Start Panorama Bergkarabach-Konflikt Deutsch-Aserbaidschaner fordern vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ Beweise

Bergkarabach-Konflikt
Deutsch-Aserbaidschaner fordern vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ Beweise

Seit dem 27. September tobt im Südkaukasus erneut ein Krieg. Immer mehr Deutsch-aserbaidschaner kritisieren die aus ihrer Sicht einseitige und fehlerhafte Berichterstattung der deutschen Medien über den Konflikt. Aufgrund ihres muslimischen Glaubens stelle man sie als den Aggressor und die Armenier stets als Opfer dar.

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Seit dem 27. September tobt im Südkaukasus erneut ein Krieg. Immer mehr Deutsch-Aserbaidschaner kritisieren die aus ihrer Sicht einseitige und fehlerhafte Berichterstattung der deutschen Medien über den Konflikt. Aufgrund ihres muslimischen Glaubens stelle man sie als den Aggressor und die Armenier stets als Opfer dar. Bei dem Krieg handele es sich nicht um einen religiösen Konflikt.

„Die hiesigen Medien stellen Aserbaidschan als Invasoren und Aggressor, und die Armenier stets als Opfer dar. Dabei ist Bergkarabach Teil Aserbaidschans. Wie können wir Invasoren unseres eigenen Landes sein?“, kritisiert Aslan Mammedov, der seit 30 Jahren in Dortmund lebt, die Berichterstattung der deutschen Medien.

„Seit dem ersten Tag der Auseinandersetzung verfolge ich achtsam die deutschen Medien, um deren Berichterstattung zu beurteilen. Die ersten Tage war dies aus meiner Sicht zum großen Teil ausgewogen. In den letzten Tagen wurde ich hingegen sehr enttäuscht“, so Asif Masimov, Doktorand im Fach Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Der aserbaidschanische Verein IRKAZ e.V. aus Köln fordert in einem offenen Brief das Nachrichtenmagazin Spiegel auf, Beweise für einen Artikel vorzulegen. In einem Beitrag vom 31.10.2020 behaupten die Spiegel-Redakteure Daham Alasaad, Guillaume Perrier und Christoph Reuter, dass die Türkei „Tausende syrische Söldner“ bezahlt habe, damit diese in der Bergkarabach-Region gegen Armenien kämpfen. Die aserbaidschanische Regierung hat diese Vorwürfe mehrmals dementiert. Die sogenannten „Dschihadisten“ aus Syrien seien Sunniten und sehen die schiitischen Aserbaidschaner als „Ungläubige“ an, so Baku. Sie würden niemals auf ihrer Seite gegen Armenien kämpfen.

Hier der Brief im Wortlaut:

Liebe Spiegel-Redaktion,

Die seit mehreren Wochen andauernde unerträgliche Hetze und infame Verleumdungskampagne einiger ihrer Journalisten*innen gegen die Türkei und Aserbaidschan nehmen langsam aber sicher absurde Züge an und das trotz unzähliger Aufrufe von uns, die Geschehnisse rund um das Thema Bergkarabach sachlich, neutral und objektiv darzustellen.

Der aktuellste (und dazu noch kostenpflichte) Beitrag von Daham Alasaad, Guillaume Perrier und Christoph Reuter mit dem Titel „Ich kann euch gleich hier erschießen“ übertrifft in diesem Zusammenhang jegliche Grenzen einer journalistischen Berichterstattung. Allein die Titelauswahl zeigt, an welchem Tiefpunkt der deutsche Qualitätsjournalismus im Jahr 2020 angelangt ist.

Was die 220.000 starke aserbaidschanische Gemeinde Deutschlands in diesen Tagen und Wochen so heftig stört, sind nicht nur kühne Erfindungen und Verdrehung von Realitäten durch deutsche Journalisten, sondern auch deren präzedenzlose Voreingenommenheit. Ganz im Sinne der armenischen Kriegspropaganda werden von Anbeginn ununterbrochen konstruierte und lächerliche Geschichten über einen angeblichen Einsatz syrischer Söldner in Bergkarabach rauf- und runtergespielt.

Als aserbaidschanische Seite vor dem Hintergrund fehlender Beweismaterialen sämtliche Vorwürfe von sich wies, greifen Spiegel-Journalisten nun zu einer neuen Masche: Sie basteln ein irrsinniges und komplett abstruses Narrativ, wobei ein gewisser „Tareq“ über seine Erfahrungen in Bergkarabach erzählt. Ihm und seinen Mitkämpfern soll die Türkei für ihre Dienste angeblich 2000 Dollar versprochen haben.

Hiermit wenden wir uns an die Autoren dieser Fantasy-Story, mit der Aufforderung, uns konkrete Beweisstücke vorzulegen. Unter anderem verlangen wir die Beantwortung folgender Fragen:

  •        Wer ist dieser Tareq? Aus welcher Stadt Syriens stammt er?
  • Wo genau (Stadt, Provinz, Dorf o.Ä.) in Bergkarabach wurde er eingesetzt?
  • Warum musste er zurück?
  • Wie konnte er zurückkehren, wenn die anderen Komplizen getötet wurden?
  • Gibt es Bilder oder Videobelege, die seine Teilnahme und die von anderen „Söldnern“ bestätigen?
  • Gibt es irgendwie die Möglichkeit (per Skype, Zoom oder telefonisch) mit ihm ins Gespräch zu
    kommen? Vielleicht kann er auch mit uns seine „Eindrücke“ teilen.

