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NEX24-Interview
Türkei: Ausgewandert und plötzlich schwer krank

Seit fast zwei Jahrzehnten veröffentlicht Marina Bütün in ihrem Blog kostenlose Informationen für Auswanderer, die sich in der Türkei ganz niederlassen

(Symbolfoto: nex24)
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Seit fast zwei Jahrzehnten veröffentlicht Marina Bütün in ihrem Blog und in Facebook kostenlose Informationen für Auswanderer, die sich in der Türkei ganz niederlassen – ohne Wohnsitzanmeldung in Deutschland.

Meistens geht es im Blog nicht um die üblichen Themen, eher um spezielle Probleme, die sie aus eigener Erfahrung und Praxis an die Leser weitergibt. Im neuesten Blog-Artikel geht es um Tipps für den Krankheitsfall in der Türkei und welche Vorkehrungen alleinstehende Ausländer im Vorfeld bereits treffen sollten, bevor der akute Fall überhaupt eintritt.

Die in der Provinz Mugla lebende Autorin der Bücher „Ratgeber Auswandern Türkei„, „Türkei-Immobilien“ (Miete, Kauf, Bau, Sanierung) und ihren Tagebüchern „Weißwurst mit türkischem TeeBand 1, 2 und 3, hat erst kürzlich durch den Tod eines nahen Freundes erlebt, was es heißt, wenn jemand mit der Einstellung auswandert, erst an Krankheit zu denken, wenn es oft zu spät ist. 

Dabei geht es nicht nur um vorbereitende Maßnahmen für alleinstehende Auswanderer, die ihren festen Wohnsitz in der Türkei begründen möchten, sondern auch um die Nachsorge und Pflege zu Hause von der Kommune der Stadt, wenn ein Patient nach dem Krankenhausaufenthalt alleine zu Hause Hilfe braucht. Diese Hilfe gibt es auch für Ausländer mit permanentem Wohnsitz.

Frau Bütün, wie kam es dazu, dass Sie das Thema Krankheit und Sterbefall in Ihren Blog aufgenommen haben?

Bütün: Es war mir bis kurz vor dieser Veröffentlichung selbst erst klar, dass sich die wenigsten Menschen mit den schlimmen Dingen des Lebens befassen wollen, wenn sie an die Auswanderung denken. Krankheit und vor allem der Tod sind meistens Themen, die man lieber ignoriert, wenn man noch gesund ist. Man schiebt diese Gedanken einfach weg. Mir ging es bis vor einem Jahr genauso, bis mein Mann ernsthaft erkrankte. Machen wir uns nichts vor – wenn man selten oder nie einen Arzt braucht, keine Medikamente einnehmen muss, klammert fast jeder dieses Thema einfach aus und hofft, dass es nicht passiert.

Aus eigener Erfahrung, auch durch Erfahrungen von Freunden, die schon Hilfe geleistet haben, weiß ich, wie schwierig es werden kann, wenn alleinstehende Ausländer ohne Familie in der Türkei plötzlich erkranken, sich selbst nicht mehr helfen können oder gar nicht mehr in der Lage sind, ihren gesundheitlichen Zustand als kritisch einzuschätzen. Letztendlich liegt es zwar immer in der Entscheidung des geschäftsfähigen Patienten, ob er sich behandeln lassen möchte, es ist jedoch trotzdem im Ernstfall im Umfeld des Alleinstehenden erforderlich, r e c h t z e i t i g Maßnahmen zu ergreifen, wenn es lebensgefährlich wird. Dabei helfen jedoch keine Ferndiagnosen per Anruf am Smartphone, dazu gehört auf jeden Fall ein Besuch beim Patienten.

Man sollte sich als Auswanderer – von Beginn an – auf keinen Fall einfach darauf verlassen, dass man selbst noch Entscheidungen treffen kann oder jemand sofort da ist – vor allem, wenn man sehr zurückgezogen lebt und kaum Freundschaften pflegt. Es gibt so viele traurige Fälle, die immer wieder in der türkischen Zeitung stehen.

Immer wieder liest man, dass demente Ausländer verschwunden sind und dann tot aufgefunden wurden oder oft tagelang in ihrem Haus liegen, bis es den Nachbarn dann doch auffällt. Bei Ausländern, die öfter nach Deutschland reisen, ist es für die Nachbarn nicht ungewöhnlich, dass es ums Haus manchmal länger still ist. Deswegen ist es wichtig, dass man sich nicht völlig von der Gemeinschaft abschottet oder ausschließt und in so einem Fall einem Nachbarn Bescheid gibt“, so Bütün.

