Ein Gastkommentar von Nabi Yücel
Die nationalistisch-kurdische Partei HDP offenbart immer mehr, wessen Geistes Kind sie ist. Völlig verblendet durch die politische Agenda, die Bedingungen der Terrororganisation PKK an die türkische Regierung zu diktieren und auf der Tagesordnung zu halten, missachtet sie sogar gegenüber der „eigenen Bevölkerung“ jedwedes moralisches Feingefühl.
Schlimmer noch: sie erpresst die Mütter, Väter und das Land mit Kindersoldaten und wirkt teilweise unbeholfen bis aggressiv.
Wer wird daher der nationalistisch-kurdischen Partei HDP gefährlich? Die amtierende Regierungspartei AKP unter Erdoğan oder die nationalistische Mutterlandspartei MHP? Keiner von beiden! Wenn die HDP Stimmen und Unterstützung verliert, dann durch ihre eigene maximale nationalistische Ansicht und ernstzunehmende radikale Erpressung der Gesellschaft wie auch der türkischen Regierung.
Seit Ende August sitzen Mütter und Väter, aber auch Angehörige vor dem Parteiverband der HDP in Diyarbakır. Erst war es die 70-jährige Hacire Akar, selbst kurdischer Abstammung, dann wurden es immer mehr. Gegenwärtig halten rund 45 Familien aus dem In- wie auch Ausland einen Sitzstreik vor der Parteizentrale und fordern die Freilassung ihrer Kinder, die in jüngster Zeit oder vor Jahren von der Terrororganisation PKK entführt wurden.
Sie wollen gemeinsam erreichen, dass die HDP sprichwörtlich ihr Wort hält und für Frieden sorgt; eine, die den Müttern und Vätern sowie Angehörigen wieder den seelischen Frieden bringt. Viele haben überhaupt keinen Kontakt, andere haben seit Jahren nichts von ihren Kindern gehört und wiederum andere nur auf irgendwelchen sozialen Netzwerken Bilder gesehen, auf denen ihre Kinder in Kampfmontur posieren.
Viele dieser Mütter und Väter erzählen von politischer bzw. ideologischer Indoktrination ihrer Kinder, oftmals in den Parteistrukturen der HDP selbst, die dazu geführt habe, dass ihre Kinder mit den Terroristen in die Berge gegangen sind. Andere erzählen von Entführung, manche über nicht aufgebrachte Spendenmittel – darunter in Höhe von 30.000,- Türkischen Lira – in deren Konsequenz die Kinder unter Waffengewalt mitgenommen worden seien.
Die erste Reaktion der nationalistisch-kurdische Partei HDP war ernüchternd, aber nicht wirklich unverständlich. Die Rolläden wurden heruntergelassen. Offenbar ging man davon aus, dass die Mütter und Väter aufgeben und nach Hause trotten. Dem war aber nicht so.
Nach einigen Tagen meldete sich dann ausgerechnet der HDP-Abgeordnete von Kocaeli und Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses Ömer Faruk Gergerlioğlu, um vom politischen Missbrauch der Mütter sowie über fehlendes Rechtssystem sowie Gleichheitsgrundsatz zu sinnieren, damit man diesen Kindern helfen könne.
In das gleiche Horn bließ nur kurze Zeit darauf die Parteizentrale selbst und erklärte, die Regierung sowie Polizei arbeite Hand in Hand, um die Familien gegen die HDP aufzustacheln.
Als wäre da nicht genug Porzellan zerschlagen, meldete sich der HDP Co-Stellvertreter Azad Barış zu Wort und erklärte, „auch diese Kinder sind unsere, aber nicht im Kampf sondern im Frieden werden sie kommen.“ Konkret meinte Azad Barış eigentlich ja nur, dass die Kinder solange als Kanonenfutter für den Terror behalten werden, wie auch die türkischen Sicherheitskräfte die Sicherheit des Landes gewährleisten.
Wohl um Schadensbegrenzung bemüht, meldete sich daraufhin aus dem Gefängnis heraus der ehemalige Co-Vorsitzende Selahattin Demirtaş, um zu erklären, dass er die Mütter und Väter verstehe, die HDP aber damit nichts zu tun hätte.
