. Beim Abendessen führten sie die Unterhaltung weiter und erinnerten sich dabei an die gemeinsame Vergangenheit.

Das Treffen mit Charles de Gaulle spielte wahrscheinlich eine entscheidende Rolle für den Freispruch und bei der Rehabilitierung von Dschebrailow seitens der sowjetischen Führung im Jahr 1968.

Erinnerung an Achmedija Dschebrailow in Aserbaidschan

Der Präsident der Republik Aserbaidschan Ilham Aliyev beauftragte im Jahr 2020 mehrere Ministerien, anlässlich des 100. Jubiläums von Achmedija Dschebrailow einen Veranstaltungsplan zu erstellen und umzusetzen. Im Rahmen dieser Anweisungen wurde ein Dokumentarfilm über Achmedija Dschebrailow gedreht, der noch in diesem Monat präsentiert werden soll. Früher wurde bereits in Gedenken an Achmedija Dschebrailow der Film „Sowjetischer Soldat“ mit der finanziellen Unterstützung des Kulturministeriums der Russischen Föderation gedreht. In seinem Heimatdorf Ochud wurde ihm zu Ehren ein Bronze-Denkmal errichtet. Der Sohn von Achmedija baute sein Elternhaus in ein Museum um, um auch weiterhin die Erinnerung an seinen berühmten Vater wach zu halten.


Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


 

Asif Masimov

Asif Masimov hat Internationale Beziehungen und Politikwissenschaften studiert. Er ist Doktorand im Fach Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er bloggt auf masimovasif.net zu historischen und politischen Themen rund um Deutschland, Aserbaidschan und Russland.


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