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BRICS-Gipfel
BRICS – wer ist das und was wollen die?

Die alte Ordnung, die sich nach Ost- und Westblock richtete, ist spätestens nach dem Zusammenbruch der UdSSR, der Russland folgte, längst Vergangenheit.

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ein Gaskommentar von Michael Thomas

Derzeit erleben wir eine Welle rasanter und fundamentaler Veränderungen in der Welt. Die alte Ordnung, die sich nach Ost- und Westblock richtete, ist spätestens nach dem Zusammenbruch der UdSSR, der Russland folgte, längst Vergangenheit.

Nun treten Mächte auf, die die nachfolgende Weltordnung, der die USA als regulierender „Weltpolizist“ vorstand, nun wirkungsvoll in Frage stellen. Eine seit etwas mehr als einem Jahrzehnt gegründete und zunächst belächelte Allianz ist BRICS.

Aber wer ist BRICS?

BRICS setzt sich zusammen aus den führenden Buchstaben ihrer Mitglieder; aus nachfolgend erläuterten Gründen setze ich einfach einmal eine Kenngröße, die die Wirtschaftskraft eines Landes darstellt, neben die Länder. Diese Kenngröße ist „BIP“, das „Bruttoinlandsprodukt“ und es bewertet den Gesamtwert aller im genannten Land hergestellten Güter und Dienstleistungen eines Jahres ohne ihre jeweiligen Vorprodukte. Die Daten stammen aus 2021 und werden von der Weltbank herausgegeben und repräsentieren die wirtschaftliche Macht und Größe:

Brasilien 1,609 Billionen USD

Russland 1,779 Billionen USD

Indien 3,176 Billionen USD

China 17,73 Billionen USD

Südafrika 419 Milliarden USD

Addiert sind dies 24,713 Billionen USD. Im Vergleich dazu betrug das BIP der gesamten EU etwa 17,15 Billionen USD und liegt damit unter dem Wert von China. Die USA erwirtschafteten in 2021 ein BIP von 23,32 Billionen USD und liegt damit leicht unter dem Wert der BRICS-Staaten. Wenn man jetzt noch weiß, dass das globale BIP in 2021 etwa bei 97 Billionen Dollar gelegen hatte, kann man einschätzen, wie hoch die wirtschaftliche Macht der BRICS-Staaten heute bereits ist.

Gerade im Zuge des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine gibt es Anzeichen seitens der BRICS, sich auf dem Weltmarkt gegen die westlich dominierten Bündnisse zu stellen und ihnen die Kontrolle über die globale Wirtschaft entziehen zu wollen. Hinzu kommt, dass die USA aufgrund ihrer latenten Schwierigkeiten im Innern die Weltmärkte nachhaltig verunsichern, so hat der Streit um den Staatshaushalt dem Ruf des Dollars als „safe haven“, als „sicherer Hafen“ im Sinne von Stabilität und Zuverlässigkeit schwer geschadet. (Link)

Schon jetzt werden anwachsende Teile internationalen Handels in chinesischen Renminbi („Volksgeld“) abgewickelt und sind somit der direkten Kontrolle der USA entzogen. Diese Kontrolle üben die USA über US-Staatsanleihen aus, die ausnahmslos in US-Dollar gehandelt werden müssen. Dies zwingt alle relevanten Landesbanken zur Bevorratung dieser Papiere und Dollarreserven. Seit 1945 schien alles sehr einfach: die USA boten sich an, alle erzielten Überschüsse über den US-Wertpapierhandel und ihr Bankensystem gewissermaßen aufzusaugen und sicherzustellen.

Die USA fungierten als eine eigenständige Weltbank, die im Zahlungsverkehr innerhalb dieses Systems den Dollar vorschrieb. Somit wurde es politisch überaus einfach, politisch unbotmäßige Länder und Staaten durch Ausschluss aus diesem System zu disziplinieren. Diese Länder mussten, sofern sie Überschüsse erzielten und investieren mussten, andere, meist isolierte Wege gehen. Dies bringt gewaltige Nachteile mit sich, da die Rechnungsbeträge in anderen Währungen mühsam in US-Dollar konvertiert werden müssen, was kosten- und zeitaufwendig ist und nicht von jeder Bank bewerkstelligt werden kann.

Und an dieser Stelle muss über die Geschichte nachgedacht werden, da viele Wirtschaftler den Blick auf die Finanzmärkte fokussieren und allzu häufig politische Überlegungen übersehen. Nicht nur die BRICS-Mitgliedsstaaten, sondern alle Länder, die nur wenig wirtschaftliche Macht haben, begegnen der UN zunehmend misstrauisch. Sie haben den illegalen Angriffskrieg der USA auf Irak erlebt, dem die UN nichts entgegenstellen konnte und dessen Folgen sie unbeantwortet ließ.

Es folgte weder eine internationale Verurteilung, noch irgendeine Maßnahme gegen die USA. Desweiteren erlebt die Welt, dass weder die UN, noch die EU oder sonst irgendjemand ein geeignetes Mittel in der Hand hält, den Ukraine-Krieg oder das latente Fehlverhalten Israels gegen Palästina wirksam zu beeinflussen. International wächst das Gefühl, im Zweifel allein gelassen zu werden, da die UN sich außerstande sieht, irgendeinen Konflikt überzeugend lösen oder kriegerische Handlungen verhindern oder zum Stillstand zu können. Dem Generalsektretär Gueterres bleibt ein ums andere Mal nichts anderes übrig, als von seiner „Besorgnis“ zu sprechen und hilf- wie zumeist ergebnislos Dialoge mit Konfliktparteien zu führen. Weder im Falle Iran, noch im Falle Afghanistan wirkte eine UN entscheidend auf die Ereignisse ein.

