Von Oguz Ücüncü
Stuttgart (tp/nex) – Unabhängig davon wie brutal der Angriff auch war und wieviele Sicherheitskräfte bzw. Zivilisten ihm zum Opfer fielen, ist in der medialen Aufarbeitung doch regelmäßig die Rede von Milizen, Rebellen oder gar Aufständischen. Dabei wird eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe kolportiert, die eben, wie bei kriegerischen Auseinandersezungen halt üblich, Opfer auf beiden Seiten fordert.
Es findet eine im westlichen Kontext eigentlich ungewöhnliche Aufwertung einer Terrortruppe statt, die sich dem vermeintlichen Feind – hier also dem türkischen Staat – stellt und für seine Sache im wahrsten Sinne des Wortes kämpft. Die Verharmlosung geht dabei soweit, dass eine Problematisierung dieser s.g. Sache, also die Auseinandersetzung mit der hier im Westen eigentlich verfemten kommunistischen Ideologie, in den Hintergrund tritt indem man von einer Arbeiterpartei spricht und eher Analogien zur Sozialdemokratie schafft.
Der zu erwartende Aufschrei in Politik, in Medien bleibt im Falle der PKK aus und findet ganz im Gegenteil in der Verklärung zu Freiheitskämpfern ihren traurigen Höhepunkt. Kaum ein Wort zu Selbstmordattentaten, zivilen Opfern, Ermordung von politischen Gegnern, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Gewalt und der Terror der PKK bleiben trotz der Bilderbesessenheit unserer Zeit ungewohnt abstrakt und sind nach westlichem Verständnis ohnehin das Ergebnis einer jahrhundertelangen Unterdrückungs- und Assimilierungspolitik der „bösen“ Türken. Der Konflikt wird als solcher hingenommen und ob objektiv die Argumente für einen bewaffneten Kampf gegen die heutige Türkei noch vorliegen wird noch nicht einmal Ansatzweise problematisiert.
Wie sonst ließe sich erklären, dass Tatsachen wie die Aufhebung des Ausnahmezustandes im November 2002, die Umsetzung von umfangreichen Investitionsprogrammen im Südosten des Landes, Maßnahmen für die Wahrung der kurdischen Sprache und Kultur in Medien, Schulen und Universitäten, die staatliche Entschuldigung für die Verbrechen in Dersim, dem heutigen Tunceli, und die staatlichen Versuche über den Verhandlungsweg den Konflikt zu befrieden, nicht wieder und wieder den PKK-Granden vorgehalten werden.
Stattdessen ignoriert man diese Bemühungen der Türkei und dreht sogar den Spieß um, in dem man ihr zum Vorwurf macht, das hier in Europa unbestrittene staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen.
Auch mit der zum politischen Arm der PKK verkommenen HDP gibt es in der medialen Berichterstattung einen auffällig milden Umgang. Man billigt gnadenvoll ein s.g. ambivalentes Verhältnis zur PKK und lässt ihr durchgehen, dass sie Terror und Gewalt selbiger nicht bedingungslos verurteilt.
Belgisches Gericht: PKK-Aktivitäten keine Terrorakte
Ohne dafür international geächtet zu werden definieren die Parteivorsitzenden der HDP die PKK eben nicht als Terrororganisation und dürfen deren angebliche Reputation in der kurdischen Bevölkerung glorifizieren. Gerne lässt man sich in westlichen Hauptstädten mit den Parteivorsitzenden der s.g. pro-kurdischen Partei ablichten und stilisiert sie geradezu als pazifistische Streiter der kurdischen Sache und ignoriert aber beispielsweise den Aufruf von Selahattin Demirtaş zum Straßenkampf im Oktober 2014 mit 41 Toten, Stadtverwaltungen die anstatt den Müll von den Straßen zu räumen Schützengräben ausgehoben haben und Abgeordnete die als Waffenkuriere für die PKK fungierten.
Mit dem für diese Menschen automatisch gewählten Label „pro-kurdisch“, erklärt man alle Anderen zu anti-kurdischen Kräften, ohne darüber nachzudenken was dieser Sprachgebrauch aus ermordeten kurdischen Dorfwächtern, getöteten kurdischen Zivilisten und kurdischen Funktionären der AK Partei in der öffentlichen Wahrnehmung macht, nämlich Menschen die den Tod womöglich sogar verdient haben.
Diese Sprache ist verräterisch und die Politik der sie geschuldet ist auch. Sie unterscheidet zwischen Guten und Bösen Terroristen, je nach dem ob sich die Gewalt geographisch weit entfernt entlädt und darüberhinaus eigenen geo-strategischen Interessen nutzt. Damit entzieht man einer dringend notwendigen Solidarisierung gegen jede Form von Terrorismus und Gewalt so den Boden. Man macht sich bewußt oder unbewußt zu Erfüllungsgehilfen extremistischer Ideologien und vergisst, wie so oft, dass sich die Gewalt auch irgendwann gegen die eigene Gesellschaft richten kann.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.