Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge –
kboelge@web.de
Ich hatte in meinem Beitrag vom 28. April über Manipulationen der armenischen Diaspora geschrieben und unter anderem auch über die „Andonian Papers“ berichtet, die bis 1983 von den Verfechtern der „armenischen Genozidthese“ als Beweis einer Vernichtungsabsicht verwendet wurde.
Şinasi Orel und Süreyya Yuca, zwei türkische Wissenschaftler, untersuchten die vom Armenier Aram Andonian 1919 veröffentlichten „Papers“. Sie fanden heraus, dass es sich bei den vermeintlichen Telegrammen, die dem damaligen osmanischen Innenminister Talat Pascha zugeschrieben wurden, um plumpe Fälschungen handelt. Bevor ich erläutere, wie das Forscherteam die Dokumente überprüft hat, möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen interessanten Aspekt hinweisen. Während des Ersten Weltkriegs wurde in Ländern wie Großbritannien, Deutschland, Frankreich und anderen Staaten Kriegspropaganda betrieben.
Das Ziel von Kriegspropaganda ist vielfältig, denn die Medien spielen darin eine große Rolle, auch wenn es mit unseren heutigen Maßstäben nicht vergleichbar ist. Zum besseren Verständnis: Frankreich, Großbritannien und später die Vereinigten Staaten waren Kriegsgegner Deutschlands während des Ersten Weltkriegs. So wurde in diesen Staaten durch die betriebene Propaganda eine regelrechte antideutsche Stimmung erzeugt.
In Großbritannien wurde im Wellington House ein „War Propaganda Bureau“ eingerichtet, aber die Existenz eines solchen Büros wurde geheim gehalten. So gab es immer wieder Berichte über deutsche Gräueltaten in Belgien. Es soll hier aber nicht der Eindruck erweckt werden, dass deutsche Truppen keine Massaker begangen haben. Das Massaker von Dinant/Belgien sei hier als Beispiel genannt. Vielmehr geht es um die Instrumentalisierung für die Kriegspropaganda, denn die Presse, Populärliteratur, Postkarten, aber auch Karikaturen bedienten das Bild des „deutschen Barbaren“, der sich an unschuldigen Frauen vergreift. Der gerade erwähnte Fall von Propaganda ließe sich fortführen, allerdings sollte das kurz als Erklärung angerissen werden.
In der Geschichtswissenschaft ist das Thema der Kriegspropaganda während des Ersten Weltkriegs gegenüber Deutschland weitgehend aufgearbeitet und derartige Publikationen werden nicht als seriöse Quellen herangezogen. Das lässt sich in Bezug auf das Osmanische Reich leider nicht sagen, denn das britische „War Propaganda Bureau“ ließ massenweise Publikationen über angebliche türkische Massaker an Armeniern veröffentlichen. Hier einige Titel, die eindeutig als Kriegspropaganda einzustufen sind. Von Arnold J. Toynbee (1915) Armenian atrocities: the murder of a nation, Viscount Bryce (1916) The treatment of Armenians in the Ottoman Empire. Es handelt sich um die berühmte Propagandaschrift „Blue Book“.
Für Leser, die die historischen Hintergründe der damaligen Zeit nicht kennen:
Das Deutsche Reich war mit Österreich-Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich verbündet. Also Großbritannien war Kriegsgegner des Osmanischen Reiches und die Armenier bzw. die armenischen Milizen wurden unter anderem von Großbritannien, Frankreich und Russland unterstützt.
Das dritte Buch ist von A.P. Jacowbean und James Bryce (1917) Armenia and the War. Alle diese Bücher erschienen damals beim gleichen Verlag: Hodder and Stoughton, der noch heute existiert. Wie bereits erwähnt publizierte Aram Andonian 1919 seine „Andonian Papers“, aber relevant dabei ist in welchem Verlagshaus er das tat: Bei Hodder and Stoughton. Der Verlag, der damals Kriegspropagandaschriften im Auftrag des britischen Kriegspropagandabüros veröffentlichte.
Die Bücher, die ich genannt habe, werden noch heute als seriöse Quellen seitens der armenischen Diaspora und ihrer akademischen Unterstützer aufgelistet. Man muss sich das kurz vergegenwärtigen. Kriegspropagandapublikationen, die während des Ersten Weltkriegs über die Kriegsgegner erschienen sind, das Beispiel Deutschland habe ich erwähnt, sind weitgehend aufgearbeitet, aber beim Osmanischen Reich ist das nicht der Fall und es wird noch immer so getan, als ob es sich bei diesen Schriften um Faktenerzählungen handelt, obwohl der propagandistische Zweck offensichtlich war und ist.
