Von Ömer Özkizilcik
Viele Ausländer haben sich der PKK/YPG angeschlossen, um gegen den IS (Daesh) zu kämpfen. Manche mögen diese Menschen dafür respektieren, die Realität ist aber, dass sie einer Terrororganisation beigetreten sind, um eine andere zu bekämpfen.
Gerade im Hinblick auf die terroristische Methode der Selbstmordattentate der PKK und die linksradikale Ideologie dieser Organisation könnten diese ausländischen Kämpfer in Zukunft auch eine große Bedrohung für westliche Staaten darstellen. Obwohl sich im Jahre 2014 die Mehrheit der Ausländer der YPG anschloss, um vor allem gegen den IS zu kämpfen, kamen nach 2015 hauptsächlich militante Linke hinzu, die sich zu der linksradikalen Ideologie der Organisation angezogen fühlten.
Heute unterstützen die Vereinigten Staaten die YPG, so wie sie in der Vergangenheit die afghanischen Mudschahidin unterstützt hatten. Später jedoch gründeten ausländische Veteranen des Afghanistan-Krieges wie Osama bin Laden die Al-Qaida und führten Terroranschläge gegen den sogenannten „echten Feind“ – die Vereinigten Staaten von Amerika – durch. Afghanistan als erfolgreiches Modell und Trainingsort sorgte für ein weltweites Erstarken des radikalen Terrorismus. Dasselbe könnte auch mit militanten Linken und der von den USA trainierten und bis zu den Zähnen bewaffneten PKK/YPG in Syrien passieren, da einige der Ansicht sind, dass die kapitalistischen USA auch „der wahre Feind“ sind.
Die YPG/PKK führt seit Jahrzehnten eine international sehr erfolgreiche Kampagne zur Präsenz in den Medien durch. Dazu zählen sowohl traditionelle als auch soziale Medien.
Um eine westliche Unterstützung zu erreichen, hat die Organisation besonders zwei Haupthemen hervorgehoben: die Feindschaft der Gruppe gegenüber dem IS – tatsächlich aber ihre Opposition zu allen politischen Muslimen und sogar zu unpolitischen religiösen Konservativen – und ihre nach außen gerichtete Förderung universalistischer liberaler Ideen wie Frauenrechte, Demokratie, Pluralismus, Vielfalt, wirtschaftliche Gerechtigkeit und sogar ökologische Nachhaltigkeit.
Aufgrund der sehr professionellen Medienarbeit schlossen sich viele Ausländer der YPG an. Während die überwiegende Mehrheit der Ausländer innerhalb der YPG türkische, irakische oder iranische Staatsbürger kurdischer Herkunft sind, haben sich auch im Westen lebende Kurden der Miliz angeschlossen. Obwohl genaue Zahlen in Bezug auf die Zahl der nicht-kurdischen ausländischen Kämpfer nicht verfügbar sind, sagte Kyle Orton von der Henry Jackson Society dem Autor, dass er die Zahl der Ausländer aus dem Westen auf bis zu 1200 schätzt.
Orton fügte hinzu, dass die Zahl der Ausländer, die der YPG beitreten, nach 2016 rapide gestiegen sei. Zu den bemerkenswerten demographischen Fakten gehört, dass es einen starken Trend zu jüngeren Rekruten gibt. Über 60% der YPG-Ausländer sind unter 30 Jahre alt und 80% unter 40 Jahre alt. Nach dem Mauerbau an der türkisch-syrischen und auch türkisch-iranischen Grenze haben Ausländer, um die Camps der YPG zu erreichen, neue Routen gewählt.
Das erste Ziel beider Routen ist Sulaimaniyya im Nordirak. Diese Stadt hat einen internationalen Flughafen und ist somit für ausländische Kämpfer gut zu erreichen. Von dort werden die Kämpfer entweder über das Kandil-Gebirge oder über die Stadt Sindschar in der kurdischen Regionalregierung – manchmal als Journalisten getarnt – nach Syrien eingeschleust.
Während die internationale Koalition unter Führung der USA die YPG in der Annahme ihres Kampfes gegen den IS massiv unterstützt hat, arbeitet die Terrorgruppe an der Gründung eines neuen Staates nach der linksradikalen These von Abdullah Öcalan, die als „Demokratischer Konföderalismus“ bezeichnet wird. Mit diesem Ziel verbreitet die YPG ihre linksradikale Ideologie und schreckt auch vor Selbstmordattentaten nicht zurück. So wie radikale Islamisten ihre Ziele in Afghanistan durch Terror zu erreichen versuchen, gehen auch militante Linke im sogenannten „Rojava“ diesen Weg, um ihre Ziele zu erreichen und wenden militärische und terroristische Methoden dafür an.
