Team Todenhöfer – eine Blaupause für eine zukünftige Migrantenpartei?
Ein Gastkommentar von Hakan Işık
Eine finale Aufmerksamkeit bekam die Partei Team Todenhöfer jüngst durch Mesut Özil, bereits davor hatten NEX24 und TRT Deutsch mit mehreren Artikeln über die Partei des Jürgen Todenhöfer berichtet. Auffällig ist, dass die genannten Nachrichtenseiten eher neutral beschreibend auf die Wahlumfragen eingehen und auf das Wahlpotenzial dieser Partei hinweisen.
Anders die etablierten Mainstreammedien, hier firmiert ein anderes Bild, die Wahlprognosen spielen weniger eine Rolle, stattdessen wird der politische Lebenslauf des Jürgen Todenhöfer in den Mittelpunkt gerückt. Hier ist die BILD federführend, ausgiebig widmet sich die Tageszeitung einem negativen Image hin. Pedantisch werden Haltungen des ehemaligen CDU-Politikers zu radikalen Kräften, Diktatoren und zu der IS aufgezählt, Das Fazit der BILD steht auch damit fest, Jürgen Todenhöfer ist antiwestlich und antisemitisch. Was damit beabsichtigt ist: das Team Todenhöfer ist eine „antidemokratische Partei“.
„Seine Pässe waren überraschend, seine politische Ausrichtung ist verstörend“
So leitet die BILD den Artikel über Mesut Özil ein, damit ist seine Stimmabgabe für das Team Todenhöfer gemeint. Erneut wird Mesut Özil politisiert und unterschwellig wird suggeriert, Mesut Özil wählt einen Antidemokraten. Ob Jürgen Todenhöfer tatsächlich antidemokratisch ist, wäre für uns und mich als Politikwissenschaftler eine akademische Frage. Ich würde eher beruflich als politischer Berater auf wesentlich wichtigere Aspekte eingehen, welche den Wandel der Gastarbeiteridentität komplexer ausdifferenzieren.
Zwei Stränge charakterisieren uns Deutschtürken auf eine sehr eindringliche Weise.
An einem Strang stehen symbolisch Uğur Şahin und Özlem Türeci sowie Mesut Özil an dem anderen Strang.
Beide Stränge verdeutlichen die Integration der Deutschtürken über den akademischen und unternehmerischen Weg sowie dem sportlichen Weg. Nur in diesen Sphären lässt sich die Integration medial messen und „verwerten“. Die beiden Unternehmer des Pharmaunternehmens BioNTech haben eine sehr bedeutende Relevanz, hierdurch können sie auch ganz anders agieren. Sie können entweder in Deutschland weiterhin investieren und zugleich auch in der Türkei sowie anderswo. Um sie oder um andere deutschtürkische Unternehmer und Akademiker muss Berlin buhlen, wenn nicht zieht das Kapital und Humankapital weiter und damit werden Berlin Steuern und Forschungsvorteile entgehen. Diejenigen die sich darüber bewusst sind , artikulieren sich politisch strategischer für die CDU und FDP.
Sie kennen die adäquaten Adressaten ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen, im Kontext der anstehenden Bundestagswahl sind jedoch diese strategischen Wählerstimmen nicht nur auf Akademiker und Unternehmer beschränkt, auch die konservativen Deutschtürken ziehen diese beiden Adressaten vor. Nach der Bundestagswahl wird diese Interessenpolitik noch deutlicher werden und dementsprechend wird der Lobbyismus für deutschtürkische Interessen an diesen Adressaten sich ausrichten. Verstörend ist daher, dass das hiesige politische Establishment dies immer noch nicht erkannt hat.
Mesut Özil scheint hingegen, etwas erkannt zu haben, die Interessenvertretung ist nicht ausschließlich an die bisherigen fünf Parteien gebunden.
Die Mehrheit der Deutschtürken hat erkannt, dass die Interessenvertretung in der SPD, bei den Grünen und Linken nicht effektiv ist!
Aus der Mitte dieser Deutschtürken formuliert dies Mesut Özil medial-öffentlich und ortet vorerst eine Alternative. Nicht unbedingt weil das Team Todenhöfer unter Jürgen Todenhöfer tatsächlich eine langfristige Option wäre, es sind die politischen Inhalte des Team Todenhöfers. Die Themen Islam, Nahostpolitik, Partizipation, Frieden usw. werden von Team Todenhöfer rein technisch anders behandelt und offener gelebt.
