NEX24 sprach mit dem Vorsitzenden der Türkischen Union von Xanthi (İskeçe), Ozan Ahmetoğlu über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen der Durchführung einer Demonstration im Sommer letzten Jahres, bei dem sich die Teilnehmer für die Rechte der Westthrakien-Türken eingesetzt hatten.
Zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Türkischen Union von Xanthi (İskeçe) klicke hier.
NEX24: Herr Ahmetoğlu, am Mittwoch haben Sie von der griechischen Polizei in İskeçe eine Vorladung zu einer Vernehmung erhalten. Was wird Ihnen vorgeworfen?
Ozan Ahmetoğlu: Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben wir nach der Entscheidung des Obersten Kassationsgerichts Griechenlands im Juli letzten Jahren eine Kundgebung durchgeführt. Unsere Demonstration richtete sich gegen die Entscheidung des Kassationsgerichts, denn unsere Klage wurde nach langer Dauer schließlich am 30. Juni 2021 leider zuungunsten der Türkischen Union von İskeçe (İTB) entschieden.
Damit wurden Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und die auch die Appelle des Europäischen Rats bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. Wegen des Urteils des Kassationsgerichts hatten wir am 10. Juli 2021 eine Kundgebung durchgeführt, also vor sieben Monaten.
Unter Berufung auf zwei regionale griechische Zeitungsberichte hat die Staatsanwaltschaft von İskeçe im Zusammenhang mit der Kundgebung vom letzten Jahr Ermittlungen eingeleitet.
Im Ermittlungsbericht wird behauptet, dass Teilnehmer während der Demonstration provozierende Reden gegen den griechischen Staat und das Kassationsgericht gehalten hätten. Darüber hinaus wird der Vorwurf der Verbreitung von Falschinformationen erhoben, ein Begriff, der in Griechenland existiert. Ferner wird den Versammlungsteilnehmern vorgeworfen, gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen zu haben, bei dem sie keine medizinischen Masken getragen hätten.
Als Organisator der Versammlung bzw. als Vorsitzender der Türkischen Union von İskeçe bin ich gestern im Beisein meines Rechtsanwalts zur Polizei gegangen, um eine Aussage zu tätigen. Wir baten um eine Frist, damit wir zu den Vorwürfen eine schriftliche Stellungnahme abgeben können.
NEX24: Wissen Sie, ob gegen andere Vertreter der Westthrakien-Türken auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde?
Ozan Ahmetoğlu: Ich möchte hervorheben, dass die Anklagebehörde zwei gewählten Bürgermeistern der Minderheit, also zwei türkischen Bürgermeistern; der eine ist Bürgermeister in Kozlubekir und der andere von Yassıköy.
Zwei gewählten Muftis, also den gewählten Mufti von Gümülcine [Komotini], İbrahim Şerif und den gewählten Mufti von İskeçe [Xanthi], Ahmet Mete. Zwei Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Mustafçova sowie einem Stadtverordneten und weiteren Vertretern der Minderheit vorwirft, gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen zu haben. Die Staatsanwaltschaft führt gegen den von mir erwähnten Personenkreis ein Ermittlungsverfahren durch und will diese anhören. Die Behörde hat sich, denke ich, Fotos von der Demonstration angesehen.
NEX24: Was könnte der Grund für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sein?
Ozan Ahmetoğlu: Wir als Türkischen Union von İskeçe betrachten das Vorgehen gegen die durchgeführte Versammlung als Akt gegen einen demokratischen Protest. Es ist Bestandteil einer Einschüchterungs- und Obstruktionspolitik, vor allem eine Einschüchterungspolitik gegen die Westthrakien-Türken, die sich für ihre Rechte einsetzen und dafür kämpfen.
Wir haben von unserem demokratischen Recht Gebrauch gemacht und haben eine Demonstration durchgeführt. Die Anträge für die Versammlung und die Genehmigung können eingesehen werden. Wir haben von unserem legalen Recht Gebrauch gemacht. Es ist außerdem bekannt, dass in Griechenland fast jeden Tag Demonstrationen stattfinden.
Bei einem Teil dieser Demonstrationen kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die Westthrakien-Türken haben mit Gewalt nicht im Entferntesten etwas zu tun und die türkische Community in Westthrakien ist nicht dafür bekannt, jeden Tag eine Demonstration oder Kundgebung zu organisieren. Wir setzen uns dafür ein, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt werden und der Rechtsstatus unseres Vereins wieder zugelassen wird.
Des weiteren Griechenland sich hinsichtlich der Minderheitenrechte an internationales Recht hält und dazu verpflichtet ist, daran erinnern wir. Überdies sollte die Unterschlagung unserer Rechte beendet werden. Das war eine demokratische Kundgebung und wir sehen, dass gegen diese Demonstration Ermittlungen eingeleitet wurden.
Als Schlusswort möchte ich Folgendes verlautbaren. All das ist im Namen der Demokratie, im Namen der Menschenrechte und im Namen des Respekts gegenüber den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine traurige und bedauernswerte Entwicklung. Es ist weit entfernt von einem demokratischen Feingefühl und ich hoffe, dass das ein Ende findet. Die Türken in Westthrakien haben nichts anderes getan, als für ihre demokratischen Rechte einzutreten. Ich wünsche mir die Beendigung einer Politik, die sich gegen unsere Rechte richtet.
NEX24: Wir danken für das Gespräch!
Das Interview führte Kemal Bölge