Durch Erlebnisse von Freunden, und aktuell durch einen sehr persönlichen Fall – welche Erkenntnis ziehen Sie daraus?

Bütün: Es kann einfach jeden treffen! Das Alter ist völlig egal. Es spielt keine Rolle, ob es ein Unfall in jüngeren Jahren oder Altersschwäche ist, das habe ich erst begriffen, als in meinem Umfeld nach 20 Jahren immer wieder Menschen aus dem deutschen Bekanntenkreis erkrankten oder verstarben. Hier waren aber immer noch die Ehepartner da, die Maßnahmen einleiten konnten oder zur Pflege bereitstanden.

Trotzdem benötigten auch die deutschen Ehepartner im Krankheits- oder Todesfall dringend Beistand und Hilfe, um alles organisieren zu können. Es geht nicht nur um den Krankheits- oder Todesfall selbst, was schon schwer genug ist. Dazu kommt dann ein Wust von Bürokratie, die zusätzlich an den Nerven zehrt – im Todesfall länderübergreifend mit den örtlichen Behörden UND dem deutschen Konsulat.

Dafür braucht man gute Nerven und beide Sprachen. Vor allem benötigt man Hilfe von jemandem, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, immer freundlich bleibt – denn sowohl die türkischen als auch deutschen Behörden arbeiten lieber mit Menschen, die sich nicht ständig beschweren oder arrogant und hochnäsig mit den Beamten oder Angestellten sprechen. Das gilt auch für den Umgang mit Krankenhäusern und Ärzten und dem Personal dort. Wer damit keine Erfahrung hat, sollte an das deutsche Sprichwort denken „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

Ist eine schriftliche Erklärung, was im Ernstfall gewünscht wird und die im Haus am Kühlschrank oder an einer Tür hängt, die Lösung?

Bütün: Es ist so leicht dahergesagt, wenn jemand gar nicht weiß, was im Krankheitsfall in der Türkei möglich ist, kann er sich zwar alles wünschen, aber ob es machbar ist, stellt sich dann erst heraus. Selbst wenn man eigenhändig schriftlich mit Zeugen hinterlegt, was nach dem Tode passieren soll, muss der Inhalt rechtlich – sowohl in der Türkei als auch in Deutschland – Hand und Fuß haben, sonst nützt es überhaupt nichts.

Vor allem, wenn der Text keine Namen von Personen nennt, ist alles ungültig. Selten kennt jemand die rechtliche Seite, außer er ist selbst Jurist oder hat sich im Vorfeld beraten lassen. Solche Überlegungen sind zwar schön, aber letztendlich wertlos. Das kann jeder Notar bestätigen.

Bis man einen alleinlebenden Verstorbenen findet, können manchmal Tage vergehen, wenn dieser vielleicht auch noch in einem einzelnen Haus wohnt, das irgendwo einsam liegt. Ohne gute Kontakte vor Ort, ohne die türkische Sprache zu verstehen und dazu noch ohne Verwandte vor Ort ist alles doppelt schwierig, wenn Probleme auftauchen. Wie oben erwähnt, nur die Sprache reicht auch nicht unbedingt aus.

Erst kürzlich sagte ein Freund von uns, es gäbe bestimmte Menschen, die würde er niemals in seinem Namen auf Behörden schicken, weil sie sofort dumm daher reden würden und sich es mit ihrer Art immer verscherzen. Deshalb ist es für einen angehenden Auswanderer dringend notwendig, sich bereits im Vorfeld mit diesem ernsten Thema zu befassen – genau dann, wenn man es noch kann!

Ich habe in meinem Blog eine Liste erstellt, die jeder angehende Auswanderer kennen sollte – einfach als Gedächtnisstütze für den Fall, der hoffentlich nie eintreten wird. Vor allem ist Egoismus in dem Falle fehl am Platz. Denn im Ernstfall ist man immer auf fremde Hilfe angewiesen – ob das nun Freunde oder ganz fremde Personen sind, hängt immer vom Umfeld des Auswanderers ab.

Wenn noch Erben im Ausland existieren oder über die Recherche des deutschen Konsulats ausfindig gemacht wurden, da jeder Todesfall eines deutschen Staatsbürgers dem Konsulat gemeldet werden muss, finden diese auf meinem Blog auch viele Anhaltspunkte, wie sie als Erben vorgehen müssen. Es ist einfach wichtig, zu wissen, dass im Ernstfall wirklich auch alles klappt.

Vielen Dank für das Gespräch

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