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Gaza-Krieg
Türkischer Geheimdienst MIT warnt Israel vor Anschlägen

Israel werde die Hamas im Libanon, in der Türkei und in Katar zur Strecke bringen, auch wenn es Jahre dauern sollte, sagte der Leiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet

(Foto: TRT)
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Ankara – Die Türkei hat den israelischen Geheimdienst davor gewarnt, zu versuchen, Hamas-Mitglieder auf türkischem Boden zu töten, nachdem Berichte über Pläne zur Ermordung von Führern der Hamas aufgetaucht waren.

Israel werde die Hamas im Libanon, in der Türkei und in Katar zur Strecke bringen, auch wenn es Jahre dauern sollte, sagte der Leiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, in einer Aufzeichnung, die der israelische öffentlich-rechtliche Sender Kann am Sonntag ausstrahlte.

Ein hoher Beamter des türkischen Geheimdienstes, der nicht genannt werden möchte, sagte, der Geheimdienst MIT habe den israelischen Kollegen vom Mossad mitgeteilt, dass solche einseitigen Maßnahmen ernsthafte Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen haben würden. Der Beamte sprach unter der Bedingung der Anonymität und verwies auf die Sensibilität des Themas.

von Nabi Yücel

Im Jahre 1997 befahl Netanjahu israelischen Mossad-Agenten, Chalid Maschal zu töten, einen Hamas-Gründer, der damals in Jordanien lebte. Der Mordversuch scheiterte, es kam zum Eklat. Derzeit bereiten sich laut Medien erneut Mossad-Agenten darauf vor, Hamas-Führer auf der ganzen Welt zu töten, auch in der Türkei. Der ansonsten schmallippige türkische Nachrichtendienst MIT äusserte sich zu den Plänen.

Israels Geheimdienste bereiten sich darauf vor, Hamas-Führer auf der ganzen Welt zu töten, wenn der Krieg im Gazastreifen nach dem Willen der israelischen Regierung erfolgreich beendet ist. Laut der Order des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu arbeiten Israels führende Geheimdienste an Plänen zur Jagd auf Hamas-Führer, die im Libanon, in der Türkei und in Katar leben.

Der Plan wäre eine Fortsetzung der jahrzehntelangen Politik Israels. Israelische Attentäter hatten in der Geschichte der Geheimoperationen als Frauen verkleidet palästinensische Militante in Beirut gejagt, waren in Dubai als Touristen aufgetreten, um einen Hamas-Führer zu töten. Nach Angaben ehemaliger israelischer Mossad-Agenten hatte Israel auch eine Autobombe eingesetzt, um einen Hisbollah-Führer in Syrien zu ermorden. Oder, ein ferngesteuertes Gewehr eingesetzt, um einen Nuklearwissenschaftler im Iran zu töten.

Seit Jahren gewähren Länder wie Katar, der Libanon, Iran, Russland und die Türkei der Hamas ein gewisses Maß an Schutz. Und Israel hat zeitweise darauf verzichtet, die palästinensischen Militanten in diesen Ländern ins Visier zu nehmen, um diplomatische Krisen zu vermeiden.

Mit den neuen Plänen setzt Netanjahu, der bereits 1997 einen Mord angeordnet hatte, wieder auf Eskalation. Zur Bestürzung einiger israelischer Kreise, die wollen, dass die neuesten Pläne auch weiterhin ein Geheimnis bleiben, kündigte Netanjahu am 22. November in einer landesweiten Ansprache seine Absichten an. „Ich habe den Mossad angewiesen, gegen Hamas-Führer vorzugehen, wo immer sie sind“, sagte er und bezog sich dabei auf den israelischen Geheimdienst Mossad.