Die Spirale dreht sich: schon heute wickelt Saudi-Arabien mit China bedeutende Geschäfte in Milliardenhöhe ohne Dollarzahlungen ab und die beiderseitigen Absichtserklärungen reichen noch erheblich weiter. Da werden von Saudi-Arabien ganze Fabrikkomplexe in China errichtet, ohne dass ein einziger US-Dollar flösse. Die Tendenz ist steigend. Gerade China und Russland sind beide maximal daran interessiert, hindernde Einflüsse seitens der USA aus dem Wege zu räumen und es gäbe dafür keinen besseren Weg, als eine Welt zu schaffen, in welcher der Dollar keine oder nur noch eine marginale Rolle spielt.

Nun werden die Märkte und Banken zunehmend nervös; politische und wirtschaftspolitische Analysten besprechen das Phänomen der „Entdollarisierung“, das seitens BRICS in Szene gesetzt werden könnte und den USA die Kontrolle über die globalen Finanzmärkte aus der Hand nähme.

BRICS scheint nicht bereit, die Vorherrschaft der USA über die Weltmärkte länger hinzunehmen und drängt auf eine Ausweitung seiner eigenen Allianz. Wie vermeldet wird, hat BRICS soeben die Aufnahme von Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien und Argentinien in seine Reihen beschlossen. Allein nur Saudi-Arabien erwirtschaftete in 2021 833 Milliarden Dollar BIP (Link). Ägypten trägt 404,1 Milliarden Dollar BIP bei. Die anderen Länder sind durch globalpolitische Erwägungen motiviert und erhoffen sich eine deutliche Erhöhung ihrer Produktivität durch erleichterte Zusammenarbeit und Unterstützung.

Auch wenn es eher unwahrscheinlich erscheint, dass die BRICS in absehbarer Zeit eine eigene Währung definiert und diese handelt, so ist es doch recht wahrscheinlich, dass sich die Mitglieder auf eine bisher isolierte, allerdings im Welthandel als sehr stabil erwiesene Währung wie etwa den japanischen Yen einigen könnten. Auch der Euro läge recht gut im Rennen.

Die jüngsten Maßnahmen westlicher Blöcke, die sich gezielt und konkret gegen die größten und mächtigsten Mitglieder von BRICS, nämlich Russland und China richten, wecken nicht erst seit kurzem Begehrlichkeiten, der Dominanz der USA ein neues Machtgefüge entgegenzustellen. Besonders China drängt auf eine führende Stellung und auf eine Ausweitung der Wirtschaftsmacht der BRICS. Allerdings ist nach Ansicht vieler Analysten vieles in der Strategie noch unklar; nicht jeder BRICS-Mitgliedsstaat sucht eine revolutionäre Umwälzung der Weltmärkte, sondern nach pragmatischen Lösungen außerhalb einer möglichen Erpressbarkeit durch die USA. Dennoch äußert China auf dem letzten Treffen der BRICS klar, unmissverständlich und öffentlich, dass eine neue Weltordnung jenseits der USA errichtet werden solle. Xi Jinping hat dies dort deutlich zur Sprache bringen lassen. (Link)

Westliche Analysten unterschätzen den politischen Antrieb der BRICS meiner persönlichen Meinung nach dramatisch; die Strategie dieses Bündnisses wird nicht nur in Geld gemessen, sondern hat auch eine nachhaltige Veränderung des internationalen Machtgefüges zum Ziel. Zweifellos werden die mächtigsten BRICS-Staaten wirksame Mittel zur Unterstützung ihrer weniger privilegierten Mitglieder aufwenden und dadurch deutlich an Attraktivität gewinnen. Es dürfte bereits nachdenklich machen, dass Saudi-Arabien eine Mitgliedschaft auslotet, denn weitere Ölförderländer könnten dem Beispiel folgen und die USA langfristig in eine prekäre Lage bringen.

Ob wir dies wollen oder nicht, wird die Welt in eine neue Ordnung steuern, die möglicherweise von den BRICS-Staaten dominiert werden könnte. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die USA ohne oder auch mit der EU ihre derzeitige Position auch nur annähernd wird halten können. Ganz Lateinamerika, heute noch von der US-Übermacht zurückgehalten, sucht Wege, daraus zu entkommen. Die afrikanischen, wie auch die asiatischen Staaten werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit in steigender Anzahl ebenfalls BRICS zuwenden.

Bedingt durch die zunehmenden Schwierigkeiten der USA wird der asiatische Raum gezwungen sein, sich mit China auseinanderzusetzen, dessen Einfluss und Bedeutung von Jahr zu Jahr nennenswert ansteigt.

Im Fazit bleibt zweifelsfrei festzustellen, dass die Weltordnung, wie wir sie heute noch kennen, nicht länger Bestand haben wird. Inwiefern sie durch Krisen und Kriege weiterhin aufrechterhalten werden oder ob ein unausweichlicher Wandel friedlich moderiert werden könnte, bleibt dem Verantwortungsbewusstsein der westlichen Führungen überlassen.

Wir müssen realisieren, dass die treibenden Faktoren nicht Ethik oder Menschenrechte, sondern Dollar und Macht sind. BRICS tritt nicht an, die Welt menschlicher zu machen und es ist fraglich, ob eine Besserung der Zustände für viele Völker der Erde einer faktischen Machtübernahme durch BRICS erfolgen könnte.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.


Zum Autor 
Michael Thomas ist Privatier, Fotograf, leidenschaftlich an Ägyptologie und Literatur interessiert, mit der er vor vielen Jahren als Autor regional einige Beachtung fand. Er verfolgt interessiert das Weltgeschehen durch Beobachtung internationaler Presse. Seinen Fokus legt er insbesondere auf die Palästinafrage und auf die islamische Welt.

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