Ein Gastbeitrag von Kemal Bölge –
kboelge@web.de
Es war der 25. März 2009, also vor 11 Jahren, als Muhsin Yazıcıoğlu, Vorsitzender der Partei der Großen Einheit (BBP), in der türkischen Stadt Kahramanmaraş an einer Wahlkampfveranstaltung teilnahm, um anschließend nach Sivas, seiner Heimatstadt, zurückzufliegen. Entgegen seiner Gewohnheit, fuhr Yazıcıoğlu nicht mit dem Auto, sondern mietete über sein Wahlkampfteam einen Hubschrauber.
„Muhsin Başkan“ (heißt übersetzt sinngemäß der Chef bzw. der Vorsitzende) und seine Begleiter stiegen in den Hubschrauber und flogen los. Der Pilot bemerkte technische Probleme und nach Erkenntnissen der Ermittler nahm dieser um 15:03 Uhr Ortszeit eine harte Landung vor. Die Gegend, über dem der Hubschrauber vor seinem Absturz flog, war der Berg Keş (über 2.000 Meter hoch), der zu dieser Zeit schneebedeckt war. In der Maschine befanden sich neben Yazıcıoğlu, der Pilot, drei Parteifreunde und der Journalist Ismail Güneş. 23 Minuten nach dem Absturz rief der schwerverletzte Journalist Güneş über sein Mobiltelefon den Notruf 112 an.
Es wurde eine groß angelegte Suchaktion nach dem abgestürzten Hubschrauber gestartet, die von Einheiten der Gendarmerie und Armee unterstützt wurde. Das Polizeipräsidium in Kahramanmaraş war einer der Stellen, von wo die Suchaktion nach dem Hubschrauber koordiniert wurde. Dort passierte gegen 17:40 etwas Außergewöhnliches. In der Abteilung Nachrichtendienst des Polizeipräsidiums arbeitete Dursun Özmen, der eine Mitteilung an alle Polizeipräsidien der 81 Provinzstädte versenden ließ.
Er wurde von seinem Kollegen ermahnt, diese Mitteilung nicht zu versenden, da die Absturzstelle nicht im Amtsbereich der Polizei liege, sondern der Gendarmerie unterstellt sei.
In der Mitteilung hieß es „Muhsin Yazıcıoğlus Bein ist gebrochen und wird mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht.“ Die Mitteilung wurde versendet und das eigentlich kuriose daran: Die Suchtrupps finden erst 48 Stunden später das Wrack des Hubschraubers und Yazıcıoğlus lebloser Körper wurde 50 Meter entfernt von der Absturzstelle gefunden und ein Bein war tatsächlich gebrochen. Das bedeutet, dass nach dem Unglücksabsturz sich Personen am Unglücksort aufgehalten haben müssen.
Nach Ansicht des Journalisten Köksal Akpınar (TRT Haber) hätten mindestens vier der sechs Opfer gerettet werden können, einschließlich Muhsin Yazıcıoğlu, wenn an die Rettungsteams die richtigen Koordinaten des Absturzortes versendet worden wären. Der Journalist Güneş sei nach dem Absturz mindestens bis 18:00 Uhr noch am Leben gewesen. Das gleiche gelte für Yazıcıoğlus Parteikollegen Erhan Üstündağ und Erhan Yancı sowie Yazıcıoğlu selbst.
Nach Ansicht der beiden Journalisten Köksal Akpınar und Nedim Şener wurde den Rettungsteams mit Absicht die falschen Koordinaten der Absturzstelle mitgeteilt, damit die Opfer des Hubschrauberabsturzes der Kälte vor Ort ausgesetzt und ohne fremde Hilfe sterben. Die wichtige Frage wäre, um wen es sich bei Dursun Özmen handelt? Vor seiner Versetzung an das Polizeipräsidium in Kahramanmaraş war Özmen Stabschef von Ramazan Akyürek, der vor seiner Verhaftung Präsident des zentralen Nachrichtendienstes der Polizei war.
Akyürek galt innerhalb der Polizei als einer der wichtigsten Männer des terroristischen Gülen-Netzwerks. Die Gülen-Mitglieder bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und anderen Behörden, hatten die Aufklärung über die Umstände des Hubschrauberabsturzes von Muhsin Yazıcıoğlu sowie seiner Begleiter und Beweismittel jahrelang systematisch unterschlagen. Die türkischen Ermittlungsbehörden konnten anhand der Telefonanrufe von Dursun Özmen am Absturztag des Hubschraubers feststellen, dass dieser 38 Mal mit dem zentralen Nachrichtendienst der Polizei bzw. mit Akyürek in Kontakt stand bzw. von ihm Weisungen erhielt.
Nach Nedim Şener liegen der Generalstaatsanwaltschaft in Kahramanmaraş genügend Beweise vor und es wurden Ermittlungen gegen Fetö-Mitglieder (Fetullahistische Terrororganisation) und den in die USA geflohenen Terrorchef F. Gülen eingeleitet. Die Familie von Yazıcıoğlu hat bei der türkischen Staatsanwaltschaft die Verhaftung von Gülen und seine Auslieferung an die Türkei verlangt.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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