Ein Gastbeitrag von Nabi Yücel
Angehörige von Enver Altaylı fordern die Bundesregierung auf, sich für den deutschen Bundesbürger einzusetzen, der in der Türkei inhaftiert ist. Beim „Opfer“, wie die Deutsche Welle und andere Mainstream-Medien den ehemaligen Nachrichtendienstler bezeichnen, handelt es sich um den 77-jährigen Enver Altaylı.
Wer ist Enver Altaylı?
Enver Altaylı stammt aus einer Familie usbekischer Herkunft. Ab den 60er Jahren trat er die Offizierslaufbahn an, beteiligte sich 1962 in der Militärakademie unter dem Kommando von Talat Aydemir einem Militärputsch, der scheiterte. Aufgrund der Beteiligung wurde er von der Akademie ausgeschlossen.
Nach der unehrenhaften Entlassung begann Altaylı in Ankara das Studium in Rechtswissenschaften, schloss es 1967 ab und begann im Forschungsinstitut für Kultur zu arbeiten. Zwischen 1968 und 1973 begann Altaylı in Deutschland und Österreich seine Kenntnisse zum westdeutschen Rechtssystem sowie zur Sowjetunion aufzufrischen. In der „Hergün“ begann Altaylı als Chefredakteur zu arbeiten und Editorials zu veröffentlichen. „Hergün“ galt als Blatt der MHP.
In der Zwischenzeit arbeitete Enver Altaylı auch für den türkischen Nachrichtendienst MIT, besuchte Nachrichtendienste der Bündnispartner der NATO, darunter dem BND und CIA. Altaylı wurde 1974 Mitglied der türkischen Partei MHP, ab 1977 Berater des Parteivorsitzenden Alparslan Türkeş. 1980 verließ Altaylı die Türkei, tauchte 1988 in Usbekistan auf. Sein Name taucht in den Umstürzen in Usbekistan sowie Aserbaidschan auf.
Am 27. August 2017 trat Altaylı wieder in den Fokus ein, diesmal als Verdächtiger im FETÖ-Verfahren – dem Prozess, der sich mit den Drahtziehern des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei vom 15. Juli 2016 befasst.
Das Pikante daran ist, dass die Ermittler ihm bereits 2020 vorwarfen, einem MIT-Beamten zur Flucht verholfen zu haben, der in Zusammenhang mit dem Putschversuch vor Gericht gestellt werden sollte. In der Anklageschrift, verfasst von der Generalstaatsanwaltschaft von Ankara, wird erklärt, Altaylı habe Kontakt zu einer Reihe von CIA-Beamten gehabt und mit ihnen über politische Entwicklungen in der Türkei korrespondiert und ihnen darüber berichtet.
Soner Yalçın, Chefredakteur der oppositionellen „Sözcü“ berichtet seit Jahren über diverse Morde an Intellektuellen und Journalisten, darunter Uğur Mumcu. Laut Yalçın hat Enver Altaylı einen gewissen Hang, sich mit Namen zu beschäftigen, die später in Zusammenhang mit den Mammut-Prozessen gegen das Militär zwischen 2009 und 2016 oder in Verbindung mit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 stehen.
2008 habe der ehemalige Nachrichtendienstler Altaylı einen Beschwerdebrief an Fethullah Gülen geschickt. Darin habe er sich über den ehemaligen Generalstabschef İlker Başbuğ, über den hochdekorierten Nachrichtendienstler Kaşif Kozinoğlu und andere beschwert. Beide Namen landeten später in Zusammenhang mit den Mammut-Prozessen in Untersuchungshaft in Silivri. Kozinoğlu verstarb dort, Başbuğ wurde später freigesprochen und entlassen.
Yalçın beschäftigte sich auch mit Altaylı, stellte ihm auch persönliche Fragen. Ob er ein CIA-Agent sei, habe er gefragt, was Altaylı stets abgewiesen habe, obwohl sein Mentor, Ruzi Nazar, selbst ein CIA-Agent war und an unzähligen Putschen im Ausland beteiligt war. Altaylı, jener, der viel von Duane Clarridge hielt – einem ehemaligen Operationsoffizier der CIA – bestritt stets, ein Mitläufer der CIA zu sein, so Yalçın. Aber aus welchen Gründen auch immer hatte Altaylı während der Mammut-Prozesse gegen Militärangehörige 53-mal Kontakt mit dem CIA-Mitarbeiter Alan Fiers.
Altaylı ist der Schlüssel zur CIA und der FETÖ, zu Başbuğ und Kozinoğlu sowie deren Inhaftierung, so Yalçın. Eigentlich ist Altaylı laut Yalçın so ziemlich in allem verstrickt, was die türkische Geschichte seit den 90’er Jahren zu bieten hat. Er wird in Zusammenhang mit dem Video-Komplott gegen Deniz Baykal (CHP) ebenso erwähnt, wie dem Mord am Journalisten Haydar Meriç.
Wer ist also dieser Enver Altaylı?
Laut deutschen Mainstream-Medien ist Altaylı ein Opfer des türkischen „Regimes“. Ein Deutscher türkischer Abstammung, der wegen seiner „bewegten Vergangenheit“ offensichtlich nie mehr frei kommt. Einer, der nach „westlichen rechtsstaatlichen Standards einer juristischen Farce“ unterliegt.
Laut regierungsnahen und oppositionellen türkischen Medien aber ein Schlüssel, der die tiefsten Abgründe eines oder mehrerer westlicher Nachrichtendienste offenbaren kann.
Die CIA hat Fethullah Gülen den Aufenthalt in den USA erst ermöglicht und hält die Hand über ihn. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, sieht keine Anzeichen, dass der Sektenführer am gescheiterten Putschversuch beteiligt war und ist sicher, dass die Sekte in Deutschland quasi ein Gartenverein ist.
Die Bundesregierung deckt mutmaßliche Putschisten der Sekte in Deutschland, sorgt bis heute, dass die Hintergründe zum Aufenthalt der Blackbox der Sekte nicht aufgedeckt werden, obwohl türkische Medien in Deutschland dicht an der Ferse von Adil Öksüz dran waren. Die Bundesregierung ist sichtlich bemüht, die Fethullah Gülen-Sekte in Deutschland zu etablieren. Man leistet Beihilfe beim Projekt „House One“, an der die Deutschland-Vertretung der Sekte beteiligt sind. Es fließen Bundes- und Landesmittel an Vereine und Verbände dieser Sekte, ohne das es laut an die Glocke gehängt wird.
Auch bei Enver Altaylı ist man nahezu sicher, dass er ein weiteres deutsches Opfer des „türkischen Regimes“ ist. Deshalb wurde wohl Altaylı im Gefängnis von Ankara allein zwischen 2018 und 2020 von deutschen Diplomaten über 23-mal besucht, sogar vom höchsten diplomatischen Vertreter des deutschen Auswärtigen Amtes, dem ehemaligen Botschafter Martin Erdmann – allein 9-mal. Altaylı ist wer?
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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