Ein Leserbrief von Asif Masimov (Politikwissenschaftler MA) an das Nachrichtenmagazin „der Spiegel“
Liebe Redaktion von der Zeitschrift „der Spiegel“ und lieber Herr Esch,
hiermit nehme ich Bezug auf den Artikel – „Die Welt hat einen neuen Krieg. Im Konflikt um Bergkarabach sieht sich Armenien nicht nur von Aserbaidschan angegriffen, sondern auch von der Türkei“ – von Herrn Christian Esch, welcher in der Ausgabe Nr. 42/10.10.2020 auf der Seite 98 erschienen ist.
Als ich den Artikel von Herrn Esch las, war ich kaum überrascht, denn die Berichterstattung ist in Deutschland in Bezug auf den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach einseitig, pro-armenisch und manchmal beinahe phantasievoll. Da die Zeitschrift „Der Spiegel“ zu den bekanntesten und seriösesten Zeitschriften Deutschlands gehört, war ich sehr enttäuscht. Falls solche Erfinder wie Christian Esch als Journalisten für die Spiegel-Redaktion arbeiten dürfen, was kann ich dann noch von anderen Redaktionen erwarten?
Im Weiteren möchte ich den Artikel von Herrn Esch analysieren und einige Fragen stellen.
In diesem Artikel wird Bezug auf den Genozid an den Armeniern genommen, obwohl diese Thematik mit dem heutigen Konflikt gar nichts zu tun hat. Wenn aber in diesem Zusammenhang der Völkermord angesprochen wird, warum wird die Tragödie von Chodschali im Jahre 1992, infolgedessen armenische Streitkräfte 613 aserbaidschanische Zivilisten massakriert haben, nicht erwähnt? Es mag sein, dass Herr Esch der Wert eines Aserbaidschaners nicht in Relation sieht.
Herr Esch – wie viele weitere, deutsche Journalisten – erwähnt gerne, dass die Region Bergkarabach mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Nun möchte ich gerne einige Fakten enthüllen.
Laut armenischer Statistik zählt die Zahl der armenischen Bevölkerung in der Region Bergkarabach 145.000 Personen. Einige Quellen sprechen sogar von bis zu 130.000 Armenier. Herr Esch ist vielleicht nicht informiert, oder aber er möchte die Tatsache nicht erwähnen, dass die aserbaidschanische Gemeinde Berg-Karabachs, deren Zahl mittlerweile bei 86.000 liegt, bereits in den 90-er Jahren durch armenische Streitkräften vertrieben wurden.
Herr Esch ist wahrscheinlich nicht vertraut mit der weiteren Tatsache, dass die von den Armeniern besetzte Region aus Berg-Karabach und Talkarabach besteht. D.h. also, armenische Streitkräften haben nicht nur Berg-Karabach, sondern auch sieben Bezirke Aserbaidschans in Talkarabach besetzt. Die aserbaidschanische Bevölkerung des Talkarabachs, deren Zahl bereits ca. 1 Mio. ausmacht, wurde ebenso in 90-er Jahren durch armenischen Besatzungstruppen vertrieben. Die Region Berg-Karabach ist fast doppelt so klein, wie die besetzten sieben Provinzen von Talkarabach.
Herr Esch schreibt in seinem Artikel, dass Ilham Alijew auf Zivilisten keine Rücksicht nimmt, da Bergkarabach und Stepanakert beschossen werden. Herrn Esch interessiert wahrscheinlich auch nicht, dass während dieser Gefechte Aserbaidschan innerhalb der Kampfzone auf eigenem Territorium blieb, Armenien hingegen sowohl aus Armenien als auch aus den besetzten Gebieten die aserbaidschanische Zivilbevölkerung in den Städten Gandscha, Baku, Mingatschewir, Agdam, Barda, Terter usw. mit den ballistischen Raketen in der Mitternacht bombardiert hat. Infolge dieser Angriffe sind bereits über 60 aserbaidschanische Zivilisten ums Leben gekommen.
Herr Esch, ist ein einziger armenischer Zivilist auf dem armenischen Territorium ums Leben gekommen? Ich möchte noch auf eine Aussage des Beraters des armenischen Premierministers Nikol Paschinjan Vagharshak Harutyunyan aufmerksam machen, in welchem dieser in der Sendung eines russischen Fernsehsenders offen zugab, dass Armenien zielgerichtet friedliche Städte Aserbaidschans beschießen wird, um die aserbaidschanische Bevölkerung in Panik zu versetzen.
Herr Esch behaupten, dass „die Türkei mindestens tausend syrische Rebellen als Kämpfer gegen Armenien angeworben hat“. Haben sie wesentliche Fakten oder einfach diese Information von anderen Quellen, die diese selbst nicht bestätigt haben, kopiert?
Weiter geht es in dem Artikel:
„Und so sieht sich das kleine Armenien mit seinen drei Millionen Einwohnern derzeit von einer doppelten Übermacht angegriffen“.
Lieber Herr Esch, dieses harmloses Armenien besetzt nun schon seit fast 30 Jahren völkerrechtswidrig aserbaidschanisches Territorium. Ich weiß, dass Sie Aserbaidschaner wahrscheinlich als Unmenschen betrachten, dennoch haben über 1 Mio. Aserbaidschaner das Recht, auf eigenem Territorium zu leben. Aserbaidschan führt seit 26 Jahren Verhandlungen über die OSZE Minsker Gruppe. Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan schließt bei allen Reden vor seinem Volk die Möglichkeit einer Rückgabe nicht nur Bergkarabachs, sondern auch der sieben unumstrittene aserbaidschanischen Provinzen. Wer ist nun kein Friedensstifter aus Ihrer Perspektive? Natürlich Aserbaidschaner, weil Aserbaidschaner mehrheitlich Muslime sind, weil sie der Türkei kulturell nahe sind.
Lieber Herr Esch, falls das Ziel Ihres Artikels die deutliche Kritik der Türkei war, dann liegen Sie an dieser Stelle deutlich daneben. Bei dem Konflikt unterstützt die Türkei lediglich das Völkerrecht, während Sie einen Besatzer rechtfertigen. Falls Sie einen generellen Wissensmangel bezüglich dieser Region haben, kann ich Sie gerne kostenlos beraten.
Mit freundlichen Grüßen
Asif Masimov
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
Auch interessant
– Bergkarabach-Konflikt –
Mesut Özil: Bergkarabach gehört zu Aserbaidschan
Der deutsche Weltmeister von 2014 hat sich in einem Tweet zu den Konflikten um die Kaukasusregion Berg-Karabach geäußert.