Berlin (dts) – Der Vorsitzende der „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa), Bernd Lucke, hat den wegen seiner harten Haltung gegenüber Flüchtlingen in der Kritik stehenden ungarischen Regierungschef Viktor Orban verteidigt. Orban als „Anti-Demokraten“ zu bezeichnen, sei eine „völlig überzogene Rhetorik“, sagte Lucke dem „Handelsblatt“. „Wenn Orban ein Anti-Demokrat wäre, dann müsste man Ungarn aus der Europäischen Union ausschließen.“
Einzelne innenpolitische Maßnahmen Ungarns seien unter demokratischen Aspekten zwar kritisch zu sehen. „Aber die Grenzsicherung Ungarns ist keine Frage der Demokratie.“ Lucke, der für seine Partei auch im Europaparlament sitzt, lobte den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer dafür, dass er Orban zur CSU-Klausurtagung im Oktober eingeladen hat, um mit ihm über Lösungen in der Flüchtlingskrise zu sprechen. Gespräche seien immer richtig. „Da kann man einerseits Druck ausüben, andererseits aber auch Verständnis für den anderen gewinnen“, so Lucke. „Ungarn sieht sich ja selbst einem großen Flüchtlingsdruck ausgesetzt und reagiert entsprechend hart.“
Sanktionen gegen EU-Staaten, die einen verbindlichen Verteilschlüssel für Flüchtlinge ablehnen, wie dies von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ins Spiel gebracht worden war, hält Lucke für eine „leere Drohung“. Asylpolitik sei eine nationale Kompetenz. „Ich wüsste nicht, auf welcher rechtlichen Grundlage die EU Sanktionen verhängen wollte“, sagte er. Man könne daher nur politischen Druck auf unsolidarische Länder ausüben. „Wir müssen die Länder öffentlich an den Pranger stellen, die vollmundig von Wertegemeinschaft reden, das aber nicht leben.“
Der Alfa-Chef schlug außerdem vor, notfalls eine „Renationalisierung der Asyl- und Flüchtlingspolitik“ in Betracht zu ziehen. „Das erfordert eine grundlegende Reform, vielleicht auch eine Aufkündigung von Dublin und Schengen“, sagte Lucke und fügte hinzu: „Wenn der Flüchtlingsdruck noch Jahre anhält und die EU keine angemessenen Antworten darauf gibt, sehe ich gar keine andere Möglichkeit, als dass die einzelnen Länder das wieder selbst in die Hand nehmen.“ Das beeinträchtige aber in keiner Weise den freien Waren- und Kapitalverkehr. Und es müsse nicht einmal die Freizügigkeit der EU-Inländer beeinträchtigen. „Man muss dann lediglich Grenzkontrollen über sich ergehen lassen.“