Washington, D.C. (nex) – Ein türkischer Militäroffizier, der auf einer NATO-Einrichtung in den USA tätig war und von der türkischen Regierung nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli zurückbeordert wurde, hat in den USA Asyl beantragt. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Es ist der erste Fall dieser Art, in welchen ein in den USA stationierter Soldat involviert ist, seit die Türkei mit umfangreichen Ermittlungen in den Reihen des Militärs hinsichtlich möglicher Beteiligter und Mitwisser des Putschversuches begonnen hat.
Der Offizier war im Hauptquartier des Alliierten Transformationskommando der NATO in Norfolk, VA tätig. Dem Kommando, welches das einzige NATO-Kommando in Nordamerika sei, unterstehen ein Koordinierungszentrum in Norwegen und ein Trainingszentrum in Polen. Name und Dienstgrad wurden bislang nicht genannt. Der Vorfall könnte die ohnehin bereits gespannten Beziehungen zwischen der Türkei und den USA weiter belasten.
Die Türkei fordert von den Amerikanern die Auslieferung Fethullah Gülens, der seit 1998 in den USA lebt und als Mastermind hinter dem versuchten Staatsstreich gilt. Ein Offizieller der türkischen Botschaft in Washington erklärt, dass ein türkischer Konteradmiral Mustafa Uğurlu sich nicht bei den Behörden gemeldet habe, nachdem die Türkei im letzten Monat einen Befehl zur Festnahme gegen ihn erlassen hatte. „Am 22. Juli hat er seine Abzeichen und seinen Ausweis an der Basis hinterlassen und danach hat niemand mehr von ihm etwas gesehen oder gehört“, erklärte ein Offizieller, der anonym bleiben wollte.
In einem im April veröffentlichten Artikel auf der NATO-Webseite wurde Uğurlu als stellvertretender Abteilungsleiter für Kommando und Kontrolle, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit genannt. Auch zwei weitere Offiziere niedrigerer Rangstufe sollen von den USA zurück in die Türkei beordert worden sein, gegen die jedoch kein Befehl zur Festnahme vorlag. Einer sei bereits zurückgekehrt, ein anderer bereite die Rückreise vor. Bislang wurden in der Türkei, die die zweitgrößte Armee innerhalb der NATO stellt, tausende Soldaten aus der Armee entlassen, unter anderem 40 Prozent der Generäle. In der Opposition regt sich Kritik, wonach die Restrukturierung der Armee ohne parlamentarische Kontrolle vonstattengehe und zu weitreichend sei.
Aus dem Pentagon wollte man keine Stellungnahme über türkisches Militärpersonal abgeben. Einer Sprecherin des Stützpunktes in Norfolk zufolge befänden sich 26 türkische Armeeangehörige dort und seien unter anderem in die Planung und Durchführung der Operationen gegen den IS involviert. Insgesamt befänden sich 160 Angehörige der türkischen Streitkräfte dienstlich in den USA. „Wir wollen betonen, dass die Türkei ein wertvoller NATO-Partner ist, der wichtige Beiträge zum Kampf gegen den IS leistet“, erklärte US-Navy-Leutnant Karen Eifert auf Anfrage und verweigerte jedwede Stellungnahme zu dem Asylbegehren.
Ein weiterer NATO-Offizieller, der sich anonym gegenüber der Zeitung Hürriyet äußerte, erklärte, dass die Umstrukturierungen innerhalb der türkischen Armee nach dem gescheiterten Putsch keine Auswirkungen auf die praktische Arbeit innerhalb der NATO-Kommandos oder auf deren Operationen gehabt hätten. Vonseiten der US-Einwanderungsbehörde und des State Departments gab es ebenfalls noch keine Stellungnahme bezüglich des Asylantrages.
Im Zusammenhang mit der türkischen Forderung nach der Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen warnte der türkische Justizminister Bekir Bozdağ vor anschwellenden antiamerikanischen Stimmungen in der Türkei, die „in Hass umzuschlagen drohen“ und nur durch eine zügige Auslieferung des mutmaßlichen Top-Terroristen besänftigt werden könnten.
Gülen selbst bestritt jede Verwicklung in den Putschversuch, allerdings befinden sich unter den bislang gefassten Verdächtigen zahlreiche seiner Gefolgsleute. Sie sollen in führender Weise an dem versuchten Staatsstreich mitgewirkt haben. Gülen beschimpfte zudem die Millionen türkischer Bürger, die sich dem Putschversuch widersetzt hatten, und drohte in verklausulierten Worten für den 14. August weiteres Unheil für die Türkei an.