Die frühere Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hat auf Bitten von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Koordination möglicher deutscher Hilfen beim Wiederaufbau der durch einen Brand schwer beschädigten Pariser Kathedrale Notre-Dame übernommen.
Sie solle Experten zusammenbringen, Ideen sammeln und den Franzosen in gebündelter Form Hilfen anbieten, sagte Schock-Werner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ein Durcheinander gutgemeinter Ratschläge oder Besserwisserei kann niemand gebrauchen.“ Für ein erstes Sondierungsgespräch reisen Schock-Werner und Grütters am 30. April nach Paris.
Als wichtigste Erste-Hilfe-Maßnahme nannte Schock-Werner die Sicherung des Baubestands. Dazu müsse die Tragfestigkeit der erhalten gebliebenen Gewölbe und des Strebewerks geprüft werden. Sollten Teile des Gesteins vom Feuer so sehr ausgeglüht oder in sich verschoben sein, dass Einsturzgefahr besteht, müssten die entsprechenden Partien ausgetauscht werden. Ähnlich bedeutsam sei die schnelle Trocknung des vom Löschwasser durchnässten Gebäudes. Mit einem provisorischen Dach muss es möglichst bald vor Regen geschützt werden. Hieran könnten zum Beispiel deutsche Gerüstbauer mitwirken.
Auch personelle Hilfe beim Wiederaufbau hält die Ex-Dombaumeisterin für denkbar, da französische Experten bereits vor einem Mangel an heimischen Fachkräften (Steinmetze, Zimmerleute, Gerüstbauer) warnen. Eine weiterer Engpass könnte nach Schock-Werners Einschätzung beim Baumaterial auftreten. „So viele abgelagerte Eichenstämme, wie für einen Ersatz des Dachstuhls in traditioneller Holzbauweise benötigt würden, gibt es vermutlich in ganz Frankreich nicht. Eine Idee könnte es also sein, in Deutschland nach geeigneten Beständen zu suchen und diese den Franzosen zur Verfügung zu stellen.“
Grundsätzliche Fragen der Restaurierung und der Denkmalpflege könnten in internationalen Experten-Kolloquien erörtert werden: Welcher Zustand des Gebäudes soll für die Wiederherstellung von Notre-Dame maßgeblich sein? Soll der Dachstuhl in Holz rekonstruiert werden oder möglicherweise – wie beim Kölner Dom oder beim Wiener Stephansdom – mit Eisen beziehungsweise Stahl neu gebaut werden. Schock-Werner erinnert daran, dass wesentliche Bauteile, die jetzt durch den Brand vernichtet wurden, nicht mittelalterlichen Ursprungs waren, sondern auf Arbeiten des 19. Jahrhunderts durch den berühmten Restaurator Eugène Viollet-Le-Duc (1814 bis 1879) zurückgehen.
Von ihm stammte zum Beispiel der Entwurf für den eingestürzten Vierungsturm (1844). Erste Vorgespräche, zum Beispiel mit dem Bamberger Bauhistoriker Stephan Breitling, hat Schock-Werner nach eigenen Angaben bereits geführt.