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Vortäuschung einer Straftat
Berliner Polizei: Vermisste Elena wurde weder entführt noch vergewaltigt

Der Fall einer 13-jährigen Schülerin aus Marzahn, die von „Südländern“ entführt und vergewaltigt worden sein soll, nahm eine jähe Wende. Wie aus Vernehmungsprotokollen und einem Gutachten des LKA hervorgehen soll, sei es zu keiner der beiden Straftaten gekommen. Die Familie hält dennoch die Darstellung des Mädchens aufrecht.

(Foto: screenshot/facebook)
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Berlin (nex) – In den 1990er und 2000er Jahren waren es nicht selten Rechte, die sich als Opfer einer künstlich gesteuerten Hysterie darstellten, die vor falschen Verdächtigungen und üblen Verleumdungen nicht Halt machte. In der Tat gab es in dieser Zeit einige Fälle vermeintlicher Übergriffe, die überregionale Schlagzeilen machten, sich aber später als erdachte oder erfundene Straftaten herausstellten.

So gab es 1994 und 2007 in Halle und Mittweida spektakuläre Fälle, in denen Rechtsextremisten jungen Frauen Hakenkreuze in die Haut geritzt hätten, 2000 soll ein sechsjähriger Junge in Sebnitz von Neonazis im Freibad ertränkt worden sein, 2003 zeigte eine 40-Jährige in Hagen an, von vier Skinheads vergewaltigt worden zu sein. In all diesen Fällen stellte sich der braune Hintergrund als erfunden heraus, in einem Fall handelte es sich um einen tragischen Badeunfall, in den drei anderen um Falschdarstellungen, die aus Drang nach Aufmerksamkeit oder dem Wunsch herrühren, von einer anderen Problematik abzulenken.

Seit einigen Jahren hat sich der Schwerpunkt medialer und politischer Feindbildpflege von rechtsgerichteten Bestrebungen hin zum Islam und zu Einwanderern aus islamisch geprägten Ländern hin verlagert – und Rechtsradikale sind ganz vorne dabei, wenn es darum geht, Gerüchte, unbestätigte Meldungen und frei erfundene Geschichten über angebliche strafbare Handlungen zu verbreiten, die von Flüchtlingen oder Einwanderern begangen worden sein sollen.

So soll es jüngst, wie die B.Z. berichtet, in diesem Zusammenhang zu einer Entführung und Vergewaltigung der 13-jährigen Elena K. aus Marzahn gekommen sein, die am 11. Januar nicht in ihrer Schule angekommen war. Ihre Eltern erstatteten daraufhin Vermisstenanzeige. Tags darauf wurde das Mädchen von Passanten in Hellersdorf aufgegriffen und gab ihren Eltern gegenüber an, von drei unbekannten „Südländern“, die „gebrochen Deutsch“, gesprochen hätten, unter dem Vorwand, sie zur Schule zu bringen in deren Auto gelockt, anschließend in eine Wohnung entführt und dort geschlagen und sexuell missbraucht worden zu sein.

Wie die B.Z. berichtet, soll sich der Sachverhalt nach weiteren Ermittlungen und Vernehmungen wesentlich anders darstellen. Die 13-Jährige, die im Beisein ihrer Eltern und anschließend noch einmal alleine vernommen worden sei, soll ihre Aussage in wesentlichen Teilen verändert haben. Sie sei demnach zum einen freiwillig mit den Männern mitgekommen und einem im Auftrag des LKA erstellten ärztlichen Gutachten zufolge soll es weder einen Hinweis auf eine Entführung noch einen auf eine Vergewaltigung gegeben haben.

Weitere Erklärungen wollte die Polizei im Interesse des Kindes nicht abgeben, hieß es weiter. Die Familie glaubt allerdings offenbar weiter an eine Entführung und will der Zeitung zufolge einen Anwalt einschalten. In den sozialen Medien, im russischen Fernsehen und am Rande einer NPD-Kundgebung wurde der Vorwurf, das Mädchen sei entführt und vergewaltigt worden, mehrfach wiederholt, unter anderem auch vonseiten der Verwandten des Mädchens.

In den sozialen Medien machte sich indes zudem noch der Stille-Post-Effekt bemerkbar, sodass Meldungen wie „Mindestens fünf Ausländer vergewaltigen gesuchtes Mädchen über 30 Stunden. Polizei schweigt bislang zu diesem Verbrechen“ die Runde machen. Auch die wiederholten Bekräftigungen vonseiten der Polizeibeamten, wonach es keine Vergewaltigung der 13-Jährigen gegeben habe, dürften jüngsten Erfahrungen mit den Gerüchtekochern in den sozialen Medien nach zu schließen keinen entscheidenden Effekt auf deren Weiterverbreitung ausüben.

 

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