Wenn schließlich ausgebildete radikale Linke der YPG in ihre Heimatländer zurückkehren, können sie ihre Ideologie und ihre Erfahrungen verbreiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass sich diese Kämpfer daran erinnern, wer ihr „wirklicher Feind“ ist – nämlich das kapitalistische System. Daher kann man Terroranschläge dieser Gruppe im Westen für die Zukunft nicht ausschließen.
Die Gefahr von Selbstmordanschlägen
Selbstmordattentate sind wohl die gefährlichste und radikalste Form von Terroranschlägen. Von gigantischen Anschlägen wie dem 11. September 2001 bis hin zu Taten von Einzelnen wie in Frankreich war Selbstmord stets ein effektives Mittel der Terroristen um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Darüber hinaus ist die psychologische Wirkung auf Angehörige von Opfern und die Gesellschaft insgesamt stärker, wenn der Terror in Form eines Selbstmordattentats in Erscheinung tritt. Ausländische Kämpfer in der YPG werden innerhalb einer Struktur ideologisiert, die aktiv die Idee der Selbstmordattentate unterstützt und Selbstmordattentäter als Helden fördert.
Während Gruppen wie Al Qaida oder IS Selbstmordattentate mit pseudo-religiösen Argumenten propagieren, geht die PKK mit einer – zumindest im Westen – viel effektiveren Methode an die potenziellen Attentäter heran.
Während islamistische Gruppen ein Individuum erst mal von der Religion überzeugen und für eine Konversion zum Islam sorgen müssen, können radikale Linke direkt an der ideologischen Indoktrination arbeiten. Aufgrund der areligiösen Struktur der westlichen Gesellschaften sind Menschen im Westen viel anfälliger für den nichtreligiösen Extremismus. Daher könnte die PKK als Terrororganisation, die bereits eine internationale Anhängerschaft und Unterstützung vorweisen kann, für viele westliche radikale Linke zum Vorbild werden, vor allem wenn ausländische Kämpfer aus den Reihen der YPG nach Hause zurückkehren.
Die YPG, der syrische Zweig der PKK, wird von hochrangigen PKK-Veteranen geführt, die bereits gegen die türkische Regierung gekämpft und mehrere Terroranschläge angeordnet haben.[1]
Den Befehl für den ersten Selbstmordanschlag der Terrorgruppe gab PKK-Gründer Abdullah Öcalan im Juni 1996. Wie auch bei diesem ersten Anschlag, bevorzugte der Terrorführer Frauen für die darauffolgenden Attentate.
Von den 15 Selbstmordattentätern zwischen 1996 und 1999 waren 11 junge Frauen. Nur eine meldete sich freiwillig, die übrigen wurden von Öcalan selbst ausgewählt. Das Alter der Täter lag zwischen 17 und 27 Jahren. Keine von ihnen verfügte über berufliche Fähigkeiten, und einige von ihnen waren Schulabbrecher, die in der Regel aus sehr großen und armen Familien stammten. Junge weibliche PKK-Mitglieder wurden im Alter von 10 Jahren rekrutiert und von ihren Eltern getrennt. In Camps wurden sie zu Guerillakämpfern ausgebildet. Dies zeigt die „Wichtigkeit“ der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter für die PKK – ein Merkmal, das viele Kommentatoren fälschlicherweise unterstützen. Der Einsatz von Selbstmordattentaten durch die PKK hält weiter an.
So führte die sogenannte TAK, ein weiterer Ableger der PKK, am 13. März 2016 in der türkischen Hauptstadt Ankara einen tödlichen Terroranschlag durch, bei dem 37 Zivilisten ums Leben kamen. Bei der Selbstmordattentäterin handelte es sich nach Angaben türkischer Behörden um die mutmaßlich in Syrien ausgebildete türkische Staatsbürgerin Seher Cagla Demir. Darüber hinaus hat die PKK am 9. Oktober einen Selbstmordanschlag auf einen Kontrollpunkt in der Osttürkei verübt, bei dem 10 Soldaten und 8 Zivilisten getötet sowie 10 Soldaten und 16 Zivilisten verletzt wurden. Die von der PKK praktizierte Taktik von Selbstmordattentaten ist ein Symbol für die radikale Ideologie der Terrorgruppe, der sich ausländische Kämpfer angeschlossen haben.
