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Kommentar: China unterstützt die Verfolgung von Zeugen Jehovas in Russland

Während die Welt die Verurteilung von Zeugen Jehovas in Russland zu harten Gefängnisstrafen nur aufgrund der Praktizierung ihres Glaubens missbilligt, lobt China die Verfolgung.

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Von Massimo Introvigne

Am 6. Februar 2018 verurteilte ein russisches Gericht den dänischen Staatsbürger Dennis Christensen zu sechs Jahren Gefängnisstrafe wegen seiner Beteiligung an den Aktivitäten der Zeugen Jehovas, einer in Russland verbotenen Vereinigung. Nach Christensens Verurteilung führt die Polizei in verschiedenen russischen Provinzen neue Razzien durch und verhaftet dabei weitere Zeugen Jehovas. 2017 wurden die Zeugen Jehovas in Russland unter dem Vorwurf des „Extremismus” „liquidiert”.

Internationale Organisationen und demokratische Länder – angefangen vom US-Außenministerium bis hin zur Europäischen Union – reagierten einhellig auf diese Entscheidungen und forderten die sofortige und bedingungslose Freilassung von Christensen. Außerdem für die Zeugen Jehovah das Recht „auf Versammlungsfreiheit in Frieden und ohne Einmischung, wie es in der Verfassung der Russischen Föderation, durch internationale Verpflichtungen Russlands und in den internationalen Menschenrechtsstandards garantiert ist.”

Russland kann sich hingegen auf einen “unmittelbaren und vorbehaltlosen” Verbündeten verlassen – China. Die KPCh weiß genau, dass die Vorstellung von „extremistischen religiösen Bewegungen” in China im Grunde der Kategorie der xie jiao in China entspricht.

Wie der Hongkonger Wissenschaftler Ed Irons ausführte, gilt die „chinesische Anti-Kult-Website” in China als Sprachrohr der KPCh in allen Angelegenheiten, die sich auf Gruppen beziehen, die als „Kult” bezeichnet werden. Ihre Erklärungen genießen einen halboffiziellen Status. Während die Welt auf Christensens Verurteilung wartete, veröffentlichte diese an die KPCh angeschlossene Website einen detaillierten Beitragzur Unterstützung der russischen Haltung gegenüber den Zeugen Jehovas. „Es ergibt Sinn, Zeugen Jehovas streng zu kontrollieren oder sogar ganz zu verbieten.” (“耶和华见证人” 受到严厉控制甚至全面取缔乃属情理之中), hieß es in dem Artikel. Zudem wurde eine Liste von Anti-Kult-Vorwürfen gegen die Zeugen Jehovas erwähnt.

Zwischen der russischen Verfolgung “extremistischer Gruppen” und der chinesischen Unterdrückung von xie jiao gibt es jedoch einen Unterschied: Während die KPCh versucht, sich selbst vor jeder möglichen Bedrohung durch religiöse Bewegungen zu schützen, die sie als parteifeindlich erachtet, versucht Russland, die Monopolstellung der Russisch-Orthodoxen Kirche, eines entschiedenen Verbündeten des Regimes, vor jeder unerwünschten Konkurrenz zu schützen.

Die chinesische Anti-Kult-Website scheint diesen Unterschied nicht vollständig zu berücksichtigen. Sie unterstützt die russische Haltung eines Verbots der Zeugen Jehovas, weil „sie die russische Mainstream-Religion bedrohen – den Ruf und das Lebensumfeld der Orthodoxen Kirche” (而且威胁着俄罗斯主流宗教——东正教的声誉和生存环境) und „das Fundament der Orthodoxen Kirche aushöhlen” (也在明显侵蚀着东正教的根基).

Dass die Orthodoxe Kirche vor ihren Kritikern geschützt werden sollte, ist in einer Publikation der KPCh eine merkwürdige Feststellung. Doch innerhalb der KPCh gibt es ebenfalls sehr wohl einige Stimmen, die in ähnlicher Weise argumentieren, nämlich dass die Monopolstellung des christlich-protestantischen Glaubens der von der KPCh kontrollierten Three-Self gleichermaßen beschützt werden sollte.

Die Zeugen Jehovas sind in China im Untergrund tätig, mit einer schwer einzuschätzenden Zahl an Mitgliedern. Sie sind nicht auf der Liste der xie jiao angeführt, aber ihre Aktivitäten werden als illegal betrachtet. Bitter Winter hat über das Durchgreifen gegen Bekehrungsaktivitäten von Zeugen berichtet, die aus Korea nach China kommen.


Erschienen auf Bitter Winter.


Massimo Introvigne (14. Juni 1955 in Rom) ist ein italienischer Religionssoziologe. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Zentrums für Studien zu neuen Religionen (CESNUR), einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern, welche sich mit neuen religiösen Bewegungen auseinandersetzen. Introvigne ist Autor von mehr als 70 Büchern und über 100 Artikel im Fachgebiet der Soziologie und Religion. Er war Hauptautor der „Enzyklopädie von Religionen in Italien“. Er ist Redaktionsmitglied vom „Interdisciplinary Journal of Research on Religion“ und der Geschäftsleitung der Universitätszeitung von Kalifornien „Nova Religio“. Vom 5. Jänner bis 31. Dezember 2011 hat er in der Organisation für Sicherheit und Kooperation in Europa (OSZE) als Vorsitzender zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung gearbeitet, mit speziellem Fokus auf die Diskriminierung von Christen und Mitgliedern anderer Religionen. Von 2012 bis 2015 war er Vorsitzender im Observatorium für Religionsfreiheit, eingerichtet vom italienischen Außenministerium, um Probleme der Religionsfreiheit weltweit zu überwachen.