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Rohingya-Verfolgung: Erdogan kritisiert Gleichgültigkeit muslimischer Länder

"Bedauerlicherweise interessieren sich die meisten muslimischen Länder nicht für das Leid der Rohingya-Muslime", sagte Erdogan bei einer Rede im Präsidentenpalast in Ankara.

(Archivfoto: AA)
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Ankara (nex) – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte am Freitag die Gleichgültigkeit muslimischer Länder gegenüber dem Leid der Rohingya-Muslime.

„Bedauerlicherweise interessieren sich die meisten muslimischen Länder nicht für das Leid der Rohingya-Muslime“, sagte Erdogan in seiner Rede im Präsidentenpalast in Ankara.

Erdogan kritisierte, dass sich die meisten muslimischen Staaten bei der jüngsten UN-Generalversammlung in New York nicht zu den Gräueltaten gegenüber den muslimischen Rohinya geäußert hätten. Iran, Pakistan, Indonesien, Bangladesch und die Türkei seien die einzigen Länder gewesen, so Erdogan weiter.

Er bekräftigte zudem seine Kritik an der Struktur des UN-Sicherheitsrats und empfahl eine Neugründung, in dem alle Glaubensgruppen und Ethnien vertreten sein sollten.

Laut der UN sind seit Ende August über 613.000 Rohingya aus ihrem Heimatland Myanmar ins benachbarte Bangladesch geflohen. Die Aussagen der Flüchtlinge sind nach den Worten einer hochrangigen UN-Ermittlerin furchtbar und schockierend. Linnea Arvidsson, Leiterin eines vierköpfigen UN-Ermittlerteams für Menschenrechte, erklärte gegenüber Medien, dass die Gewalt gegen die Rohingya im Namen des Staates ausgeübt werde.

Eine große Mehrheit sei bei Tötungen dabei gewesen. Fast die Hälfte der Interviewten habe ein getötetes oder vermisstes Familienmitglied zu beklagen. Wie aus dem Bericht des EU-Ermittlerteams hervorgeht, seien mehr als die Hälfte aller befragten Frauen Opfer von Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt gewesen.

„Jeder hat irgendeine Art von Gewalt erlebt“, erklärte Arvidsson gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu. „Entweder wurde sein Haus niedergebrannt oder ein Familienmitglied wurde umgebracht oder verschwand, oder er selbst wurde geschlagen.“

Die Teamleiterin, die einige Menschenrechtsverletzungen als „von der gravierendsten Art“ bezeichnet, betont, dass das, was sie in den persönlichen Interviews mit den Opfern zu hören bekommen habe, furchtbar und schockierend gewesen sei.

„Wir sprechen hier von Gewalt, die von Vertretern des Staates ausgeübt wird, denn der Polizist und der Soldat in Uniform sind Vertreter des Staates“, so Arvidsson weiter. Die Ermittlerin verurteilte die andauernde Gewalt; die Behörden könnten nicht Zivilisten aus angeblichen Sicherheitsgründen oder wegen anderer operativer Ziele töten.

„Kein Ziel kann solche Tötungen rechtfertigen“, unterstrich sie.

Sie sehe für die Gewalt gegen die Rohingya sowohl ethnische als auch religiöse Gründe, erklärte sie. Auf die Frage, ob diese Gewalt als ein Genozid bezeichnet werden könnte, erwiderte Arvidsson, dass die Beantwortung dieser Frage eine sehr viel tiefer gehende Analyse erfordere. Sie wiederholte jedoch ihre Aussage, dass die Vorfälle in Myanmar höchstwahrscheinlich den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllten. In UN-Berichten ist von Massenvergewaltigungen und sogar Tötungen von Kleinkindern und Babys die Rede.

Helfer unterstützen die Not leidenden Menschen unter Einsatz ihres eigenen Lebens. “Wir haben unser Land verlassen, um unser Leben zu retten. Wir hatten keine Wahl”, so ein Flüchtling gegenüber der Hilfsorganisation „Aktion Deutschland Hilft“.

In seiner Heimat Myanmar arbeitete er als freiwilliger Helfer, nun ist er selbst auf Unterstützung angewiesen: Die Gewalt in seinem Heimatland zwang ihn und seine Familie zur Flucht – ein Risiko, denn seine Frau ist im achten Monat schwanger:

“Während unserer Flucht bettelte ich um Essen für sie”, berichtet Zakir.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge hatte die Türkei im Oktober nach deren Zusage, die Rohingya-Flüchtlinge mit 50 Millionen US-Dollar unterstützen zu wollen, als “großzügiges humanitäres Geberland” bezeichnet.

“Ich möchte darauf hinweisen, dass die Türkei nach wie vor ein großzügiges humanitäres Spenderland ist, in dem sich gleichzeitig auch das größte Flüchtlingslager der Welt befindet”, hatte UN-Flüchtlingskommisar Filippo Grandi gegenüber Medien in Genf erklärt.

Der ständige UN-Vertreter der Türkei in Genf, Naci Koru, erklärte auf der Konferenz:

“Im Rahmen des humanitären Hilfsprogramms planen wir mittelfristige Unterkünfte für 100.000 Menschen auf einem Gebiet von drei Millionen Quadratmetern, zwei Feldkrankenhäuser, 10 Gesundheits- und Familiengesundheitszentren, Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, sowie Nahrungsmittelhilfe in Form von frischen Erzeugnisse für die Gemeinden.”