Bonn – Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich im Verhältnis zu Russland gegen eine Verknüpfung der Gaspipeline Nord Stream 2 mit der Verurteilung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny ausgesprochen.
„Was hat eine Pipeline wie Nord Stream 2 mit dem Fall von Herrn Nawalny zu tun? Ich sehe das nicht. Ich denke, es ist falsch, beides miteinander zu verquicken. Wenn man glaubte, man würde dadurch Druck auf Russland ausüben, um irgendeine andere Situation zu schaffen, dann irrt man“, sagte Schröder im Interview mit dem Fernsehsender phoenix am Donnerstag (4. Februar 2021).
Er verstehe diejenigen nicht, die meinen, „wenn man jetzt Nord Stream 2 streicht oder stoppt, dann würde sich bezogen auf den Fall, den Sie erwähnt haben, irgendetwas ändern“, sagte Schröder, der Aufsichtsratschef bei der zum Gazprom-Konzern gehörenden Nord Stream AG sowie beim russischen Erdölkonzern Rosneft ist.
Deutschlands Interesse müsse es sein, Russland als Partner zu erhalten. Immer wenn das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland schlecht gewesen sei, „ging es schief, auch was Frieden in der Welt anging. Immer dann, wenn es erträglich war, war es besser.“ Wenn die EU eine Rolle spielen wolle zwischen Amerika auf der einen Seite und China auf der anderen Seite, gehe es darum, Partner zu haben. „Einer der wichtigen bleibt Russland, egal was innenpolitisch passiert, und zum anderen die Türkei, auch egal was innenpolitisch passiert, was mir auch nicht immer gefällt“, so der Alt-Bundeskanzler.
Schröder kritisierte heftig die Rolle der EU-Kommission bei der Impfstoff-Beschaffung. „Das ist ein organisatorisches Versagen, das vor allem bei der EU-Kommission zu sehen ist.“ Die europäische Bürokratie und auch die dafür verantwortliche Kommissarin hätten „sich nicht mit Ruhm bekleckert“. Er habe den Eindruck, dass man auch „bestimmte Firmen im Geschäft halten wollte, die – wie Sanofi zum Beispiel – im Ergebnis dann nicht liefern konnten“. Gleichwohl halte er es für richtig, „zu sagen, wir machen das europäisch“. Es wäre aber auch richtig gewesen, „wie es Herr Spahn vorhatte, auch national neben der Europäischen Union Impfstoff in Deutschland zu bestellen“. Da seien „Versäumnisse vorgekommen, aber wo kommen die nicht vor in einer solchen Situation, in der wir waren und immer noch sind?“.
Privilegien für Geimpfte sollte es nach Meinung des früheren Bundeskanzlers nicht geben. „Wenn jemand niemanden mehr anstecken kann, dürfen Grundrechtseinschränkungen eigentlich nicht sein. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Gleichheit.“ Deshalb mache es Sinn, zu sagen: „Bevor wir die Pandemie nicht überwunden haben, bevor wir nicht das haben, was man Herdenimmunität nennt, sollte es nicht einzelne Privilegierte geben. Irgendwo gehören wir alle zusammen“, sagte Schröder.
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