Jetzt komme ich wieder auf die beiden Wissenschaftler Şinasi Orel und Süreyya Yuca zurück, die 1983 ihre Ergebnisse über die „Andonian-Papers“ der Öffentlichkeit präsentierten und als Buch The Talat Pasha Telegrams – Historical fact or Armenian fiction? veröffentlichten. Orel und Yuca fanden neben zahlreichen Unstimmigkeiten vor allem die falsche Datierung der Dokumente als entscheidend. Ich will es für Laien mit einfachen Worten erklären.
Der osmanische Kalender (Rumi-Kalender) weist gegenüber dem gregorianischen Kalender einen Unterschied von 584 Jahren und 13 Tagen auf. Wer beispielsweise vom osmanischen Kalender auf den gregorianischen Kalender umrechnet, muss die Differenz hinzuaddieren. Es gibt aber noch einen weiteren Faktor, der unbedingt beachtet werden muss. Der Jahresanfang beim Rumi-Kalender beginnt nicht wie beim gregorianischen Kalender am 01. Januar, sondern am 01. März. Die letzten zwei Monate des Jahres sind beim osmanischen Kalender nicht der November und Dezember, sondern der Januar und Februar. Es sei hier noch erwähnt, dass die Differenz von 13 Tagen 1917 durch ein Gesetz abgeschafft wurde und der Jahresanfang vom 01. März auf den 01. Januar vorverlegt wurde.
Die „Andonian-Dokumente“ wurden mit dem Ziel veröffentlicht, dem osmanischen Staat eine Vernichtungsabsicht zu beweisen. In einem Dokument, das Andonian veröffentlichte, findet sich das osmanische Rumi-Kalenderdatum 18. Februar 1331. Wenn man dies in den gregorianischen Kalender umrechnet, 1916 war ein Schaltjahr, der 02. März 1916. Das wäre aber neun Monate nach dem Umsiedlungsbeschluss. Zur besseren Veranschaulichung habe ich aus dem Buch von Şinasi Orel und Süreyya Yuca mehrere Dokumente gescannt.
Bei der ersten Kopie handelt es sich um zwei gefälschte Telegramme von Andonian (Seite 50-51).
Dabei wäre es angebracht sich die Unterschrift von Mustafa Abdülhalik Bey genauer ansehen. Mustafa Abdülhalik Bey war damals Gouverneur von Aleppo. Das zweite Dokument ist ein Unterschriftenvergleich von Mustafa Abdülhalik Bey. Auf Seite 48 sieht man unter Punkt 1 und 2 die gefälschten Unterschriften und bei 3 und 4 die tatsächliche Unterschrift.
Deutlich zu sehen ist der Unterschied zwischen der Fälschung und der tatsächlichen Unterschrift des Gouverneurs, die sich im osmanischen Archiv befindet. Was noch auffällt, ist ein angebliches Dokument in den „Andonian Papers“, in dem eine Unterschrift von Mustafa Abdülhalik Bey zu finden ist, nur war dieser zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht als Gouverneur in Aleppo im Amt. Er kann diese Unterschrift gar nicht unter dieses Dokument gesetzt haben.
Ferner sind chronologische Fehler enthalten. So war der erwähnte Mustafa Abdülhalik Bey, bevor er zum Gouverneur von Aleppo ernannt wurde, in Istanbul, aber in den Andonian Schriften gibt es Dokumente, in dem dieser in Aleppo Notizen angefertigt und seine Unterschrift unter amtliche Dokumente gesetzt haben soll, was unlogisch wäre. Zum besseren Vergleich habe ich aus dem Buch die Seiten 52 und 53 gescannt, um zwei Kopien von authentischen osmanischen Archivdokumenten aufzuzeigen.
Literaturempfehlung:
- Konstruiert, Instrumentalisiert, Politisiert – Geschichte im Fadenkreuz der armenischen Lobby
- Die Rückkehr – Die Wiederansiedlung der Armenier im Osmanischen Reich
- Geschichte verdreht – Die Wahrheit über die Geschichte der Armenier im Osmanischen Reich. (Yves Bénard)
- Der Mythos eines Völkermordes – eine kritische Betrachtung der Lepsiusdokumente sowie der deutschen Rolle in Geschichte und Gegenwart der „Armenischen Frage“
(Guenter Lewy)
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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Zu Yves Bénard: “Um der Gerechtigkeit willen” lautet das Credo des franzöischen Historikers, der sich durch seinen kritischen Geist und mit einer gehörigen Portion Neugier ausgestattet in die historischen Archive verschiedener Staaten begab. Herausgekommen ist ein hoch interessantes Buch, das exemplarisch ist für eine sachliche Darstellung der Ereignisse.
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