Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick sieht wegen der Einschränkungen im Zuge der Coronakrise ein erhöhtes Risiko von Gewalttaten.
„Die Konflikt- und Gewaltforschung rechnet in Krisenzeiten mit solcher Gewalt, die sich vor allem gegen vermeintlich Schwächere richtet. Wir müssen sie ernst nehmen, und sie kann zunehmen, wenn die Krise sich verschärft und die Stresssituation durch die eingeschränkten Freiheiten das Erregungs- und Aggressionsniveau bei jenen steigert, die eh schon aggressiv gestimmt sind“, sagte Zick dem Westfalen-Blatt.
Zick rief dazu auf, vermehrt auf den Schutz von bedrohten Gruppen zu achten. „Kinder, die eh schon geprügelt und misshandelt werden, Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden, wohnungslose Menschen, Menschen mit Behinderungen sind unter solchen Umständen bedrohter. Aus Überforderung und Freiheitseinengung kann Aggression entstehen, und die trifft Schwächere“, sagte der Leiter des Insituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universtität Bielefeld.
Auch in und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise sei nach Analysen der Gewaltforschung die Menschenfeindlichkeit gestiegen. „Wir wissen aus der Forschung, dass im Auslauf der Krisen der Konkurrenzkampf wieder losgeht und dann Gruppen verdrängt werden. Wir nehmen jetzt schon wieder das Elend der Geflüchteten an der griechisch-türkischen Grenze leichter hin. Wir gewöhnen uns vielleicht an härtere Maßnahmen. Wir müssen aufpassen, nicht autoritär und aggressiv zu werden, und das kommt eben teilweise am Ende und im Auslauf der Krise“, sagte Zick weiter.
Die verbreiteten Hamsterkäufe erklärt Zick als Panikreaktion auf eine sich ausbreitende Verunsicherung. „Schwer verunsicherte und ängstliche Menschen neigen dazu, nur noch Informationen zu verarbeiten, die in ihr Weltbild passen. Wenn sie fest daran glauben, dass es bald nichts mehr zu kaufen gibt, dann erzeugt die Panik weiteren Stress, und den werden die Menschen los, indem sie Lager anlegen“, sagte der Gewaltforscher an der Universität Bielefeld der Zeitung weiter. „Panik erzeugt einen Wahrnehmungstunnel, und dann orientieren sich panische Menschen an panischen Menschen und Panikinformationen. Statt sich also mit Gegenargumenten auseinanderzusetzen, orientieren sie sich an Menschen, die ihnen ähnlich sind“, sagte Zick.
Hier helfen Zick zufolge nur Maßnahmen, die viele Geschäfte jetzt ausführten, nämlich keine Panikkäufe zuzulassen. „Viele Angestellte in den Geschäften verhalten sich ziemlich cool und sprechen Panikkäufe als unerwünscht an. Diese Menschen brauchen Unterstützung, weil das sehr unangenehm sein kann“, sagte Zick dem Westfalen-Blatt.
Einigung auf umfassendes Kontaktverbot
Am Sonntag haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, Ansammlungen von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum zu untersagen. Auf Ausgangssperren wurde verzichtet, stattdessen einigten sich Bund und Länder auf ein umfangreiches Kontaktverbot.
Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist für die nächsten zwei Wochen „nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz am Sonntag in Berlin mitteilte.
„Nach unserer Einschätzung ist nicht das Verlassen der Wohnung die Gefahr, sondern der enge, unmittelbare Kontakt“, so NRW-Ministerpäsident Armin Laschet nach einer Telefonkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder.
„Die Menschen haben nach wie vor die Möglichkeit, Spaziergänge oder Sport in der Natur zu machen, aber wir werden auch der Verantwortung gerecht, die Ausbreitung weiter zu verlangsamen und so wertvolle Zeit zur Versorgung von schwer kranken Personen zu gewinnen“, sagte Tobias Hans, CDU, Ministerpräsident des Saarlandes.
Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen bleiben aber weiter möglich.