Da fragt man sich verwundert, was die Familien dann eigentlich vor der HDP zu suchen haben? Der selbe Demirtaş, der lange Zeit darauf hin gearbeitet hat, dass die Regierung sich darauf einlässt, eine Kommission zu bilden und den Oberguru der PKK, Abdullah Öcalan, der auf der Gefängnisinsel İmralı einsitzt, an den runden Tisch zu setzen, spricht davon, dass die HDP nichts mit der PKK zu tun hat.
Derweil beschäftigt sich die HDP mit einer Mutter die in Ankara vor der Zentrale der AKP für ihren hinter Gitter sitzenden Sohn protestierte und von der Polizei vorläufig festgenommen wurde. Die HDP tut das nicht, weil sie damit einer Mutter helfen will, deren Sohn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation (FETÖ) verurteilt wurde, sondern um ihr Schicksal mit den Müttern in Diyarbakır gleichzusetzen und damit die angebliche Rechtsbeugung und moralische Verfehlung zu unterstreichen. Was der Presseabteilung der HDP entgangen zu sein scheint ist, dass die Mutter in Ankara um einen Sohn besorgt ist, der rechtmäßig verurteilt wurde, während die Mütter um ihre Söhne und Töchter besorgt sind, die in Kindsalter entführt oder ideologisch verblendet zum terroristischen Kampf gedrillt wurden und seither kein Lebenszeichen von sich gegeben haben.
Nicht nur, dass die HDP nicht gewillt ist, sich mit den Sorgen und Nöten der Mütter und Väter auseinanderzusetzen, sie unterstellt diesen vor allem, dass sie Kombattanten sind und von der Regierung missbraucht werden. Das zieht sich wie ein roter Faden durch all ihre Erklärungen und Zurückweisungen. Die Sitzstreikenden werden geradezu kriminalisiert, politisiert. Statt gegenüber der PKK ein Machtwort zu sprechen, wie sie es ständig gegenüber dem „Regime“ ausübt, wirft man den Müttern und Vätern vor, sich von der Regierung instrumentalisieren zu lassen. Dabei ist ihre einzige Forderung die, dass die Kinder freigelassen werden, oder zumindest ein Lebenszeichen von sich geben. Das ist wohl von der HDP zuviel verlangt.
Was die HDP derzeit an den Tag legt und wessen Geistes Kind sie ist, muss man nicht näher breittreten. Sehr wohl aber die unheimliche, dröhnende Stille innerhalb der Kreise von Persönlichkeiten, die sich bislang freimütig und beherzt auf die Seite der HDP geschlagen haben, um für Frieden und Freiheit zu plärren. Auch der ansonsten zwiespältig verhaltende Oppositionsführer der CHP oder der neue Oberbürgermeister von Istanbul, verhalten sich ungewöhnlich still. Das liegt wohl daran, dass man bis vor kurzem noch der HDP unter die Arme gegriffen hat.
Wo also zuvor noch lauthals „es reicht! Kein Blutvergießen. Unsere Kinder und Jugendlichen sollen nicht mehr sterben. Beendet diese Kämpfe. Findet einen Ausweg.“ gerufen wurde, heißt es nunmehr: „……..“
Jetzt weinen nicht mehr die Mütter, sie rebellieren geradezu, und zwar gegen die HDP wie auch PKK. Wie sagte eine Mutter in Diyarbakır?
„In Diyarbakır habt ihr keine Kinder und Jugendlichen mehr übrig gelassen. Entweder sitzen sie im Gefängnis oder sind unter der Erde. Zum Teufel mit eurer Kurdistan-Agenda! Wir wollen unsere Kinder, wir haben keine Kinder mehr für euch.“
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
Zum Thema
– Kurden gegen PKK –
Türkei: Mächtige Kurden-Clans schließen sich Protesten gegen HDP an
Seit Wochen protestieren kurdische Mütter vor den Büros der oppositionellen „Demokratischen Volkspartei“ (HDP) in der südosttürkischen Stadt Diyarbakır gegen die Verschleppung und Rekrutierung ihrer Kinder durch die Terrororganisation PKK. Dem Protest, der als einfacher Sitzstreik begann, schließen sich täglich immer mehr Mütter, Eltern und zuletzt auch kurdische Großfamilien an.
Türkei: Mächtige Kurden-Clans schließen sich Protesten gegen HDP an