Von Prof. Dr. Hans-Christian Günther
Am 6.11. musste sich die VR China vor dem Menschenrechtsrat in Genf der periodisch fälligen Untersuchung der Menschenrechtssituation im Lande stellen.
Nachdem der CERD-Ausschuss der UN den Bericht von Human Rights Watch über die Internierung von über einer Million Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten in Xinjiang in KZs im Stil der Nationalsozialen bestätigt hat, hat sich die internationale Berichterstattung über den Genozid an den Uiguren und die wachsende Repression gegen Islam und Christentum in China deutlich verstärkt.
Unter dem Druck internationaler Kritik rückte China dann auch von der ursprünglichen Leugnung der Existenz von Lagern ab und begann letztere als „freiwillige Trainingszentren zum Erlernen der chinesischen Sprache und beruflicher Fertigkeiten“ zu beschreiben. Das erste Foto, das man veröffentlichte, um dies zu belegen, zeigten immer noch Personen in Sträflingskleidung und sah eher so aus, dass es bald von Kritikern der Lager weiterverbreitet wurden.
Inzwischen zeigt man Videos von Schülern vor chinesischen Sprachlehrbüchern und singende und tanzende Personen in Tracht. Man hat auch inzwischen zugegeben, dass die „Trainingszentren“ der Ausrottung extremistischen Gedankenguts und „inkorrekter“ Ansichten dienen.Zudem hat man die Lager offiziell legalisiert. So zeigt das chinesische Fernsehen inzwischen auch Uiguren, die sich bei der kommunistischen Partei bedanken, sie von extremistischen Ansichten befreit und zu nützlichen Staatsbürgern gemacht zu haben.
Man fragt sich, ob man sich mehr über die Frechheit oder die Dummheit des chinesischen Staatsapparats wundern soll, der frech genug ist zu glauben, auf diese groteske und prima facie unglaubhafte Weise vor der Weltöffentlichkeit agieren zu können, oder die bodenlose Dummheit, Personen durch Internierung und Folter zu überzeugten Sinomarxisten zu machen.
Die dilettantische Frechheit der Propaganda entspricht fast schon dem Agieren der Saudis, die professionelle Grausamkeit der chinesischen Folterknechte übertrifft die grotesken Methoden der Saudis bei weitem.
Freilich, China kann sich die schamlose Frechheit seiner Propaganda leisten, mehr noch, als Saudi Arabien dies bislang tun kann. Das zeigt nicht zuletzt die Sitzung des Menschenrechtsrates vom 6. November. Ausschließlich westliche Staaten haben sich besorgt über die Lage in Xinjiang und die Verfolgung der Religion geäußert, mehr auch nicht; Kanada hat gar verzichtet, nach der chinesischen grotesken Leugnung der Tatsachen weiter nachzufragen: man ging eher zur Situation der LBGT-Gemeinde in China über.
So skandalös, dass man es auf den ersten Blick kaum glauben kann, ist freilich die Tatsache, dass kein muslimisches Land in der Sitzung des Menschenrechtsrates auf die Situation in Xinjiang einging.
Wenn die muslimische Welt sich soweit von China kaufen und einschüchtern lässt, dass noch nicht einmal ein muslimischer Delegierter im Genfer Menschenrechtsrat es wagt, die Vernichtung des Islam in China, den Mord, die Folter, die systematische Ausrottung eines ganzen muslimischen Volkes und seiner Kultur anzusprechen, wen wundert es dann, dass China sich sicher genug fühlt, die internationale Öffentlichkeit mit billigen Lügen abzuspeisen und der weilen seine Vernichtungspolitik zu intensivieren?
Der Staatschef von Malaysia ist bislang immer noch der einzige muslimische Staatsmann, der die chinesischen Verbrechen offen angesprochen hat; er hat auch Milliardengeschäfte mit China auf Eis gelegt. Ist Malaysia das mächtigste, das wirtschaftlich stärkste muslimische Land? Angesichts der mutigen Worte und Taten der malaysischen Regierung können sich andere Länder nur schämen.
Diese Situation ist eine Schande für die gesamte muslimische Welt. Aber natürlich ist sie, recht betrachtet, auch nicht ganz verwunderlich.
Wenn inzwischen arabische Länder wie Ägypten, Saudi Arabien, die Emirate mit Israel eine Achse des Verbrechens bilden, die israelische Politik des Genozids an den Palästinensern hinnehmen und fördern, Völkermord an anderen Muslimen verüben, im eigenen Land die muslimische Opposition einkerkern und ermorden, wenn selbst Oman inzwischen Netanjahu empfängt, wenn in Ägypten Frauen im Nijab niedergeknüppelt werden, Männer mit Bart nicht mehr an Universitäten zugelassen werden sollen, Mädchen in Kasachstan das Kopftuch zum Schulbesuch ablegen müssen, wie kann man von solchen Staaten erwarten, China entgegenzutreten?
In Pakistan bringen zwar angebliche Fälle von Blasphemie den Mob auf die Straße, nur für den Mord an Muslimen in Xinjiang interessiert sich weder die Straße noch die Regierung. Nun, dass korrupte Regierungen sich von China erpressen lassen, ist in diesem Kontext nicht mehr verwunderlich. Allerdings gibt es doch auch Länder, deren Regierungen den Islam und seine Werte ernst nehmen.
