US-Sanktionen CAATSA gegen die Türkei
Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge
2017 unterzeichnete US-Präsident Trump ein Gesetz zur Umsetzung und Ausweitung von Sanktionen mit dem Namen Countering America´s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA). Diese Maßnahmen sollten bereits bestehende Sanktionen gegen Staaten wie Russland, dem Iran oder Nordkorea noch einmal verschärfen.
Durch diese Maßnahmen haben die USA die Möglichkeit, Strafmaßnahmen auf Personen und Unternehmen aus Drittstaaten auszuweiten, die mit den eigentlichen beschlossenen Sanktionen geschäftliche Beziehungen führen. Am Montag hatten die USA Strafmaßnahmen gegen das NATO-Mitglied Türkei bzw. gegen das Direktorat der Verteidigungsindustrie (Savunma Sanayii Başkanlığı) verkündet. Es ist ein unerhörter Vorgang die Türkei mit Staaten wie Nordkorea oder Iran gleichzusetzen.
Erste Anzeichen für Sanktionen der US-Administration gab es nach der Kaufentscheidung der türkischen Regierung hinsichtlich des russischen S-400 Flugabwehrsystems. Ihren Höhepunkt erreichten die Spannungen 2019 mit einem Brief des US-Verteidigungsministeriums, in dem das Pentagon die Türkei aus dem Programm des Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeugs F-35 als Partnerland strich, obwohl türkische Unternehmen über 900 Teile für dieses Flugzeug produziert hatten und die Türkei mehr als 1 Milliarde US-Dollar für dieses Projekt bereits ausgegeben hatte.
Strafmaßnahmen zielen direkt auf das Direktorat der türkischen Verteidigungsindustrie
Wenn im US-Senat ein Gesetz mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wird, hat der US-Präsident keine Möglichkeit, dieses Gesetz mit seinem Veto zu verhindern und ist verpflichtet, es innerhalb von 30 Tagen zu unterschreiben. Die Strafmaßnahmen zielen direkt auf das Direktorat der türkischen Verteidigungsindustrie, dessen Direktor und weitere Kollegen, die an dem Kauf des russischen Flugabwehrsystems beteiligt waren. Welche konkreten Maßnahmen enthalten die Sanktionen?
In einem Gesetz heißt es, die genannten Personen würden keine Einreisevisa mehr in die USA erhalten, deren Vermögen in den Vereinigten Staaten eingefroren oder keine Banküberweisungen tätigen können. Darüber könnte man noch hinwegsehen, allerdings gibt es noch andere Punkte, die nicht zu unterschätzen sind. Ein Aspekt ist das Verbot, Verträge mit US-Dollar abzuschließen, bei dem zum Beispiel ein Land mit der Türkei ein Abkommen unterzeichnet und die Bezahlung des Geschäfts in der US-Währung erfolgen soll. Wenn dieses Geld von der US-Zentralbank geliehen werden sollte, würde dieses Gesetz greifen und die US-Behörden die Verleihung verhindern.
