Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel
Die türkische Regierung hat gute Gründe, bei der gemeinsamen nationalen und internationalen Terrorismusprävention sowie Terrorismusbekämpfung mit Deutschland, Berlin kein Bewegungsspielraum mehr im eigenen Land zu bieten.
Ein türkischer Staatsbürger soll in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung (FETÖ) und der völkisch-kurdischen Terrororganisation PKK ausgespäht haben, berichtet die DPA unter Berufung auf die Bundesanwaltschaft. Die Anklage wirft dem Mann vor, für türkische Nachrichtendienste gearbeitet zu haben.
Der Prozess gegen den Türken soll am Oberlandesgericht Düsseldorf stattfinden. Die Ermittlungen hätten bislang ergeben, dass der Mann für türkische Nachrichtendienste Informationen zu drei deutschen Staatsangehörigen übermittelt habe. Über weitere drei Personen habe der Mann demzufolge Informationen gesammelt.
Die PKK wird von der Bundesregierung und damit von der Bundesanwaltschaft als Terrorvereinigung eingestuft. Die FETÖ hingegen nicht. Bis auf diese Tatsache, dass die Bundesregierung wie auch europäische Staaten die PKK als Terrororganisation eingestuft haben, gibt es keine weitere Gemeinsamkeit bei der Prävention und Bekämpfung der Terrororganisation PKK.
Dafür dürfen sich deutsche Nachrichtendienste über den Informationsfluss türkischer Nachrichtendienste und Sicherheitskreise zu „islamistischen“ Terrororganisationen freuen. Schließlich ist die Türkei nahe am Schmelztiegel zahlreicher Konfliktherde, gewährt höchstwahrscheinlich auch deutschen Nachrichtendiensten, den Dienst fürs Vaterland innerhalb türkischer Grenzen zu verrichten. Diese Informationen aus der Türkei dienen dann deutschen Sicherheitskreisen als Basis, die Ermittlungen gegen Personen in Deutschland zu vertiefen und bei erhärtetem Verdacht in Gewahrsam zu nehmen oder in Rechenschaft zu ziehen.
In Deutschland hat sich aber in der Politik wie Gesellschaft die Unsitte etabliert, zwischen Terroristen und Separatisten Unterschiede auszumachen. Es gibt demnach Terroristen und Separatisten, die gut sind, weil sie ihre Rechte verteidigen und schlechte, die ihr Recht ergreifen. Sprich, es gibt Separatisten in der Ukraine, die entgegen dem Völkerrecht zwei Volksrepubliken ausgerufen haben, die dann auch von Russland anerkannt wurde; das sind schlechte Separatisten, ganz schlimme Burschen, die bekämpft gehören, ja sogar mit schweren deutschen Waffen.
Und es gibt Separatisten in Nordsyrien, die entgegen dem Völkerrecht Autonomie ausgerufen haben, die von keinem Land der Welt anerkannt sind, aber Stellvertreter in europäische Hauptstädte entsenden oder Vertreter von „Verbündeten“ selbst empfangen können, um nach Waffen zu betteln, was sie auch teils erhalten. Ja sogar Politbüros dürfen diese „guten“ Separatisten in diesen „Verbündeten“ Staaten betreiben. Ganz offiziell, versteht sich.
Hingegen werden seit Jahren Personen, die ihre Pflicht als türkischer Staatsbürger wahrnehmen oder gar für türkische Nachrichtendienste arbeiten, im flagranti erwischt und in medialer Begleitung vor Gericht gezerrt. Nicht einmal mehr Wahlempfehlungen will man aus der Türkei dulden, droht imaginären symbolhaften Fabeltieren – sogenannte Graue Wölfe – mit Verbot und will die Vielfalt innerhalb der Türken in eine mausgraue Einfalt zurechtstutzen.
Terrorismusbekämpfung: Türkei sollte Zusammenarbeit mit Deutschland überdenken
Aber zurück zur nationalen und internationalen Terrorismusprävention und Terrorismusbekämpfung. Wenn man diese deutsche Eigenart vor Augen hält, wäre es in etwa so, wie wenn die türkischen Sicherheitskreise einen deutschen Staatsbürger festnehmen, der Informationen zu Personen und Kreisen innerhalb des Spektrums des IS (Islamischer Staat) sammelt und diese an deutsche Nachrichtendienste weitergibt.
Schon allein die Tatsache, dass ein mutmaßlicher türkischer „Spion“ in Deutschland festgenommen und öffentlichkeitswirksam vor Gericht gezerrt wird, spricht Bände. Es geht ja schließlich nicht darum, dass der Mann Personen observiert hat, die in Zusammenhang mit Terrororganisationen stehen. Es geht nur darum, dass er über „deutsche Staatsbürger“ Informationen gesammelt und weitergereicht hat.
Das wirft die Frage auf, ob Deutschland generell keinerlei Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste zulässt, was ja abwegig erscheint. Schließlich haben „befreundete“ Staaten nicht nur ihre Lauscherchen nach Berlin ausgerichtet, sondern sind auch personell überaus aktiv im Bundesgebiet tätig.
Dann aber kommen wir unweigerlich zur nächsten logischen Schlussfolgerung: dass der Mann weder offiziell noch inoffiziell für türkische Nachrichtendienste tätig war. Vielmehr aus eigenem Antrieb heraus seinen Pflichten als Staatsbürger nachkam, und sogar weit darüber hinaus ging – solche Fälle soll es ja auch geben! Was die Ermittlungsergebnisse letztendlich ergeben, werden wir spätestens mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf erfahren.
Schon einmal endete so eine mediale vorgelebte Jurisprudenz in einem mageren Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz. Der Prozess gegen drei türkische Angeklagte wurde gegen Geldauflagen und Weisungen vorläufig eingestellt. Offensichtlich reichte es doch nicht, die Männer wegen Spionage medial vorzuführen. Ging es da eigentlich nur darum, die türkische Regierung in Misskredit zu bringen? Deren Interessen zu beschneiden?
Die türkische Regierung lebt derzeit eine selbstbewusste Außenpolitik, zu der auch ein klarer Ton gehört. Dazu gehört, dass man die Zusammenarbeit mit solchen „Verbündeten“ überdenkt, die nicht dieselben Ziele verfolgen oder von gemeinsamer Arbeit nicht viel halten und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Dann muss Ankara aber klar und deutlich sagen, dass man in der Prävention oder Bekämpfung von Terrorismus die Informationen für sich selbst behält. Und, Spionage deutscher Nachrichtendienste in der Türkei nicht dulden wird, die selbst Spionage türkischer Nachrichtendienste verhindern.
Schließlich ist das, was mit diesem Prozess in Düsseldorf angestoßen wird, nicht nur ein Akt der Unfreundlichkeit gegen die Türkei, sondern ein deutliches Signal an Ankara, sich von Deutschland fernzuhalten. Die Türkei muss entsprechend konsequent klarstellen, was sie ihrerseits nicht dulden wird: Spionage auf türkischen Boden. Es ist ein Schritt, der zumindest nachvollziehbar ist. Rücksicht auf Einwände aus Ankara wurden ja in Berlin bislang auch kaum genommen, weshalb dieser Schritt längst fällig ist.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar
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