Auch wenn solche Länder, wie vor allem der Iran und die Türkei, derzeit wirtschaftlich unter Druck sind, muss das bedeuten, dass man sich zum Schoßhund einer totalitären atheistischen Diktatur macht? Dass man wortlos zusieht, wie Muslime systematisch eingekerkert, gefoltert, erniedrigt werden, muslimische Frauen in Konzentrationslagern regelmäßig vergewaltigt und misshandelt oder, sofern sie nicht in Lagern festgehalten werden, mit atheistischen Hanchinesen zwangsverheiratet werden, dass internierte Familien ihre Kinder in kaum mit dem nötigsten ausgestattete Waisenhäuser verlieren, wo sie in die Unkultur der kommunistischen Partei hineingezwungen werden? Dass man wortlos die Ausrottung der Muslime und ihrer Kultur in gleichsam einem ganzen Kontinent duldet?
Und wenn schon Regierungen schweigen, warum schweigt selbst die International Union of Muslim Scholars, die soeben in Istanbul ihre Zusammenkunft beendet hat? Sie hat dankenswerterweise die Akzeptanz Israels durch immer mehr muslimische Staaten verurteilt. Warum gilt dasselbe nicht für China? China begeht Verbrechen im Stil Israels, China unterstützt den Völkermord an den Rohingyas, chinesische Medien verbreiten Hasspropaganda gegen den Islam.
Wer die Verbrechen Chinas deckt, hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Er kann nicht mehr glaubwürdig Israel bekämpfen und er soll über die Diskriminierung von Muslimen im Westen den Mund halten. Die ist schlimm genug, aber sie ist in keiner Weise dem Genozid Chinas an den Uiguren vergleichbar. Westliche Staaten tun bei weitem nicht genug, um Chinas Verbrechen entgegenzutreten, aber sie tun mehr als muslimische Staaten.
Wenn die muslimische Staatengemeinschaft ein derart jämmerliches, zerrissenes Bild abgibt, wenn man vor den Feinden des Islam einknickt oder gar sie unterstützt, wenn man gar sich gegenseitig im Interesse der Feinde des Islam zerfleischt, dann muss man sich nicht wundern, dass Muslime heute weltweit erniedrigt, diffamiert und ermordet werden.
Das Bild, das die muslimische Staatengemeinschaft abgibt, ist eine Schande. Solange die Muslime nicht aufwachen, solange nicht diejenigen Staaten, denen islamische Werte etwas bedeuten, sich zusammentun, solange die Bevölkerung muslimischer Staaten nicht Regierungen, die den Islam verraten, wegfegt, werden die Muslime weltweit die vorzüglichen Opfer von Völkermord und Gewalt bleiben, werden westliche Länder, Israel und der neue gefährlichste Feind, China, vor aller Augen damit prahlen, den Islam zu erniedrigen und Muslime zu ermorden.
Es ist Zeit, das sich etwas ändert. Und zwar schnell. Ich befürchte, für die Muslime in China wird es zu spät sein. Die Welt hat die Uiguren und ihre Kultur zum Abschuss freigegeben. Die schon fast abgeschlossene Vernichtung der Uiguren wird einmal – wie die Vernichtung der Juden, der Indianer, der australischen Ureinwohner – eine Schande nicht nur für ihre Mörder, sondern auch für die Welt sein, die dabei zugesehen hat, besonders für die Muslime.
Dieser Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht zwingenderweise den Standpunkt von nex24 dar.
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Prof. Dr. Hans-Christian Günther
Geb. am 28.4.1957 in Müllheim / Baden
Professor für klassische Philologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung
Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.
Zahlreiche Publikationen und Gastprofessoren. Lange Aufenthalte in der VR China. Im Bereich der Altertumswissenschaft besonderer Schwerpunkt auf der politischen Dichtung der Augusteer und allgemein der Reflexion antiker Autoren auf ihre gesellschaftliche Stellung und Verantwortung Seit 2004 Tätigkeit im Bereich des Dialogs der Religionen und Kulturen mit zahlreichen Veröffentlichungen.
Ausgebildet in Freiburg und Oxford. Stipendiat der DFG und der Alexander von Humboldt -Stiftung. Gerhard Hess Preis der DFG.
Zahlreiche Publikationen (ca. 40 Bücher, u.a. Brill’s Companion to Propertius, Brill’s Companion to Horace) im Bereich der antiken Philosophie und Literatur, der Byzantinistik, Neogräzistik, modernen Literatur und Philosophie, Ethik und Politik. Zahlreiche Versübersetzungen aus dem Lateinischen, Italienischen, Neugriechischen, Georgischen, Japanischen und Chinesischen.
Lehrt regelmäßig in Italien, zahlreiche Gastaufenthalte in der Schweiz, Polen, Georgien, Indonesien, Iran, Seoul, Tokyo und vielen chinesischen Universitäten. Herausgeber mehrerer Buchreihen, im wissenschaftlichen Beirat zahlreicher wissenschaftlichen Zeitschriften.