Ich habe einige Sanktionsmaßnahmen, die aus dem CAATSA-Gesetz gegen das türkische Direktorat für Verteidigungsindustrie sind, stichpunktartig zusammengefasst:
- Ein Verbot der Unterstützung der US-Export-Import Bank für Exporte an das Direktorat für Verteidigungsindustrie
- Keine Lizenzen für Produkte und Technologietransfer vergeben
- Keine Kredite von US-Banken und Finanzinstitutionen
- Die USA verpflichten sich, Darlehen, die von internationalen Finanzinstitutionen an das Direktorat für Verteidigungsindustrie gedacht sind, zu blockieren
- Keine Geschäfte von Finanzinstitutionen mit der US-Zentralbank
- Keine Ausschreibungen oder Verträge mit Personen oder Einrichtungen, die von den Sanktionen betroffen sind
- Keine Bearbeitung von erwähnten Geschäften in der US-Währung
- Keine Erlaubnis zur Eröffnung oder Bildung von Vermögenswerten in den USA, die von den Maßnahmen betroffen sind
- Kein Verkauf von Vermögen oder die Gewährung eines Kredits in den USA an Personen oder Einrichtungen, die in den Strafmaßnahmen genannt wurden
- Personen, die von Sanktionen betroffen sind, wird die Einreise in die USA verwehrt
- Höhere Beamte und Vorstände, die mit dem Direktorat für Verteidigungsindustrie zusammenarbeiten, sind ebenfalls von den Maßnahmen betroffen
Angekündigte Sanktionen schwächen das NATO-Militärbündnis
Die von Washington angekündigten CAATSA-Strafmaßnahmen gegen den NATO-Partner Türkei werden das nordatlantische Militärbündnis eher schwächen. Die USA hatten seit einiger Zeit bereits inoffiziell Strafmaßnahmen gegen die Rüstungsindustrie der Türkei eingeleitet, und mit diesem Gesetz wird es jetzt offiziell. Die Entscheidung der türkischen Regierung zur Anschaffung von russischen Flugabwehrraketen des Typs S-400 war ein wohlüberlegter geostrategischer Beschluss, weil die USA gleichzeitig einen Verkauf des US-Flugabwehrsystems Patriot Ankara verweigert haben und somit der Türkei keine Unterstützung gegen mögliche Luftangriffe gewähren wollten.
Die geografische Lage der Türkei und die instabile Lage in unmittelbarer Nachbarschaft sind weitere Faktoren, die bei der Anschaffung der russischen S-400 eine Rolle gespielt haben. Die von den Vereinigten Staaten vorgebrachte Argumentation, wonach geheime Informationen über das Tarnkappenkampfflugzeug F-35 über das russische Flugabwehrsystem S-400 an Moskau gelangen könnten, sind nicht stichhaltig.
Ambivalente Politik der USA gegenüber der Türkei
Ferner gibt es unterschiedliche Positionen über die Politik im Nahen Osten, im östlichen Mittelmeer und auch im Kaukasus. Der Vorwurf der USA und einiger anderer westlicher Verbündeter, die Türkei würde sich nicht wie ein NATO-Verbündeter verhalten, ist aus der Luft gegriffen. Tatsächlich sind es gerade diese Staaten, die die Türkei im Kampf gegen Terrororganisationen wie die PKK oder Daesh (IS) im Stich gelassen haben bzw. in Syrien die PKK/YPG massiv mit Waffen unterstützen und es zugelassen haben, dass diese circa 30 Prozent in Nordostsyrien besetzt hält.
Die Sicherheitsinteressen Ankaras wurden von den Regierungen dieser Staaten nicht ernst genommen, und die international als Terrororganisation eingestufte PKK wird nach wie vor unterstützt. Zu den Beziehungen der USA mit der Türkei erklärte der NATO-Botschafter der Vereinigten Staaten vor einiger Zeit in Brüssel, er sehne sich an die „good old days“ mit der Türkei zurück. Diese Aussage ist kein Zufall, weil die US-Administration einen „NATO-Verbündeten“ sich wünscht, der die Sicherheitsinteressen der USA in der Region in vollem Umfang umsetzt.
Washington und andere europäische Verbündete wollen auch keine Türkei, die ihre eigenen Technologien sowie Waffensysteme entwickelt und damit unabhängig handelt. Das ist auch der Grund, warum diese Staaten wegen der zunehmenden Unabhängigkeit der Türkei im Rüstungssektor sich besorgt äußern.
Das grundlegende Ziel der Türkei bei der Beschaffung des russischen Flugabwehrsystems bestand darin, den eigenen Luftraum gegen feindliche Angriffe zu schützen und der türkischen Regierung steht es frei, welche Systeme sie nutzt, zumal es einige andere NATO-Staaten wie Griechenland oder Bulgarien gibt, die die russischen S-300 Flugabwehrraketen in ihrem Bestand haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Türkei ihre eigenen Luftabwehrsysteme dieser Reichweite produziert und nutzt, da die türkischen Hersteller bereits erfolgreich Flugabwehrraketen mit kürzerer und mittlerer Reichweite getestet haben.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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