In derselben Ansprache an das Volk erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant, dass die Hamas-Führer nur von „geliehener Zeit“ leben würden. „Sie sind zum Tode bestimmt“, prophezeite Gallant. „Der Kampf ist weltweit, sowohl gegen die Terroristen in Gaza als auch diejenigen, die in teuren Flugzeugen fliegen.“

Laut Expertenkreisen in Israel plant der Mossad nicht mehr nur daran, ob der Versuch Erfolg haben werde, sondern daran, wo und wie es geschehen werde. Die entwickelten Pläne stellen eine Ausweitung des israelischen Krieges in Gaza dar und spiegeln die Absicht der Regierung wider, sicherzustellen, dass die Hamas nie wieder eine ernsthafte Bedrohung für Israel darstellen kann. Im Rahmen dieser Bemühungen prüft Israel auch, ob es ebenfalls Tausende von Hamas-Kämpfern auf niedriger Ebene gewaltsam aus Gaza vertreiben könnte, um den Krieg zu verkürzen.

Gezielte Tötungen im Ausland können gegen das Völkerrecht verstoßen und bergen die Gefahr von diplomatischen Rückschlägen seitens der Länder, in denen israelische Attentäter ohne deren Erlaubnis operieren. In der Praxis hatte Israel mit gezielten Tötungen bislang keine negativen Auswirkungen in den bilateralen Beziehungen zu Ländern in der die Tötungen erfolgten.

Efraim Halevy, ein ehemaliger Mossad-Direktor, bezeichnete die Geheimoperation jedoch als unklug. Die Tötung von Hamas-Führern werde die Bedrohung nicht beseitigen, sondern das Potenzial der Hamas erhöhen. „Die Verfolgung der Hamas auf weltweiter Ebene und der Versuch, alle ihre Führer systematisch aus dieser Welt zu entfernen, ist ein Wunsch nach Rache und kein Wunsch, ein strategisches Ziel zu erreichen“, sagte Halevy, der den Plan als „weit hergeholt“ bezeichnete.

Kein anderes Land verfügt über mehr Erfahrung bei der Durchführung weltweiter Attentate. Laut dem Buch „Rise and Kill First“ des israelischen Journalisten Ronen Bergman hat Israel seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 2.700 solcher Operationen durchgeführt. Schon vor der Gründung Israels im Jahr 1948 töteten jüdische Militante europäische Diplomaten, die an der britischen Verwaltung des Mandatsgebiets Palästina beteiligt waren. In den 1960er Jahren setzten israelische Spione Briefbomben ein, um ehemalige Wissenschaftler aus Deutschland ins Visier zu nehmen, die Ägypten bei der Raketenentwicklung unterstützten. Die Mordaufträge gingen manchmal nach hinten los.

Im Jahr 1997 befahl Netanjahu, Chalid Maschal zu töten, einen Hamas-Gründer, der damals in Jordanien lebte. Das israelische Mordkommando reiste als kanadische Touristen in Jordanien ein und verübte den Anschlag gegen Chalid Maschal vor dem politischen Büro der Hamas in Amman. Ein israelischer Attentäter sprühte Maschal ein Gift ins Ohr, aber der Attentäter wurde zusammen mit einem anderen Mitglied des Teams gefangen genommen, bevor sie fliehen konnten.

Chalid Maschal fiel ins Koma und Jordanien drohte, seinen Friedensvertrag mit Israel zu kündigen. Der damalige US-Präsident Bill Clinton drängte Netanjahu, die Krise zu beenden, indem er seinen Mossad-Chef mit dem Gegenmittel zu Chalid Maschal schickte, um ihm das Leben zu retten. Anschließend sicherte Israel die Freiheit seiner Attentäter in Jordanien, indem es sich bereit erklärte, Scheich Ahmad Yasin, den spirituellen Führer der Hamas, und 70 weitere palästinensische Gefangene freizulassen. Chalid Maschal bezeichnete das gescheiterte Attentat später als „Wendepunkt“, der zur Stärkung der Hamas beigetragen habe.

Netanjahu konnte in Jordanien die Wogen glätten, aber mit der Türkei ist der Verhandlungsspielraum nun viel geringer geworden. Nach bekannt werden der Pläne hat Ankara Tel-Aviv vor jeglichen „illegalen Aktivitäten“ gewarnt. Es würden „schwerwiegende Konsequenzen“ drohen, wenn versucht werde, Hamas-Mitglieder auf türkischem Boden zu ermorden, heißt es Kreisen des türkischen Nachrichtendienstes MIT. Dies sei auch den israelischen Kollegen so mitgeteilt worden, heißt es in türkischen Medienberichten.