Einige Analysten und Experten haben versucht, die Durchführung von Selbstmordattentaten durch Gruppen wie Al Qaida oder dem IS zu erklären. Die Attentäter berufen sich dabei auf einen Glauben an das Jenseits und das Versprechen von 72 Jungfrauen im Paradies sei für diese Individuen ausreichend, um solche Angriffe durchzuführen. Das ist der Unterschied zwischen dem IS und der PKK/YPG, denn während die erstgenannte ihren Glauben an eine religiöse Überzeugung aufrechterhält, reicht eine ideologische Überzeugung aus, um die letztgenannte zu motivieren. So ist die PKK/YPG als marxistisch-leninistische Gruppe ein wichtiges Beispiel für die Radikalisierung einer politischen Ideologie.
Obwohl ihre allgemeine Strategie und ihre Fähigkeiten begrenzt sind wie beim G-20-Gipfel in Hamburg können radikale Linke große Verwüstungen anrichten. Sie verbrannten Autos, zerstörten Läden und kämpften gegen die Polizei. Innerhalb der Sicherheitskräfte in Deutschland ist es bekannt, dass radikale Linke Rekruten ausbilden, wie man gegen Polizeikräfte kämpft, wie man Molotowcocktails baut und Geschäfte zerstört. Sie haben vor dem G-20-Gipfel sogar an einer deutschen Universität trainiert und sich dort vorbereitet. Wenn radikale Linke mit begrenzten Mitteln schon eine solche Gefahr für Europa darstellen, möchte man sich nicht ausmalen, was geschehen könnte, wenn die in Terror ausgebildeten westlichen YPG-Kämpfer wieder zurückkehren. Ausgebildet im Bombenbau, Nahkampf, Waffenkunde und Milizstrukturen werden die künftigen Zusammenstöße der Linksradikalen mit den Sicherheitskräften der jeweiligen Länder neue Dimensionen erreichen.
Syrien: Das Afghanistan der militanten Linken?
Wie bereits erwähnt, haben die Kampferfahrungen und Trainingscamps in Afghanistan, die Fähigkeiten und Strategien radikaler Islamisten in Bezug auf Terror massiv erhöht. Afghanistan war für sie ein Erfolgsmodell für die ganze Welt. Dank Krisen und Kriegen fanden sie ein Umfeld, um ihre Ideologie zu fördern, neue Mitglieder zu rekrutieren und auszubilden. Veteranen, die gegen die Russen kämpften, trainierten neue Rekruten gegen ihren wahren Feind, den „Westen“.
Ähnlich wie Afghanistan hat Syrien ein großes Potenzial, ein Knotenpunkt für Radikale zu werden. Aktuell haben sich militante Linke in von der YPG kontrollierten Gebieten organisiert und Lager eingerichtet, um ihre Mitglieder auszubilden. Abgehärtete Veteranen, die in den Reihen der YPG gekämpft haben, können auf eine Krise oder einen Krieg warten, um ihre Ideologie zu fördern, neue Mitglieder zu rekrutieren und gegen ihren wirklichen Feind – die Kapitalisten – auszubilden.
[1] Nurettin Halef al- Muhammed (Nurettin Sofi), Fehman Husayn, Ferhat Abdi Sahin (Sahin Cilo), Sabri Ok, Nasr Abdallah, Lewend Rojava; Nuri Mahmud, Lewend Rojava, Nuri Mahmud, Serdar Derek, Taulim, Ahmad Abdulqadir Abdi (Polat Can), Mahmud Muhammad (Xebat Derik), Ilham Ahmed (Ronahi Efrin), Walid Fahim Khalil (Aldar Khalil), Hediya Yousef, Rojin Ramo, Bahoz Erdal, Shahin Cilo Kobani, Fuat, Halide, Nureddin al-Muhammed, Dilan Rihan Muhammed, Ferhat Derik, Çiya Kobani, Ahmet Şeker sind nur einige der PKK Veteranen in den Führungskadern der YPG.
Auch interessant
– Terrorismus –
US-Bericht: Antifa trainiert in PKK-Camps
Wie die US-amerikanische Tageszeitung „Politico“ berichtet, kämpfen in Syrien Mitglieder der anarchistischen „Antifa“ an der Seite der international als Terrororganisation eingestuften PKK und der ebenfalls verbotenen marxistisch-leninistischen Organisation MLKP (Marksist Leninist Komünist Parti).
Ömer Özkizilcik arbeitet als politischer Analyst im Middle East Foundation in Ankara, Türkei sowie als Redakteur bei “Suriye Gündemi”