Wir hatten bereits in unseren vorherigen Schreiben wiederholt klargestellt, dass Aserbaidschan über 100.000 aktive und gut ausgebildete Militärs hat. Dazu kommen fast 300.000 Reservisten. Das Land hat jahrelang massiv in den Ausbau seiner militärischen Kapazitäten investiert.

Eine solche Armee, die über modernes Kriegsgerät russischer, türkischer, israelischer und amerikanischer Produktion verfügt, soll auf den Einsatz von 800 bis 4000 syrischen Terroristen angewiesen sein? Das, was hinter ihrer Intention steht, ist nichts anderes, als die Ruinierung des Ansehens der Türkei und Aserbaidschan in den Augen der deutschen Öffentlichkeit.

Wo bleibt in Ihren “Recherchen” das moralische und journalistische Gleichgewicht, das Prinzip, sich nicht von vorneherein auf eine Seite zu stellen, sondern die Details auf allen Seiten nach denselben Standards zu beurteilen? Es gibt bestätigte Angaben über die Beteiligung von Hunderten kurdischen PKK-Kämpfern sowie von armenischstämmigen Kombattanten aus Syrien und dem Libanon. Sind Sie auch daran interessiert? Selbstverständlich nicht! Für Sie, liebe Autoren, und ihre heuchlerische Redaktion ist dies „verständlicherweise“ ein belangloses Thema.

Oder sagen ihnen die gezielten Raketenangriffe Armeniens auf dicht besiedelte Städte und Dörfer Aserbaidschans außerhalb der Konfliktzone was? Um ihr Gedächtnis zu erfrischen: In den letzten drei Wochen wurde die zweitgrößte Stadt Aserbaidschans Ganja mit ihren 350.000 Einwohnern insgesamt dreimal mit ballistischen Raketen (SS-21 Scarab) aus dem Kernland Armeniens beschossen.

Auch die weit von der Frontlinie gelegene Stadt Barda wurde am 27. und 28. Oktober mit russischen Smertsch-Raketen angegriffen. Beim zweiten Angriff kamen laut HRW und Amnesty International sogar die international geächteten Streubomben zum Einsatz. Seit Kriegsbeginn wurden allein auf aserbaidschanischer Seite 91 zivile Tote gemeldet. Sie alle lebten außerhalb des Konfliktgebiets und hatten mit eigentlichem Kriegsgeschehen nichts zu tun. Aserbaidschan hat die meisten zivilen Todesopfer der jüngsten Zusammenstöße zu beklagen.

Hingegen wurden bisher kein einziges Dorf, keine einzige Provinz oder Großstadt im Kernland Armeniens von aserbaidschanischen Raketen getroffen. Die Führung Aserbaidschans hat mehrmals betont, keine militärischen Ziele in Armenien zu verfolgen. Man kämpft auf seinen international anerkannten Gebieten, um die territoriale Integrität wiederherzustellen und die Rückkehr von 800.000 aserbaidschanischen Flüchtlingen in ihre Heimatorte zu ermöglichen.

Doch Journalisten in der Spiegel-Redaktion werden über all das nicht berichten. Wissen Sie warum? Weil Sie keine Ehre und Würde haben. Weil Sie im Inneren tiefen Hass gegenüber Türken und Aserbaidschanern empfinden, auch wenn Sie es nicht offen zugeben. Weil für Sie das Leben der “armen, christlichen” Armenier einen größeren Wert hat, als das von “aggressiven” Aserbaidschanern. Die Ende September ausgebrochenen Kämpfe in Bergkarabach haben das hässliche Gesicht der deutschen Medienlandschaft und Politik in aller Deutlichkeit offengelegt. Diese medial-politische Hetze, Ausgrenzung und Diskriminierung werden nie vergessen.

Zum Schluss: Wir erwarten anhand der oben aufgeführten Fragen eine baldige und glaubwürdige Stellungnahme von drei Autoren zu den Vorwürfen, die diese in der angesprochenen Hetzschrift erhoben haben. Hoffentlich sind Daham Alasaad, Guillaume Perrier und Christoph Reuter in der Lage, hinter jeder Äußerung, die in diesem Artikel getätigt wurden, zu stehen und diese zu wahrhaft zu belegen. Sollten Sie sich jedoch zeitnah nicht melden, behalten wir uns das Recht vor, weitere notwendige Maßnahmen gegen die gezielte Verbreitung von Lügen- und Hasspropaganda gegen Türken und Aserbaidschaner auf Spiegel.de zu unternehmen. Eines können wir ihnen sicher versprechen: Die Spiegel-Chefredaktion und die genannten Autoren persönlich werden keine Ruhe haben, bis die Sache nicht abgeklärt ist.

Grüße
Vorstand des IRKAZ e.V.
Große Budengasse 17-25
50667 Köln


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.


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