Ankara (nex) – Die Türkei hat über die letzten Jahre eine strategisch kluge und erfolgreiche Außenpolitik betrieben, und mit Unterstützung vonseiten der USA werde es der Türkei gelingen, mithilfe einer Besinnung auf das Erbe der osmanischen Geschichte zum bedeutsamsten regionalen Einflussfaktor in der Region zu werden – bis hin zum Aufbau von Teilen Afrikas, die ehemals zum Osmanischen Reich gehört hatten. Dies prophezeit der türkische Starjournalist Ergün Diler in einem Kommentar für die auflagenstarke Tageszeitung Takvim. Die Anknüpfung an geschichtliche Traditionen der osmanischen Ära finde immer mehr Anklang, das Interesse steige. Selbst die stets gegenüber den kemalistischen Eliten, die vor 2002 in der Türkei die alleinige Macht im Staat hatten, loyale „Hürriyet“ verschenke osmanische Geschichtsbücher an ihre Leser.
Diler sieht jedoch bereits politische Entwicklungen jüngerer Zeit als Zeichen einer neuen Stärke der Türkei. Insbesondere die eindeutige Parteinahme und loyale Haltung des Präsidenten der nordirakischen Präsidenten Masoud Barzani allen Anfechtungen zum Trotz zeige, wie groß das Vertrauen der verantwortungsvollen politischen Akteure in der Region gegenüber Ankara ist. Auch die Versuche der Feinde der Türkei, die Kobane-Krise auszunutzen, um Barzani gegen die Türkei einzunehmen, stießen bei diesem auf taube Ohren – obwohl diese Position für ihn innenpolitisch nicht leicht durchzuhalten war.
Türkei hat Barzani vor dem IS und Komplotten bewahrt
Barzani hatte jedoch registriert, dass die Türkei neben den Turkmenen vor allem ihn bereits über längere Zeit mit Waffen beliefert hatte. Zu Beginn vermochte er, so Diler, den Sinn dahinter noch gar nicht zu erkennen. Die Türkei hätte damit gerechnet, dass der IS Barzani angreifen würde. Als die Terrormiiz IS im Irak vorzurücken begann und Mosul fast kampflos in ihre Hände fiel, hätte Barzani erkannt, dass die Türkei diese Entwicklung vorausgeahnt hätte – mit der Konsequenz, dass er von diesem Moment an merkte, wie sehr ihn Ankara unterstützen würde und deshalb noch enger mit der Türkei zusammenarbeitete. Am Mittwoch bereiste Barzani die Türkei und sprach dort zuerst mit dem Chef des türkischen Geheimdienstes MİT, der ihn im Vorfelds stets auch vor Attentatsversuchen gewarnt hätte, die wiederholt vonseiten der terroristischen PKK und ihrem Ableger PYD unternommen worden wären.
In ihrer Außenpolitik hätte die Türkei auch bei Provokationen stets Augenmaß bewiesen, meinte der Takvim-Kolumnist. Sie habe sich 2005 zurückgehalten, als Syrien eine Scudrakete auf ein Feld bei Kirikhan abgeschossen hatte, zu einem Zeitpunkt, da eine vorschnelle Militärintervention innenpolitisch schwere Verwerfungen nach sich ziehen hätte können. Dass Barzani die türkische Armee nach Mosul eingeladen habe, hänge auch mit den richtigen Einschätzungen der Lage zusammen, die Ankara stets an den Tag gelegt hätte. So hätte Barzani noch versucht, die Türkei davon abzuhalten, offen den Rücktritt des vor allem bei den Sunniten im Irak verhassten Nouri al-Maliki zu fordern, da dieser zu mächtig und einflussreich wäre. Tatsächlich musste er wenig später sein Amt verlassen – und Barzani konnte diesen Augenblick live miterleben. Maliki hätte geahnt, dass die Türkei sich auf einen möglichen Zerfall des Irak in drei Teile vorbereiten würde – eine Entwicklung, von der im Übrigen zuvor bereits US-Vizepräsident Joe Biden gesprochen hatte.
Türkei schützt Recht der KRG auf eigenes Öl
Durch die enge Kooperation würden sowohl Barzani, dessen KRG über immense Erdölvorkommen verfüge, und die Türkei selbst immens profitieren. Die Aussicht, dass Ankara indirekt auf dieses Öl Zugriff haben könnte, erklärten auch die Versuche Russlands, sich nun mit der Zentralregierung in Bagdad zu verbünden. Die Türkei sei jedoch auf alle Eventualitäten vorbereitet und bereits zu stark geworden, um bei der Neuordnung des Nahen Ostens noch außen vor gelassen werden zu können. Die Ewiggestrigen und Islamfeinde wären über die Entwicklung bestürzt, so Ergün Diler, aber sie hätten den Kampf um die Türkei verloren.
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