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Skandal um Roter Halbmond
Türkei-Beben: Die Hysterie um den Roten Halbmond

Nach dem Erdbeben in der Türkei wird ständig eine Sau nach der anderen durchs Dorf getrieben. Diesmal erwischt es den türkischen Roten Halbmond.

(Foto: nex24)
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Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel

Nach dem Erdbeben in der Türkei wird ständig eine Sau nach der anderen durchs Dorf getrieben. Diesmal erwischt es den türkischen Roten Halbmond.

Die Wunden der Erdbeben in der Türkei vom 6. Februar sind noch nicht verheilt, da kratzen Oppositionsmedien an anderen Stellen weitere künstliche Wunden auf. Zuerst war es die ehrwürdige, erhabene türkische Armee, die laut kritischen Stimmen nach den Erdbeben aus den Kasernen zu spät ausgerückt und nicht in vollem Umfang eingesetzt worden sei. Die Kritik kommt unter anderem von jenen Kreisen, die bis dahin die Armee für heilig erklärten oder das Konterfei Atatürks vor sich hertragen.

Als diese Ente nicht verfing, weil nach Tagen erste Erklärungen von Soldaten und Offizieren laut wurden, Videoaufnahmen durchsickerten und die Todeszahlen der Soldaten bekannt wurden, richtete man den Fokus auf die relativ neue AFAD, dem türkischen Katastrophenschutz. Aber auch hier verblasste die Schelte recht schnell, weil die staatliche AFAD von ehrenamtlichen Helfern aus der gesamten Republik getragen wird und hervorragende Arbeit leistet. Die Ohrfeige galt somit der Mitte der Gesellschaft, weshalb diese Schelte nicht verfangen konnte.

Und jetzt wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben; von einem Musiker – ob gewollt oder nicht – losgetreten, der sich ehrenamtlich betätigt und dafür eine NGO gegründet hat. Man muss dem Mann zugutehalten, dass er bislang wirklich Hilfe vor Ort geleistet hat. Aber, diese Katastrophe ist auch für ihn eine Hausnummer zu groß, zu intensiv hat er seinen Namen vermarktet und wollte dem gerecht werden. Er ist auch ein wankelmütiger Charakter, der in diesen Zeiten nicht die richtigen Worte findet und immer wieder in Fettnäpfchen tritt; vor allem auf sozialen Netzwerken. Man kann ihm das verzeihen, aber die Frequenz, mit der er von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, wirkt geradezu grotesk.

So etwas greifen oppositionelle Medien natürlich gerne und schnell auf. Da heißt es dann, diese besagte NGO habe vom Roten Halbmond die Zelte gegen einen Betrag erwerben müssen. Zelte also, die man eigentlich hätte direkt in die von Erdbeben betroffenen Gebiete entsenden können, so der Vorwurf. Der Vorsitzende des Roten Halbmonds reagierte recht schnell und erklärte, die NGO habe Zelte von einem ihrer Schwesterorganisationen erworben, die eigentlich für internationale Hilfsorganisationen reserviert gewesen seien. Ferner zu einem Preis, der die Herstellungskosten deckt.

Man muss dazu wissen, dass auch der Rote Halbmond, wie alle anderen großen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, GmbHs unterhält, in der bestimmte Leistungen und Produkte entgeltlich angeboten werden. Das begründet sich in der Selbstfinanzierung dieser Hilfsorganisation, die keine staatlichen Subventionen erhalten – zumindest beim Roten Halbmond ist das so. Um den Fortbestand des Roten Halbmonds zu sichern, finanziert sich der Rote Halbmond also seit ihrer Gründung nicht nur mit Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Sondermarken, Markenverkauf, sondern auch durch Einnahmen von Schwesterorganisationen. Diese Schwesterorganisationen arbeiten ebenfalls gemeinnützig, weshalb deren Gewinnerträge wiederum an die Mutterorganisation fließen. Eine davon produziert seit 1954 Zelte und verkauft sie weltweit.

Diese Schwesterorganisation hat auch der NGO rund 2.000 Zelte, die eigentlich für eine internationale Hilfsorganisation erstellt wurden, zum Produktionspreis verkauft. Das heißt, man verschenkte es nicht, man verkaufte es aber auch nicht mit Gewinnabsicht. Wenn diese NGO die Zelte aber laut der Denke der Kritiker von der gemeinnützigen GmbH des Roten Halbmonds kostenlos zur Verfügung gestellt bekommt; der Platz und die Infrastruktur von der AFAD bereitgestellt wird; das Aufstellen der Zelte von anderen wie dem Militär oder der Gendarmerie vorgenommen wird, wozu ist dann diese NGO noch zu Nutze? Etwa Hilfen koordinieren, Spendengelder einsammeln und nichts ausgeben? Was haben dann die Spender oder die Hilfsbedürftigen davon, wenn es doch der Rote Halbmond auch und seit mehr als einem Jahrhundert tut und darin Übung hat?

Damit diese gemeinnützige GmbH arbeiten kann, um Näher und Näherinnen, Rohstoffe und Betriebsmittel zu bezahlen und Zelte herzustellen, darüber hinaus 365 Tage im Jahr zur Verfügung zu stehen hat; wie soll sie das bewerkstelligen, ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen?

Es geht also um etwas anderes; vornehmlich darum, wohin die Spenden fließen. Aus irgend einem unerfindlichem Grund meinen manche Kritiker, nicht dem Roten Halbmond spenden zu wollen, weil dort wie in anderen Institutionen krumme Dinge laufen würden. So jedenfalls der Vorwurf. Deshalb sind gerade diese Burschen so sauer, dass die NGO ausgerechnet beim „Roten Halbmond“ eingekauft hat. Diesen Fass hat aber der Vorsitzende der NGO selbst geöffnet, nach dem er zuvor großspurig erklärt hatte, alles selber machen zu wollen. Dass das dann doch eine Nummer zu groß für ihn war, leuchtete erst spät ein. Aber deshalb den Roten Halbmond erst ins Rampenlicht rücken und damit zur Zielscheibe machen, ist geradezu selbstmörderisch, und zwar für ihn selbst.

Nun rudert der Vorsitzende der NGO, der zuvor angeblich Aufklärungsarbeit leisten wollte, aber damit recht spät – nach dem er die Spenden fleißig eingeheimst hat – einen Fass eröffnet hat, wieder zurück und erklärt über soziale Medien, das habe alles doch seine Richtigkeit. Das nehmen ihm die kritischen Stimmen von Spendern aber nicht ab. Ein Teufelskreis.

Der Schaden ist also immens, der dabei angerichtet wurde. Es wird seit geraumer Zeit daran gearbeitet, staatliche Institutionen in Verruf zu bringen. Aber zu welchem Zweck, wenn doch diese Institutionen seit Jahrzehnten oder mehr als einem Jahrhundert existieren? Liegt es an der türkischen Regierung, auf dessen Kosten diese Institutionen in Verruf gebracht werden? Und wenn, wirkt sich das nicht auf die nächsten Regierungen aus, die diese Institutionen doch ebenfalls übernehmen bzw. auf diese angewiesen sind?

Fest steht, es gibt bestimmte Kreise, die derzeit nicht nur einen Vorsitzenden einer NGO instrumentalisieren und als Resonanzkörper missbrauchen, um das Volk zu beeinflussen, sondern auch ein Kreis von Medien, die dieses der Regierung ankreiden und damit polarisieren. Ein Teufelskreis, der inmitten einer großen Wunde und großen Schmerzen schwer zu durchbrechen ist. Geht es hier tatsächlich nur um Hilfe oder doch nur um eiskalte Politik?


Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.