Ein Gastkommentar von Özgür Çelik
Der Mensch ist nicht auf diese Welt gekommen, um Besitz anzuhäufen, sondern um sein Herz zu reinigen; doch allzu oft wird diese Wahrheit im Trubel um das „Brotverdienen“ unsichtbar. In dem Moment, in dem Geld aufhört, ein Mittel in der Hand zu sein, und zu einer Sicherheit im Herzen wird, beginnt die Prüfung.
Denn Geld ist nicht nur ein Spiegel des Einkommens, sondern auch dessen, worauf der Mensch sich stützt, wovor er sich fürchtet und welche Leere er zu füllen versucht. Sowohl Überfluss als auch Mangel polieren diesen Spiegel – doch die leiseste und zugleich schwerste Prüfung kommt meist mit dem Überfluss.
Geld, Herz und Teilen
Fragt man den Menschen nach dem „Warum“, lautet die Antwort meist dieselbe: wegen des Brotes. Diese Antwort klingt beim Armen wie beim Reichen ähnlich. Der eine verdient, um zu überleben, der andere sagt, er verdiene, um mehr Menschen Brot geben zu können; und doch wird die Welt gelebt, als wäre Brot knapp.
Dabei ist die Erde für jene, die zu teilen wissen, reichlich gesegnet. Der Streit entsteht nicht aus Mangel an Versorgung, sondern aus der Enge der Herzen. Angst, Groll und Vorurteile schrumpfen die weite Welt zu einem Stadion; die Menschen werden zu sich jagenden Fans. Wer immer mehr will, fühlt sich mit jedem Gewinn unsicherer, denn Sicherheit wächst nicht durch Anhäufen.
Geld ist seinem Wesen nach neutral. Es ist weder gut noch schlecht. Schwer wird es durch die Bedeutung, die der Mensch ihm beimisst. Der eine hält Geld für Sicherheit, weil er sich innerlich unsicher fühlt.
Der andere hält es für Macht, weil er gesehen und überlegen sein will. Der eine hortet aus Verlustangst, der andere verschwendet, um eine innere Leere zu füllen. Geld erzeugt diese Zustände nicht, es legt sie offen. Geld, das im Herzen liegt, beschwert den Menschen; Geld, das in der Hand bleibt, kann zum Guten dienen.
In Beziehungen ist Geld eines der empfindlichsten Felder. Zusammenleben bedeutet, nicht nur das Leben, sondern auch die innere Welt zu teilen. Wird über Geld nicht gesprochen, löst sich das Problem nicht; es wird lediglich in die unteren Schichten des Herzens verdrängt.
Dort verhärtet es sich und kehrt eines Tages in anderer Gestalt zurück. Schweigen über Geld ist daher kein Frieden, sondern eine aufgeschobene Konfrontation. Gerechtigkeit bedeutet nicht, dass alles gleich ist, sondern dass jedem sein Recht gewährt wird.
Wenn die Möglichkeiten des einen die Stimme des anderen ersticken, wenn mit Geld Überlegenheit hergestellt, Dankbarkeit erzwungen und Schweigen auferlegt wird, entsteht kein Segen, sondern Verantwortungsschuld. Denn Macht bringt Verantwortung mit sich; mehr Möglichkeiten verlangen mehr Barmherzigkeit.
Versorgung ist nicht nur das Gehalt. Gesundheit, Einsatz, Geduld, Mitgefühl, Verständnis und gemeinsam verbrachte friedliche Zeit sind ebenfalls Versorgung. Werden die unsichtbaren Anstrengungen – getragene Lasten, aufgeschobene Träume, still ertragene Müdigkeit – nicht anerkannt, beginnt Unrecht.
Unrecht besteht nicht nur darin, das Geld eines anderen zu nehmen, sondern auch darin, seine Mühe, seine Gefühle und seine Opfer zu ignorieren. Deshalb sollten Gespräche über Geld nicht in der Sprache der Abrechnung, sondern in der Sprache der Versöhnung geführt werden. Neben dem „Mein Recht“ muss auch das „Dein Herz“ geschützt werden.
Psychologisch gesehen legt sich der Mensch Geld wie einen Schutzpanzer an. Der Gedanke „Wenn ich Geld habe, bin ich sicher“ ist ein Zeichen einer tieferliegenden Angst. Vorsorge hält das Leben aufrecht; doch Geld, das sich im Herzen festsetzt, untergräbt das Vertrauen. Vertrauen bedeutet nicht, nicht zu handeln, sondern das Ergebnis nicht an das Geld, sondern an Gott zu binden. Liebe lässt sich nicht versichern, Vertrauen nicht berechnen. Wahre Sicherheit ist das Gefühl, nicht auf halbem Weg verlassen zu werden.
Die Mystik erinnert daran, dass das, was wir besitzen, kein Eigentum, sondern eine anvertraute Gabe ist. Eine Gabe ist nicht zum Festhalten da, sondern zum richtigen Gebrauch. Was den Menschen erhöht, ist nicht das Anhäufen, sondern die Treue zur anvertrauten Verantwortung. Diese Treue zeigt sich im Teilen, im achtsamen Handeln, im Geben ohne Überlegenheit und ohne das Erzeugen von Schuldgefühlen. Erzeugt Geld Hochmut im Herzen, wird es schwer; erzeugt es Dankbarkeit, wird es leicht.
Die Vergänglichkeit des Lebens erinnert täglich an diese Wahrheit. Viele Menschen gehen, obwohl sie gesammelt haben, ohne geteilt zu haben; obwohl sie besessen haben, ohne es nutzen zu können. Was bleibt, ist nicht das Konto, sondern die geheilten Wunden oder die gebrochenen Herzen.
Der Mensch nimmt aus dieser Welt nicht sein Geld mit, sondern seine Absicht und seine Moral. Tritt Geld in einer Beziehung vor die Liebe, beginnt die Prüfung; dient es der Liebe, reift die Beziehung. Wenn statt der Sprache von „meins“ und „deins“ die Frage „Was ist gut für uns?“ gestellt wird, wird Geld nicht zum Konflikt, sondern zur Möglichkeit.
Am Ende erkennt der Mensch: Vertrauen lässt sich nicht mit Geld kaufen, sondern wird durch Liebe gewonnen. Geld wird gehalten, Liebe getragen. Geld wird gezählt, Liebe empfunden. Wahrer Reichtum ist die Fähigkeit, ohne Angst zu teilen; wahre Gemeinschaft besteht darin, das Anvertraute rein zu tragen, ohne den Geber der Versorgung zu vergessen. Die Welt ist weit für jene, die teilen können; es ist nicht das Geld selbst, das das Herz verengt, sondern die Absicht, die sich an es bindet.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von NEX24 dar.
Zum Autor
Özgür Çelik studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie an der Universität Duisburg-Essen. Seine Fachgebiete sind die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sowie zwischen der EU und der Türkei, türkische Politik, die türkische Migration und Diaspora in Deutschland
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