Von Kemal Bölge
Selten gab es eine türkische Rockgruppe, die 1968 gegründet, den Stil des anatolischen Rock so eindrucksvoll prägte wie die Band Moğollar.
Sie waren es, die die türkische Rockmusik mit der Volksmusik kombinierten. Instrumente wie die Laute (Bağlama), die kleine Langhalslaute (Cura) sowie die faszinierenden Rhythmen und Tänze gelangten auch nach Europa. Die Wege von Engin Yörükoğlu, Cahit Berkay, Murat Ses und Aziz Ahmet kreuzten sich 1967, da alle zuvor bei verschiedenen Musikgruppen Erfahrungen gesammelt hatten. Als die vier beschließen, ihre musikalischen Gemeinsamkeiten als Team zu verfeinern, gesellt sich der Bassist Haluk Kunt dazu.
Die erste 45er-Single mit dem Song Artık Çok Geç (Jetzt ist es zu spät) veröffentlichen Moğollar 1968. Für die späten 60er-Jahre ist dieses melancholische Lied der erste Erfolg. Die zweite Single Mektup (Der Brief) entwickelt sich zu einem echten Hit. Der psychedelic Rock der 60er-Jahre ist deutlich hörbar. Den endgültigen Durchbruch schaffen sie im gleichen Jahr beim Musikwettbewerb des goldenen Mikrofons mit dem Titel Ilgaz. Dabei geht es um den gleichnamigen Berg Ilgaz in Kastamonu/Türkei.
Der ungewohnten Popularität folgt eine Konzerttour durch die gesamte Türkei und ein Plattenvertrag mit CBS in Paris. Mit dem neuen Vertrag in der Tasche bringen Moğollar das englischsprachige Lied Behind The Dark heraus. Das Glück ist hold mit den fünf Musikern und ihnen gelingen weitere Hits und 1971 die erste LP.
Während des Aufenthalts in Paris lernen sie Barış Manço kennen, der zu dieser Zeit in Belgien lebt, sich aber gerade in der französischen Hauptstadt aufhält. Manço erkennt das musikalische Potenzial und beschließt, mit der Gruppe zusammenzuarbeiten. Die Entscheidung zum Musikprojekt sollten sie nicht bereuen.
Ein Song von dieser kongenialen Zusammenarbeit ist İşte Hendek İşte Deve (1971). Als Gruppe veröffentlichen Moğollar zwei LPs und eine Single. Es folgt ein weiterer Vertrag mit einer Plattenfirma, aus dem unter anderem das Lied Düm Tek entsteht. Das Jahr 1976 ist ein einschneidendes Jahr für die Band, denn es kommt in Paris zum Zerwürfnis und zur Trennung. Es ist Spekulation, ob es am musikalischen Erfolg lag, der Moğollar zu Kopf gestiegen war oder die unterschiedlichen Ziele der Musiker.
Wir schreiben das Jahr 1992: Die Redaktion der Zeitschrift Leman hat eine pfiffige Idee. Moğollar sollen als Gruppe wieder Musik machen. Dazu wird eine Unterschriftenaktion gestartet und am Ende der Kampagne kommen mehrere Tausend Unterschriften zusammen. Die Musiker bitten um Bedenkzeit und feiern 1993 mit einem Konzert in Istanbul ein musikalisches Revival.
Motiviert vom großen Zuspruch und Erfolg bringt die Gruppe bis 2004 fünf weitere Alben heraus. Neben Serhat Ersöz stößt der Sohn von Cem Karaca, Emrah Karaca zur Band. 2009 gelingt ein qualitativ richtig gutes Album Umut Yolunu Bulur (Die Hoffnung wird seinen Weg finden). Hier ein Absatz aus dem Song, den ich sinngemäß übersetzt habe.
Savrulurken düşünceler her an aklımda
Ben kalırım zaman gider bakmaz ardına
Gün değirmeni boş duvarlarda
Dur dönüp durma dur dönüp durmaWährend ich verwehe, sind meine Gedanken jederzeit in meinem Kopf
Ich bleibe, die Zeit vergeht und blickt nicht zurück
Die Tage vergehen schnell, die Tage vergehen schnell
Lass die Zeit stehen bleiben
Die Künstler brachten 2014 ein weiteres Album mit alten Songs heraus. Ein großer Verlust für die Gruppe war der Tod des Schlagzeugers Engin Yörükoğlu 2010 sowie des Solisten Aziz Ahmet, der 2018 verstarb. Ein bekannter Protestsong ist Dinleyiverin Gari (Hört euch das mal an). Das Video dazu ist vom Konzert 2019 in Ankara. Von den ursprünglichen Bandgründern ist nur noch Cahit Berkay übriggeblieben, der über eine lange Zeit als der Kopf der Musiker galt. Bleibt zu hoffen, dass diese großartigen Musiker als Gruppe erhalten und vielen Menschen noch lange in Erinnerung bleiben mögen.
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