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Gastbeitrag
Kommentar: Koranverbrennung ist keine Meinungsäußerung

Eine derartige Aktion trägt selbstverständlich keinesfalls zu einer nüchternen, womöglich progressiven Dialogführung bei und ist einseitig ausschließlich nur auf Hass und Gewalt ausgerichtet.

Der Koran (Symbolfoto: pixa)
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ein Gastbeitrag von Michael Thomas

Nun kann es passieren, dass mir der Lebensstil meines Nachbarn nicht zusagt. Vielleicht, weil er statt eines englischen Rasens ein buntes Blumenfeld im Vorgarten hat. Oder weil sein Auto größer und teurer als meines ist. Aber es wäre wohl nicht angebracht, wenn ich ihm deshalb an seiner Haustüre mitteilte, dass seine Mutter meiner Meinung nach der Prostitution nachginge und er das Ergebnis dieser Profession sei. Denn das wäre keine Meinung, das wäre eine Beleidigung.

Und so ist, wir wissen es ja alle, die Verbrennung eines Koran natürlich auch keine „Meinungsäußerung“, sondern nur eine dumm-aggressive Beleidigung. Eine derartige Aktion trägt selbstverständlich keinesfalls zu einer nüchternen, womöglich progressiven Dialogführung bei und ist einseitig ausschließlich nur auf Hass und Gewalt ausgerichtet. Diese Aktion will nichts anderes als die Gefühle von mehr als einer Milliarde Menschen auf der Welt verletzen. Sie will keinen Dialog, kein Gespräch, keine Annäherung und damit auch keinen Frieden. Im Gegenteil.

Die Reaktion der schwedischen Regierung, die bis heute aufgrund der vorangegangenen Aktion einer Koranverbrennung nicht die dringend gewünschte Mitgliedschaft in der NATO erreichen konnte, ist in ihrer Hilflosigkeit faszinierend. Sie zeigte sich außerstande, ihre Polizei- und Ordnungsbehörden davon abzuhalten, solche Aktionen zu genehmigen. Im Gegenteil war die jüngste Aktion ordnungsgemäß angemeldet und begleitet worden. Das bedeutet natürlich nichts anderes, als dass die schwedische Gesellschaft die aggressive Beleidigung von Werten, die sehr vielen Menschen auf der Welt sehr viel bedeuten und sehr nahe gehen, akzeptiert.

Wenn nun aber ein mehrheitlich und bekennend islamisch geprägtes Land Mitglied der NATO ist, kann diese Organisation Schweden nachvollziehbarerweise keine Mitgliedschaft gewähren. Das mindeste, was der Türkei als Reaktion auf die Koranverbrennung verbleibt, ist die Versagung des Beitritts.

Die Nachrichten aus der Welt sind voll von Wutausbrüchen, die der dummen Aktion des Irakers in Schweden gefolgt sind. Nationen, Länder und ganze Bündnisse bringen ihre Empörung zum Ausdruck. Es wird ein Bündel an Maßnahmen folgen; sicherlich wird es Importverbote für Güter aus Schweden, Ausweisungen von Botschaftern und Auflösung von Kooperationen und Verträgen hageln, so dass die Versagung der NATO-Mitgliedschaft beinahe als das kleinere der Übel wirkt, die folgen werden.

Die auch zu recht folgen werden. Denn jeder würde selbstverständlich großes Verständnis für meinen Nachbarn haben, wenn mir dieser aufgrund meiner „Meinung“ wütend die Tür vor der Nase zuknallte.

Solange jedoch der angeblich so „kultivierte“, „gebildete“ und „zivilisierte“ Teil der nichtislamischen Welt Wert darauf legt, dem gewaltigen Rest unter dem Tarnmantel einer „Meinung“ Beleidigungen zukommen lassen zu müssen, solange zeigt er, dass er all das Vorgenannte nicht für sich beanspruchen kann und nichts ist, als ein unzivilisierter, ungebildeter und unkultivierter Haufen von Menschen, die Spaß an der Verletzung anderer haben. Aber das ist ohnehin bereits der Eindruck der Welt, den diese vom Verhalten der westlich-industrialisierten und reichen Staaten längst gewonnen hat.

Die Koranverbrennung passt bestens ins Bild von Ländern, die angeblich „menschenrechtsbasierte“ Außenpolitik machen und dennoch buchstäblich „un-heimlich“ auffallend freundlich mit grausamen und brutalen Despotien verhandeln, um an Öl, Rohstoffe, Macht und Einfluss zu gelangen. Die Welt weiß längst, dass all diese Werte nichts wert sind, solange sie keinen Geldeswert besitzen, nicht in bare Münze umzuwandeln sind.

Also warum sollte man auf die Barbarei verzichten, Korane zu verbrennen? Wenn man zugunsten reichhaltiger Waffenverkäufe Kriege entzündet, Länder zu Geiseln nimmt und, im Falle Israels, ganz offen alle Menschenrechtsbrüche ignoriert, dann kann man den unzivilisierten und dumpf-aggressiven, eigenen Bürgern auch den Spaß gönnen, Werte anderer zu beleidigen.

Den Preis dafür zahlen ja, wie immer, andere

So mancher Schwede ging nach der Verbrennung zufrieden nach Hause, freute sich, es „denen da“ mal anständig gezeigt zu haben und wird selbst nie Ziel von Hass, Rache, Bomben und Krieg. Das ist nichts als verächtliche Schadenfreude, aber doch keine „Meinung“, schon gar keine schützenswerte.


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.

Zum Autor 
Michael Thomas ist Privatier, Fotograf, leidenschaftlich an Ägyptologie und Literatur interessiert, mit der er vor vielen Jahren als Autor regional einige Beachtung fand. Er verfolgt interessiert das Weltgeschehen durch Beobachtung internationaler Presse. Seinen Fokus legt er insbesondere auf die Palästinafrage und auf die islamische Welt.

 


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