Allein das Bild einer Wahlkreis-Kandidatin des Team Todenhöfers mit Kopftuch ist bildlich bereits liberaler. Durch Mesut Özils Parteinahme ist ein Effekt des door openers zu beobachten. Präziser lässt sich das so formulieren, die von dem Team Todenhöfer artikulierten politischen Inhalten entsprechen den politischen gegenwärtigen Themen dieser wählenden Migranten.
Diese Inhalte spielen andererseits bei der SPD, Grünen und Linken keine Rolle, eher werden diese Inhalte politisiert und benutzt. Die politischen Ideen und Vorstellungen der SPD, Grünen und Linken müssen diese Migranten und ganz besonders die Deutschtürken annehmen und über sich ergehen lassen, das ist akademisch-klassisch mit oktroyiert zu umschreiben. Dieses Aufsetzen und der Zwang sind der oft beschriebene Akt der Blankostimmen, im aktuellen Wahlkampf heißt das 12 Euro Mindestlohn respektive stabile Renten im Gegenzug für Diversitäten, Gendersprache, willkürlichen Geschlechterkonstruktionen usw. und zugleich das Fortführen einer aggressiven Anti-Türkeipolitik dieses Blocks aus dem linken Spektrum. Dies findet keine Zustimmung sondern eher einen Unbehagen unter den Deutschtürken.
Zukünftig wird die Parteipräferenz der Deutschtürken an der Intensität einer aggressiven Anti-Türkeipolitik respektive konstruktive Türkeipolitik messbar sein sowie in der Handhabe der Islampolitik der bisherigen fünf. Aufgrund des Wandels bei der CDU und FDP können, im Gegensatz zu den vorangegangenen Regierungsperioden tendieren verstärkt Deutschtürken zur CDU und FDP, diese beiden Parteien theoretisch die Möglichkeit die Fehler der SPD, Grünen und Linken vermeiden. Faktisch können sie bei dieser Wahl die strategischen Wählerstimmen der Deutschtürken nutzen und eine weitaus konstruktivere Politik gestalten.
Eine „Weiter so-Politik“ wird die Gründung einer Migrantenpartei vorantreiben
Daher steht nicht Jürgen Todenhöfer mit all seinen kontroversen Interviews und Haltungen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die authentischeren Themen des Team Todenhöfers stellen eine Alternative dar und zeigen die Machbarkeit dieser Inhalte sichtbar. Die hohe Anzahl an Migranten beim Team Todenhöfer bestätigen die Nachfrage nach diesen Inhalten. In den Sozialen Medien werben auffällig viele für das Team Todenhöfer und zugleich ist der hohe Anteil der deutschtürkischen Engagierten ein Beleg hierfür.
Gestaltet sich auch die Möglichkeit einer konstruktiven Politik innerhalb der CDU erfolglos und die strategischen Wählerstimmen verkommen zum Phänomen der Blankostimmen, wird der Druck nach einer Migrantenpartei und Alternative stärker werden.
In diesem Kontext ist das Team Todenhöfer nicht nur politikwissenschaftlich interessant, vielmehr richtungsweisend und inhaltlich ist das Team Todenhöfer interessant. Schneiden sie sogar auffällig gut ab, liegt eine deutliche Blaupause für die Zukunft bereit, falls die Interessenvertretung bei den arrivierten Parteien erfolglos bleibt. Und genau hierin liegt die Bedeutung der Parteinahme Mesut Özils für das Team Todenhöfer. Mesut Özil ist das politische Marketing. Die politischen Experten werden am Sonntag die Reichweite, Zielgruppen und die politische customer journey analysieren – nicht Jürgen Todenhöfer.
Auch die CDU sollte das Abschneiden des Team Todenhöfers analysieren – nicht nur wir Deutschtürken! Selbst das Scheitern an der 5%-Hürde wird nicht mehr über diesen Umstand mehr hinwegtäuschen.
Das Team Todenhöfer hat mit der Auswahl der politischen Themen eine Lanze gebrochen – eine Migrantenpartei ist theoretisch und faktisch nunmehr möglich.
Gastbeiträge geben die Meinung der Autoren wieder und stellen nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
Zum Thema
– Bundestagswahlen –
Team Todenhöfer erreicht bei Umfragen bereits 9 Prozent
Die erst im November vergangenen Jahres gegründete Partei des ehemaligen CDU-Abgeordneten Jürgen Todenhöfer erreicht bei repräsentativen Umfragen bereits fast neun Prozent. Todenhöfer saß schon von 1972 bis 1990 für die CDU im Deutschen Bundestag.