Berlin – Eine Mehrheit der Deutschen (52 Prozent) spricht sich für den Verbleib von US-amerikanischen Atomwaffen in Deutschland aus. Das hat eine repräsentative Infratest dimap-Umfrage im Auftrag des ARD-Politikmagazins „Panorama“ (NDR) ergeben.
40 Prozent der Befragten sagen demnach, die Atomwaffen sollten unverändert stationiert bleiben, zwölf Prozent befürworten sogar eine Modernisierung und Aufstockung. 39 Prozent votieren noch für einen Abzug. Neun Prozent antworteten mit „Weiß nicht / Keine Angabe“.
Damit hat sich seit dem Krieg in der Ukraine auch die Haltung der Deutschen zu Atomwaffen verändert. In den vergangenen Jahren hatte es in vergleichbaren Umfragen oft sehr deutliche Mehrheiten für einen Abzug der US-Atomwaffen gegeben. Noch Mitte 2021 waren etwa laut einer Studie der Münchener Sicherheitskonferenz nur 14 Prozent der Befragten für Atomwaffen in Deutschland, eine Mehrheit von 57 Prozent wollte deren Abzug.
Besonders groß ist in der aktuellen Umfrage im Auftrag von „Panorama“ die Zustimmung zu US-Atomwaffen bei den Anhängerinnen und Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen: 64 Prozent sprechen sich für den Erhalt oder sogar die Aufstockung der US-Atombomben in Deutschland aus. Knapp dahinter folgen die Anhängerinnen und Anhänger von CDU/CSU sowie der FDP mit 61 Prozent. Bei der SPD sind 56 Prozent dafür. Nur bei der AfD votiert eine Mehrheit (56 Prozent) für den Abzug der Waffen.
Unterschiedlich wird die Frage in West- und Ostdeutschland gesehen: Während im Westen 56 Prozent der Befragten für eine weitere Stationierung oder die Aufstockung sind, sind es im Osten nur 38 Prozent. 54 Prozent befürworten dort hingegen einen Abzug der US-Atomwaffen.
Derzeit lagern Schätzungen zufolge 20 US-Atombomben im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz – im Rahmen des Konzepts der „Nuklearen Teilhabe“ innerhalb der NATO. Im Ernstfall tragen deutsche Kampfjets die US-Bomben ins Ziel. Noch im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien als Ziel „Deutschland frei von Atomwaffen“ formuliert. Nach der russischen Invasion in die Ukraine hat die Bundesregierung jedoch bekanntgegeben, die in Büchel stationierte überalterte Tornado-Flotte durch moderne Flugzeuge des Typs F-35 von Lockheed Martin ersetzen und damit Deutschlands Rolle in Hinblick auf die nukleare Abschreckungspolitik der NATO stärken zu wollen.
Zuletzt wurden in der Politik auch Stimmen laut, sich über eigene Atomwaffen innerhalb der EU Gedanken zu machen. Hintergrund sind die nuklearen Drohungen Putins, vor allem aber auch die Sorge, dass ein künftiger US-Präsident erneut die NATO-Mitgliedschaft und damit die Sicherheitsgarantien auch für Deutschland in Frage stellen würde – so es wie Donald Trump getan hat.
Der neugewählte Präsident der Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber, sagte im „Panorama“-Interview: „Die heutige Europäische Union ist, das muss man mal ganz brutal sagen, nackt in einer Welt von Stürmen. Wir können uns als Europäer heute sowohl konventionell als auch nuklear nicht selbst verteidigen ohne die Partner von außen. Und das heißt, wir müssen jetzt auch über die nukleare Option reden.“ Auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert, die europäische Sicherheit weiter zu stärken: „In Hinblick auf den nuklearen Schutzschirm müssen wir mit Frankreich ins Gespräch kommen und über eine Ausweitung des französischen Atomprogramms diskutieren“, so Heusgen gegenüber „Panorama“. Frankreich ist das einzige Land in der EU, das über Nuklearwaffen verfügt.
Deutschland selbst hat sich vertraglich verpflichtet, keine Atomwaffen zu besitzen. Die Umfrage im Auftrag von „Panorama“ zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten (71 Prozent) auch weiterhin der Meinung ist, Deutschland solle auch im EU-Rahmen keinen Zugriff auf eigene Atomwaffen bekommen. 20 Prozent befürworten dies hingegen.
Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap befragte im Auftrag von „Panorama“ vom 30. Mai bis zum 1. Juni 2022 insgesamt 1337 zufällig ausgesuchte, wahlberechtigte Personen ab 18 Jahren in Deutschland. Die Fehlertoleranz beträgt zwischen 2 Prozentpunkten (bei 10 Prozent Anteilswert) und 3 Prozentpunkten (bei 50 Prozent Anteilswert).
„Panorama“ berichtet über das Thema am Donnerstag, 2. Juni, um 21.45 Uhr im Ersten.
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