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Gastbeitrag
BRICS-Treffen: Deutschland lebt in einer Blase der Einbildung

Deutschland bewertet geradezu mit Schadenfreude, wie die Türkei beim BRICS-Gipfel ausgerechnet an Indien "krachend gescheitert" sei

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Ein Gastkommentar von Nabi Yücel

Deutschland bewertet geradezu mit Schadenfreude, wie die Türkei beim BRICS-Gipfel ausgerechnet an Indien „krachend gescheitert“ sei, während US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit Drohgebärden gegenüber der BRICS wie auch ihren Anwärtern mit Strafzöllen droht und damit Wähler mobilisiert.

Es ist ja schon beinahe amüsant zu beobachten, wie BILD, N-TV oder die Funke Mediengruppe die Lage im russischen Kasan in Zusammenhang mit der Einladung der Türkei zum BRICS-Gipfeltreffen bewerten. Von einem krachendem Scheitern bis hin zum Ausschluss der Türkei ist die Rede.

Niemandem fiel dabei auf, dass die Staatschef Narendra Modi und Recep Tayyip Erdoğan auf dem „Familienfoto“ nebeneinander stehen. Im Ernst, Deutschland lebt in einer Blase der Einbildung, der Selbstüberschätzung und Selbstsicherheit. Selbstgefällig glaubt man, die Türkei müsse bei der BRICS einen Antrag stellen und scheitere damit zu Beginn an Indien.

Richtig ist vielmehr, dass die BRICS keinen formellen Antrag kennt und erst recht keine Aufnahmekriterien hat wie z.B. die Europäische Union. Von daher ist schon ein großer Teil der Berichte der Klatsch- und Tratschpresse geradezu eine Farce. Es sei Ihnen gegönnt, zumal man damit offenlegt, dass man keine eigene Strategie hat, um der drohenden geopolitischen als auch wirtschaftlichen Dominanz etwas entgegenzusetzen, als die Schadenfrohe selbst.

Indes, Donald Trump, favorisierter Kandidat der US-Präsidentschaftswahl, macht Nägel mit Köpfen. Der Vertreter der US-Oligarchie, will den US-Dollar verteidigen, wenn es sein muss auch gegen die gesamte Welt. Hauptgegner sind die BRICS-Staaten, die der US-Dollar-orientierten Nachkriegsordnung etwas entgegensetzen wollen.

159 von 195 Ländern, also mehr als drei Viertel der Welt, sind oder wollen in die BRICS und passen sich allmählich in mehreren Gipfel- und Staatstreffen dem BRICS-System an. Der BRICS-Kern hatte vor einiger Zeit die Schaffung einer Blockchain-basierten Zahlungsplattform angekündigt, der als Pendant zum SWIFT-Zahlungssystem dienen soll.

Diese neue Zahlungsplattform soll die globale wirtschaftliche Stellung des Wirtschaftsbündnisses neu definieren und darüber hinaus mit einigen der größten Zahlungssysteme der Welt konkurrieren. Dazu gehört auch das westlich dominierte TARGET2-System.

Was die BRICS geritten hat, ein alternatives Zahlungssystem aus dem Hut zu zaubern? Das liegt an den Drohgebärden der USA, die den US-Dollar als Waffe einsetzt. Es hat Länder mit Sanktionen belegt und ihnen u. a. die Nutzung des SWIFT-Zahlungssystems untersagt. Die BRICS-Staaten wollen ihre eigene Währungsunion und ihr eigenes System schaffen und werden damit in der Lage sein, dass Rohstoffgeschäfte in ihrer eigenen Währung abgewickelt werden.

Die BRICS-Staaten sind, so eine Studie der US-amerikanischen Tufts Universität, durch gemeinsame Entwicklungsinteressen und das Streben nach einer multipolaren Weltordnung verbunden, in der keine einzelne Macht dominiert. Doch die Konsolidierung der BRICS-Staaten hat die Gruppe zu einer schlagkräftigen Verhandlungsmacht gemacht, die nun Washingtons geopolitische und wirtschaftliche Ziele in Frage stellt.

Das ist auch dem Weißen Haus in Washington nicht entgangen. Donald Trump drohte schon in seiner ersten Amtsperiode und droht nun während seiner gegenwärtigen Wahlkampftour erneut, er würde einen hundertprozentigen Einfuhrzoll auf Länder erheben, die in die USA exportieren und sich mit den BRICS-Staaten zusammenschließen wollen.

Das wären summa summarum 159 von 195 Ländern, die bereits Mitglied sind, Partnerstatus haben, ihren Beitrittswunsch bekundet haben oder offen Interesse zeigen. Was würde eigentlich passieren, wenn die BRICS zu einer Größe anwächst, die den US-Dollar als Weltwährung unter Druck setzt? Was wäre als nächstes vorstellbar?

Diese Staaten drohen im Umkehrschluss den USA oder ihren Verbündeten! Das wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für die USA, aber auch für die Verbündeten, die sich mit Gedeih und Verderb dem Atlantikpakt verschrieben haben. Insofern macht die Türkei alles richtig!

Weder setzt sie voll auf die Europäische Union, bei der sie nach wie vor als „Bittsteller“ ansteht, noch auf die BRICS. Sie setzt noch auf ganz andere Wirtschaftsunionen, wie im südasiatischen Raum oder dem asiatisch-pazifischen Raum. Dafür nimmt man auch lächelnd in Kauf, die Deutschen auf dem hohen Ross amüsiert zu haben.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


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