Ängste der Gesellschaft IS-Kämpfer unter Flüchtlingen: Märchen „besorgter Bürger“
In keinem Fall hätten die Erkenntnisse von Polizeibehörden und Geheimdiensten, die in diesem Bereich sehr eng zusammenarbeiten, irgendwelche IS-Verwicklungen in Verdacht geratener Flüchtlinge ergeben. Bis dato zeigten sich in allen untersuchten Verdachtsfällen ähnliche Strukturen: Die Angaben über Orte und Namen erwiesen sich als fehlerhaft.
Von 80 IS-Verdachtsfällen unter Flüchtlingen kein einziger erhärtet
Neben Meldungen über geschlachtete Pferde, vermeintliche Plünderungen von Supermärkten oder Belästigungen von Frauen tauchen unter den zahlreichen Meldungen über Flüchtlinge, die ihren Weg durch die sozialen Netzwerke machen, immer wieder auch solche über vermeintlich enttarnte Angehörige der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) auf, die sich unter die ankommenden, Schutz suchenden Massen gemischt hätten.
Im Unterschied zu den nicht selten frei erfundenen Räuberpistolen, die meist aus dem Umfeld rechtsextremer Parteien oder so genannter „besorgter Bürger“ stammen, kamen die Warnungen vor möglicherweise einsickernden IS-Anhängern auch von Politikern, Verantwortlichen für die Sicherheitsverwaltung und Leitmedien.
In der Tat soll es BKA-Präsident Holger Münch zufolge schon kurze Zeit nach der Entscheidung der Bundesregierung im September, die Grenzen für Flüchtlinge weit zu öffnen, zu ersten Hinweisen in dieser Richtung gekommen sein. Zuletzt soll die Zahl der geprüften Fälle bis zu 80 betragen haben. Allerdings habe sich – so berichtete am Donnerstag die „Süddeutsche Zeitung“ – in keinem einzigen dieser Fälle der geäußerte Verdacht erhärten lassen können.
Selbst in Fällen, in denen Flüchtlinge selbst einen Peiniger oder IS-Kämpfer wiedererkannt haben wollen und sogar in einem Fall, da einer der Einwanderer in einer Unterkunft selbst mit einer IS-Mitgliedschaft und vermeintlich in Syrien begangenen Straftaten geprahlt haben soll, erwiesen sich die Angaben als nicht belastbar. Auch in anderen europäischen Ländern soll sich kein anderes Bild zeigen.
In keinem Fall hätten die Erkenntnisse von Polizeibehörden und Geheimdiensten, die in diesem Bereich sehr eng zusammenarbeiten, irgendwelche IS-Verwicklungen in Verdacht geratener Flüchtlinge ergeben. Bis dato zeigten sich in allen untersuchten Verdachtsfällen ähnliche Strukturen: Die Angaben über Orte und Namen erwiesen sich als fehlerhaft oder der vermeintliche Terrorist konnte ein wasserdichtes Alibi vorweisen.
Die Gründe, so die Süddeutsche, seien vielfältig. Verwechslungen spielten augenscheinlich eine große Rolle, manchmal offenbar auch pure Wichtigtuerei. In Polizeikreisen werde inzwischen gerätselt, ob mancher Flüchtling nicht auch glaube, mit solchen Geschichten sein Asylbegehren befördern zu können. Mancherorts habe sich eine regelrechte Denunziationskultur ausgebreitet – anonyme Briefe, die vermeintliche Flüchtlinge mittels aufgeklebter Fotos als IS-Terroristen outen sollten, werden häufig an Polizei und Staatsanwaltschaft geschickt – und auch hier erwiesen sich bislang alle Hinweise als unbrauchbar.
Zeitungen und Politiker hatten indessen nicht gesicherte Angaben zur Grundlage spektakulärer Ankündigungen gemacht, die auch der Öffentlichkeit nicht verborgen blieben. So wurde etwa über die Zahl von 29 vermeintlich „erwiesenen Syrienkämpfern“ berichtet, die der bulgarische Geheimdienst ins Treffen geführt hatte. Diese würden sich demnach auf ganz Europa verteilen.
Die Angaben waren jedoch so vage, dass selbst das Bundesinnenministerium abwinkte. Die Ermittler von BKA und den zuständigen Landesbehörden gehen jedoch ungebrochen jedem Hinweis nach. Sie sehen vor allem zwei mögliche Szenarien für IS-Bewegungen in Richtung Europa. Die eine sei, so die Süddeutsche, dass der IS eines Tages den Flüchtlingsstrom zur Einschleusung seiner Terroristen nutzen könnte. Dies erscheine zurzeit jedoch als unwahrscheinlich, da der IS seine Kämpfer vor Ort bräuchte. Die andere bestehe darin, dass Renegaten der Gruppe sich unter die Flüchtlinge mengen könnten.
Die bisherigen, sehr engmaschigen Überprüfungen von Fingerabdrücken hätten jedoch keine Übereinstimmungen mit jenen bekannter Dschihadtouristen ergeben. Und von denen gibt es, der oft kriminellen Vergangenheit der Betreffenden wegen einen sehr weitreichenden Bestand.