Den Haag (nex) – Die niederländische Regierung wird von den Ereignissen rund um die Deportation armenischer Bevölkerungsteile im Osmanischen Reich im Jahr 1915 nicht als „Genozid“ sprechen, sondern von einem „Problemkreis“, erklärte der stellvertretende Premierminister der Niederlande, Lodewijk Asscher. In einer Radiosendung erklärte Asscher, die Regierung bevorzuge es, den Begriff „Problemkreis“ mit Blick auf die in Rede stehenden Ereignisse zu verwenden – eine Praxis, die bereits 2004 vom niederländischen Parlament so anerkannt worden ist.
Der Vizepremier sagte, die internationalen Gerichte sollten den Wahrheitsgehalt von Berichten bezüglich solcher Vorfälle untersuchen und fügte hinzu, seine Regierung habe mit dieser Angelegenheit nichts zu tun. Asscher fügte hinzu, dass die Niederlande bevorzugten, an der Eröffnung eines Dialogs zwischen der Türkei und Armenien zu arbeiten, statt Rechtsstreitigkeiten hervorzurufen. Im Jahr 2015 hatte das niederländische Parlament einen Entschließungsantrag abgelehnt, der von der rechtsextremen Freiheitspartei und der calvinistisch-fundamentalistischen Christenunion eingebracht worden war und dessen Ziel es war, eine Bewertung der Ereignisse als „Völkermord“ zu erreichen.
Am Donnerstag hatte der Deutsche Bundestag in einer rechtlich nicht verbindlichen Resolution die armenischen Behauptungen, im Zuge der Ereignisse von 1915 habe ein „Völkermord“ stattgefunden, anerkannt und die osmanische Regierung eines „systematischen Völkermordes“ an Armeniern und anderen christlichen Minderheiten beschuldigt.
Die Türkei anerkennt, dass es während der in Rede stehenden Ereignisse des Ersten Weltkriegs auf beiden Seiten zu Gräueltaten gekommen war, betrachtet den „Völkermord“-Vorwurf jedoch als verleumderisch. In Ostanatolien hatten armenische Milizen und Bevölkerungsteile mit der auf osmanisches Territorium vorrückenden russischen Armee kollaboriert, woraufhin die Regierung in Istanbul die Deportation armenischer Bevölkerungsteile anordnete.
In diesem Zusammenhang starben zahlreiche Armenier unter anderem infolge harter Witterungsbedingungen, Seuchen und zahlreicher Übergriffe vonseiten marodierender Banden und nicht offizieller Milizeinheiten. Die Türkei betrachtet die Ereignisse als „Tragödie für beide Seiten“. Ankara hat mehrfach die Bildung einer gemeinsamen Historikerkommission angeregt, an der Historiker aus der Türkei und Armenien sowie internationale Experten teilnehmen sollten.